Preußen - Österreich

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Jørgen

    Ein interessanter Brief :)

    Der Brief war wahrscheinlich zuerst mit 2 Sbgr falsch taxiert geworden und sogar in Breslau gestempelt vor man gemerkt hatte dass es 4 Sbgr sein sollte. Der Empfänger musste dann diese 2 Sbgr dazu bezahlen vor der Brief der nächste Tag weiter nach Prag lief. Der Brief war dann bis Grenze österreichs frankiert.
    In Österreich musste der Empfänger 10 Kreuzer CM bezahlen, was die dritte Entfernungsstufe bei Auslandsbriefe war. Was du als CO siehst ist hier also 10.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Ich hoffe folgender Beleg ist hier richtig aufgehoben. Bei der Interpretation habe ich trotz fortgeschrittener Lektüre Helbigs Vorphilatelie Band 1 so meine Probleme.

    Briefhülle
    Aufgabestempel 06.06.1846 aus Grevenbroich (Preußen) nach Bad Gastein (Österreich) "über München"
    Würzburger Auslagestempel? Sowie ein weiterer Würzburger Stempel. 
    Bad Gasteiner Aufgabestempel?
    Warum existieren insgesamt 2 Aufgabestempel?
    Eine komplett gestrichene 3er-Taxierung. Eine weitere verrechnete Taxierung i.H.v. 3.
    11 und 12 = 23 Porto?

    Ich zeig euch den Beleg einfach mal, vielleicht könnt ihr mir mehr sagen.

  • Hallo Don Stefano,

    ehe ich den Brief erkläre, kurz zum Basiswissen: Aufgabestempel = Grevenbroich. Transitstempel: Würzburg vorn und hinten. Abgabestempel (auch Ankunftsstempel genannt) = Bad Gastein.

    Der Absender zahlte nichts für den Brief bis 1/2 Loth. Die Aufgabepost notierte 3 Sgr. zweimal, warum auch immer. Bayern strich beide, nachdem man den Auslagestempel auf der einen Drei abgeschlagen hatte.

    3 Sgr. für Preußen wurden in 11 Kr. rheinisch reduziert (3 mal 3,5 = 10,5 und ab ,5 war aufzurunden). Postvertrag Bayern - Preußen von 1835.

    Bayern und Österreich bildeten ab dem 1.10.1842 ein einheitliches Postgebiet bei halbscheidiger Gebührenteilung. In der höchsten Entfernungsstufe kamen 12 Kr. CM in Ansatz, siehe hier. Der Empfänger zahlte also 23 Kr. CM.

    Österreich kümmerte es nicht, dass die von Bayern verauslagten 11 Kr. "rheinisch" waren, sondern vergüteten Bayern 11 Kr. CM, so dass Bayern einen kleine Währungsgewinn machte (3 Kr. rh.).

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Mich hat die optische Ähnlichkeit des österreichischen Ankunftsstempels mit den deutschen L2-Aufgabestempeln sehr irritiert. Der Bad Gasteiner Stempel sieht in meinen Augen wie ein deutscher Aufgabestempel aus.

    Auf dem rückseitigen Transitstempel erkenne ich "9 / 3", müsste dies nicht "9 / 6" lauten? Da der Brief am 6.6. abgeschickt wurde.

    Kannst du von der Anschrift mehr als "dem Herren [...] Heinrich von Hoyos [...] Hochgebohren zu Bad Gastein" erkennen?

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Hallo Don Stefano,

    vielen Dank. Der Stempel von Bad Gastein ist vom 13 oder 16.6., denn wie du unschwer am Würzburger Halbkreiser sehen kannst, war er am 9.6. in Würzburg und damals waren die Kutschen noch nicht so schnell. Erst ab Donauwörth ging es per Bahn nach München weiter, dann wieder mit der Kutsche bis zum Empfänger.

    Die Adresse lautet:

    Dem Herrn Georgen Heinrich von Hoyos
    K. K. Gubinalrath und Kammerherrn hochwolgebohren
    zu Bad Gastein
    über München

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Die Ankunft in Bad Gastein müsste am 16.6. stattgefunden haben, so wie ich dies sehe. Demnach war der Brief 10 Tage unterwegs.

    Könntest du zu der ähnlichen Form der deutschen Aufgabestempel und der österreichischen Ankunftsstempel (zumindest in diesem Fall) nochmal etwas sagen?
    Bisher kenne ich Ankunftsstempel eher in Form eines Rundstempels. Sind Langstempel in Österreich für die Ankunft typisch gewesen?

    Vielen Dank für deine Erklärungen! :thumbup:
    Ich hoffe eines Tages fällt mir das Analysieren von Briefen auch so leicht.. :love:  

    Beste Grüße,
    Stefan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,

    ungewöhnlich finde ich die geschweifte Klammer zur Verdeutlichung, wie die 23 Kr. zustande kamen. Wer hielt denn da wen für "beratungswürdig" ? :rolleyes:

    Leider sind die Würzburger Stempel auch ein Beispiel dafür, dass auch Stempelfarben (hier ehemals leuchtend rot) bei falscher Lagerung leiden ...

    Viele Grüße
    Michael

  • Hallo Don Stefano,

    ich bin leider kein Stempelspezialist von Österreich, aber auch dort hat man in der Regel die selben Stempel bei der Auf- und Abgabe benutzt. Das Stempelspektrum Österreichs ist aber um ein vielfaches umfangreicher und komplexer, als aller altdeutschen Staaten zusammen. Man muss sich das so vorstellen, dass die K. + K. Monarchie ein riesiges Gebiet umfasste und lokale Aufträge vergab.

    Die Zweizeiler waren eine recht beliebte Stempelform, waren sie doch ihrer Zeit voraus, in dem sie nicht nur den Ort gut erkennen ließen, sondern auch noch Platz für das präzise Datum, teils das Jahr und die Uhrzeit hatten. Vergleiche dazu mal die Aussagekraft und Informationsfülle eines bayerischen oder preußischen Fingerhutstempels (= kleiner Einkreisstempel). :D

    Bei mehreren Tausend Postorten gab es also viele Dutzend Stempel- und zahllose Sonderformen - ihr Einsatz konnte bei der Briefpost, bei der Fahrpost, nur am Einschreibschalter, nur als Stempel bei Ortsbriefen, nur als Ankunftsstempel von unfrankierten Briefen, nur als Ankunftsstempel von frankierten Briefen, nur als Transitstempel, nur als Aushilfsstempel, nur in Südrichtung, nur in Nordrichtung und und und vorkommen. Herr Jerger hat, wenn ich mich nicht irre, die beste Sammlung österreichischer Stempel zusammengetragen, die es je gab, aber selbst ihm, dem Stempelpapst, war keine Komplettierung möglich, trotz seines Wissens, seiner langen Sammelleidenschaft und seiner sehr erheblichen, finanziellen und ideellen Mittel.

    Noch etwas zu den Stempelformen - die Post hatte auch auf Briefe anderer Postverwaltungen geschaut und gesehen, welche Stempelformen dort existieren und geprüft, ob man das nicht auch für den eigenen Betrieb übernehmen sollte. Prinzipiell war im 17. und 18. Jahrhundert kein Stempeleinsatz vorgesehen bzw. gab es sie gar nicht, weil ihre Anschaffung teuer und der Nutzen gering war, da auch die Anzahl der Briefe, auf denen man sie hätte abschlagen können, gering war.

    Erst in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts finden sich dann bei größeren Poststellen Stempel, die lokal beschafft wurden und demzufolge individuell gestaltet waren (Antiqua, gemischte Antiqua = Groß- und Kleinbuchstaben, Schreibschrift, französische Form und Text wie z. B. "Hambourg" usw.). Das Informationsbedürfnis zuvor war durch das Anbringen des Ortsnamens mit Tinte (seltener Farbstift) voll befriedigt worden und ein Datum nicht relevant.

    Erst im beginnenden 19. Jahrhundert, nach der napoleonischen Ära, kamen Handel und Wandel wieder stärker auf und die treibende Stempeinnovationskraft waren die Firmen, die wissen wollten, wann wer wo einen Brief an sie abgesandt hatte (eine Absenderdatierung konnte ja auch in mainpulativer Weise vorgenommen worden sein). Ein Poststempel aber hatte dokumentarischen Charakter und galt als unzweifelhaft und rechtsverbindlich. So wuchs der Informationsgehalt immer mehr, was aber auch die Einstellungen der Stempelgeräte komplizierter werden ließ und auf der anderen Seite an die Stempelhersteller höhere Anforderungen stellte, so dass die Stempelgeräte wesentlich teurer wurden.

    Mit der höheren Informationsdichte wuchs auch die Anfälligkeit der arbeitenden Teile im Stempelgerät selbst - damit fielen sie häufiger aus und Ersatz = Aushilfsstempel waren anzuschaffen. Hierbei ist prinzipiell zu unterscheiden, ob die Postverwaltung ihrem Personal die Stempel zur Verfügung stellte (19. Jahrhundert die Regel), oder ob eine Selbstversorgung zu unterstellen war (wenn das in den Dienstverträgen so vorgesehen war), denn viele Posthalter, Expeditoren und Vorsteher waren keine Beamten, sondern Unternehmer, die mit der Post kooperierten. Denen war, wenn es um einen neuen Stempel ging, manchmal der mühevolle Behördenweg zu langwierig und sie verschafften sich schnell Ersatz, in dem sie beim lokalen Stempelschneider für wenige Gulden oder vlt. einen halben Thaler sich schnell einen neuen Stempel schneiden ließen. Dass diese dann oft nur dem eigentlichen, offiziellen Poststempel mehr oder minder gut nachempfunden waren, liegt auf der Hand, je nach Talent des Handwerkers (Künstlers). Aber das ist nur eine Teilbegründung für die Stempelvielfalt, die wir im 19. Jahrhundert fast überall gewärtigen können und die unser Sammelgebiet ungemein zu erweitern in der Lage ist.

    Sorry für den geschichtlichen Exkurs, aber wenn man mal gerade so am schreiben ist ...

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Michael,

    Zitat

    ungewöhnlich finde ich die geschweifte Klammer zur Verdeutlichung, wie die 23 Kr. zustande kamen. Wer hielt denn da wen für "beratungswürdig" ?

    das kann in Bayern (Würzburg) passiert sein, könnte aber auch die Schrift Österreichs sein. Der Brief kam ja mit 4 Taxen (2 gestrichen, 2 "aktiv") an und am frühen Morgen sollte man die Schwierigkeiten, zweistellige Zahlen fehlerfrei zu addieren, nicht unterschätzen. :thumbup:

    Vlt. war man noch den bis 30.9.1842 existierenden Grenzfrankozwang gewohnt, der ja nur eine Taxe bei Briefen, die von Bayern zuspediert wurden, notwendig machte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Sorry für den geschichtlichen Exkurs, aber wenn man mal gerade so am schreiben ist ...

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Sehr ausführlich, verständlich und interessant geschrieben, ich habe zu danken! :thumbup:
    Somit ist mal wieder ein weiterer Beleg geklärt und kann in die Sammlung aufgenommen werden.

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Geschätzte Experten!

    Gibt es Literatur über die preuß. Posttarife ab ungefähr 1800 bis in den DÖPV? Das ist für mich deshalb interessant, da ich mich ein wenig mit den Postverträgen zwischen Preußen und Österreich beschäftigen möchte.

    Vielen Dank und herzlichen Gruß

    hk1190

  • Hallo preussensammler,

    genau so einen habe oder hatte ich auch - nur sah meiner nicht so schön aus, wie diese Perle. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo,
    ich möchte hier einen Brief zeigen, der von Düsseldorf nach Joslowitz bei Znaim in Mähren ging. Also von Preußen nach Österreich. Leider gibt es kein Datum. Der Brief geht an den Herrn Grafen von Hompesch. Portoangaben sind zum einen rot 12/6 und dann noch einmal mit Tinte 18. In Düsseldorf am 8.4 aufgegeben und in Znaim am 13.4.angekommen. Kann auch sein, das der Brief nach 1850 lief. Kann jemand näheres dazu sagen?
    Grüße
    MisterTP

  • Hallo MisterTP,

    ab 1.7.1850 war eine Teilung des Portos nicht mehr möglich, dein Brief ist also aus April 1850 oder ganz wenigen Jahren davor versandt worden.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Der Dreizeiler DÜSSELDORF mit (wahrscheinlich) fester Zeitangabe 8 - 10 N wurde (wie in den PREUSSEN-Studien 137 bzw. 138 beschrieben), in der Zeit von 1844 bis 1848 für die spät eingetroffene Post verwendet.

  • Danke für die Infos,
    Noch eine Frage zum Porto. Welches Porto auf dem Brief bezieht sich auf die preussische Seite? Zu sehen sind ja 12/6 und 18. Wie war damals die Postroute? Ging der Brief über Bayern oder eher über Sachsen. Da ging ja auch vieles über Dresden und Bodenbach runter nach Böhmen.
    Vielen Dank für eure Hilfe
    MisterTP

  • Hallo MisterTP,

    12 Kr. CM war das halbscheidig zu teilende Gemeinschaftsporto zwischen Österreich und Preußen und 6 Kr. CM gingen allein an Preußen, weil der Aufgabeort so weit weg von Österreich lag.

    Zur Leitung müssen sich unsere Preußen oder Leitwegsspezialisten äußern; nur Bodenbach kannst du vergessen, das war erst ab Frühjahr 1851 dank der Eisenbahn relevant geworden.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.