Bayern - Postscheine

  • Hallo Christian,

    dein schöner Schein stammt aus 1848, das ist vollkommen korrekt.

    Wenn ich darf, erlaube ich mir in deinem Thread ein paar Besonderheiten der bayer. Postgeschichte, was die Postscheine angeht, zu zeigen. Falls es so nicht recht sein sollte, kann das auch verschoben werden.

    Selten hat man es heute noch, wenn der Postschein mit dem damals dazu gehörigen Postlieferschein (Rückschein für Amtsschreiben) noch vereinigt ist. Hier haben wir diesen glücklichen Umstand, dass man in Bamberg am 24.5.1851 einen recommandirten Brief mit Postlieferschein nach Cronach sandte und der Lieferschein am Folgetag quittiert wieder der Aufgabepost retourniert wurde.

    Die gezahlten Gebühren von 12 Kr. wurde auf dem Postschein links unten notiert (je 6 Kr. für Chargé und Lieferschein) - der Brief selbst war portofrei belassen worden.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

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    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... wenn ich schon dabei bin, noch gleich einer hinterher:

    Für die Freunde des gepflegten Bayernstempels sicher eine kleine Augenweide - ein Postschein von Weiden in der Oberen Pfalz vom 9.12.1865 zeigt uns den uralten, seit 1795 im Dienst der kaiserlichen Reichspost stehenden Schreibschriftstempel Weiden, der in späterer Zeit sowohl auf Formularen, als auch als Aufgabestempel Verwendung fand. Die Qualität des Stahls muss überragend gewesen sein.

    Der ihm zugrunde liegende Brief lief für 3 Kr. Franko nach Würzburg, so dass der Absender 9 Kr. total berappen musste.

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  • ... und dann wäre noch der hier interessant:

    Für den Fall, dass ein Absender etwas zu wenig Geld dabei hatte, einen Brief aber doch sofort eingeschrieben auf die Reise bringen musste, hatten wir das Problem, dass vor dem 1.1.1861 sowohl der Brief, als auch die Chargégebühr bezahlt werden mussten. Portobriefe unter Recommandation waren von Privaten nicht anzunehmen.

    Am 10.12.1858 schrieb man von Winnweiler in der Pfalz einen Brief nach Ludwigshafen. Der Absender nahm sich wohl 9 Kr. mit: 3 Kr. für den Brief selbst (innerhalb der Pfalz bis 1 Loth) und 6 Kr. für die Chargierung. Als er im Postbüro war, stellte der dortige Expeditor fest, dass der Brief übergewichtig war und die ausgedachten 3 Kr. hierfür nicht reichten.

    Er sollte aber auf jeden Fall eingeschrieben versandt werden - was war zu tun?

    Er füllte den Schein aus und notierte hinter dem bezahlten Franko von 3 Kr. "noch Zutax". Vermutlich war der Brief in der 2. Gewichtsstufe, so dass er auf dem Brief selbst "noch 6 Kr." vermerkt haben dürfte. 3 Kr. fehlendes Franko und 3 Kr. Zuschlag = 6 Kr..

    Die Frage ist: hätte er nicht auch von den 9 Kr. 6 Kr. für die Frankatur und nur 3 Kr. für die Einschreibung nehmen können? Nein, konnte er nicht. Die 6 Kr. Chargégebühr stand ihm als Emolument (Teil seiner Gesamtbezüge) zu. Die musste er also immer erheben. Eine kostenmäßige Verlagerung fehlender Einschreibegebühren auf den Empfänger war nicht zulässig, also hatte er richtig gehandelt.

    Es versteht sich von selbst, dass es kaum unterfrankierte Briefe unter Recommandation gibt - ich habe keine 10 in meinem Leben gesehen. Wer einen hat, darf sich glücklich schätzen und aus der Pfalz kenne ich überhaupt keinen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

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  • ... und auch der ist nicht ohne: Briefpostschein aus München (mit meinem Lieblingsstempel :) ) vom 18.8.1866 (der Krieg war gerade vorbei) für einen Brief der 2. Gewichtsstufe (über 1 - 15 Loth) nach Tutzing. Da er sofort zugestellt werden sollte, verlangte man die expresse Besorgung, was weitere 9 Kr. kostete. Somit durfte der Absender (Expressbriefe mussten damals eingeschrieben sein) total 21 Kr. (= 4 Mittagessen) bezahlen.

    Ich kenne mehr Expressbriefe, als Scheine für dieselben. Mit dem Preis hat das aber nichts zu tun ... :D

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  • ... die hier sind auch nicht uninteressant:

    Ein Schein aus München vom 31.10.1850 für ein Schreiben an Herrn von Bruck in Wien. Der Münchner Beamte nahm noch einen alten Schein aus der Zeit vor dem 1.7.1850, auf dem die Chargégebühr mit 4 Kr. ausgewiesen wurde, was zum Zeitpunkt der Ausstellung des Scheins natürlich falsch war. Er notierte einfach 6 Kr. als "Summe" der Gebühren, wobei der Brief selbst portofrei war und nur die Scheingebühr anfiel.

    Da hätte ich auch gerne den Brief dazu ...

    Nur wenige Scheine kenne ich mit dem schönen Rahmenstempel Münchens, noch dazu, wenn der violette Chargé - Stempel mit dazu abgeschlagen wurde. Am 1.11.1861 sandte man einen schwerer Brief für 12 Kr. Franko nach Regenstauf, der somit total 18 Kr. kostete. Wer diese Scheine für 10 Euro schnappt, macht auch bei dem großen München nichts falsch, weil es von dort relativ wenige Scheine gibt, warum auch immer.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • ... und wenn wir schon dabei sind, hier noch einer aus Bamberg für ein sehr schweres Schreiben nach Prien vom 19.5.1865. Der dreifach schwere Brief kostete stattliche 18 Kr. Franko, 6 Kr. Chargégebühr und 6 Kr. für den Lieferschein, so dass der Absender dieser Parteisache stolze 30 Kr. (!) zahlen durfte. Später hatte die der Private an der Backe, für den man diesen Brief absandte ...

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  • .... Schreibschriftstempel Weiden, der in späterer Zeit sowohl auf Formularen, als auch als Aufgabestempel Verwendung fand. Die Qualität des Stahls muss überragend gewesen sein. Liebe Grüsse von bayern klassisch


    Hallo bayern klassisch,

    über die Weiterverwendung der Aufgabestempel auf Formularen in einigen Postexpeditionen haben wir schon diskutiert. Es wird ein Rätsel bleiben, warum nur einige "schlaue" Beamte oder Expeditoren diese Idee hatten. Der Schein ist der Typ mit den gepunkteten "Hilfslinien", den es auch von Würzburg gibt. Wenn ich zu diesem Typ komme werde ich diesen unter den Würzburger-PS einstellen (bin noch nicht soweit). Danke für das Vorstellen deiner "Schätzchen" :thumbup:

    Beste Grüße von Luitpold

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).

  • Lieber Luitpold,

    kannst du gerne machen. :)

    Einen Briefpostaufgabeschein vom 10.12.1874 aus Passau hätte ich da noch. Er wurden für einen Brief nach Breitenb?? ausgestellt, der 3 Kr. Franko, 7 Kr. Recogebühr (ab 1.1.1868 ) und 7 Kr. für die Retour Recepisse (R.R.) kostete. Wenn der Expditor die Gebühr für die R.R. auf dem Brief verklebte, was möglich, aber keine Vorschrift war, dann hätte er eine 17 Kr. Markenfrankatur geschaffen, die man erst einmal finden muss.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

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  • ... damit es nicht heißt, bayern klassisch hätte ja nur etwas von der Briefpost, hier eine Mischung aus beiden Postdiensten Brief- und Fahrpost.

    Am 17.1.1859 schrieb man von Amorbach einen Brief nach Klingenberg, der mit 6 Kr. treffend frankiert worden war. Später ging der Empfänger zu seiner Post in Klingenberg und gab ein Schreiben im Wert von 15 Gulden auf, welches als Wertbrief mit der Fahrpost zu befördern war. Um die Verbindung zwischen dem Brief aus Amorbach und seinem Schreiben mit Wert an das Appellationsgericht in Aschaffenburg herzustellen, klebte er den dafür erhaltenen Postschein der Fahrpost in den Brief.

    In dem Brief vermerkte er das Franko von 7 Kr. plus die Recogebühr von 3 Kr. unter dem Schein selbst, als er saldierte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

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  • ... und weil mal irgendwer zweifelte, ob auf diesen Scheinen auch Gebühren oder Kosten aufgeführt worden sind, die in keinem kausalen Zusammenhang mit einer Postdienstleistung standen, hier zum Beweis ein Schein aus Altenstadt in Schwaben vom 2.3.1871 für einen einfachen, eingeschriebenen Brief nach Stuttgart. Der Absender hatte der Post 3 Kr. an Franko und 7 Kr. an Chargégebühr zu zahlen und fügte nach Erhalt des Scheines später "Schiffergeld der Polizei 3 Kr." hinzu.

    Nun erhöhte er entsprechend die Summe der verauslagten Beträge auf 13 Kr. und klebte den Schein in sein Manual. Hat man auch nicht jeden Tag ...

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  • Liebe Sammlerfreunde,

    zwei Postscheine möchte ich heute vorstellen: Einen ohne Aufgabeort (!) von 1842 und einen hübschen, auf dem die Rückseite vorne steht aus Hassfurt vom 15.10.1832.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • Hallo zusammen.

    Heute mal ein etwas neueres Exemplar aus Wolfstein in der Pfalz vom 29. Dezmber 1899. Der Weret des Briefes betrug 13 Mark und 18PF, lieg nach Kusel und die Gebühr betru 20PF.


    Wolfstein war seit 1.1.1840 Briefsammelstelle, ab dem 1.8.1845 Briefpostexpedition, und ab dem 1.11.1898, also auch zum Zeitpunkt des Postscheines, Postamt dritter Klasse. Vorstand war zu dieser Zeit Friedrich Tosse, der sein Amt von 1888 bis 1904 ausübte.

    Grüße Christian

  • Hallo zusammen!

    Einen Postschein "mit Zubehör" möchte ich euch hier vorstellen:

    Postschein für einen Brief aus Regensburg nach Oberdorf vom 13. April 1861. Jeweils 6 Kreuzer kosteten Franko, Chargé-Gebühr und Retour-Recepisse.

    Glücklicherweise scheint der Absender ein sehr gewissenhafter Mensch gewesen zu sein. Dieser hat den Schein zusammen mit der wieder eingetroffen Recepisse auf einer Abschrift des Briefes archiviert.

    viele Grüße,

    Nacktnasenwombat

  • Hallo Nacktnasenwombat,

    warum war die Retourrecepisse denn nicht eingeschrieben? Hast du noch mehr RR, die auch nicht eingeschrieben waren?

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

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  • Hallo bayern klassisch!

    Das kann ich dir leider nicht beantworten. Es ist meine einzige. War es Vorschrift dass sie eingeschrieben versendet wird?

    liebe Grüße,

    Nacktnasenwombat


    @Bayern-Nils: Dankeschön! Ich war auch begeistert als ich das Stück gesehen habe.

  • Hallo Nacktnasenwombat,

    ab den 1860er Jahren begegnen uns RR, die nicht eingeschrieben liefen - innerhalb Bayerns, aber auch in den Postverein. Ich habe so etwas auch. Nach der Vorschrift gab es das nicht, denn für einen RR konnte, wenn sie nicht zurück kam, z. B. auch ein Laufzettel abgesandt werden (Dienstlaufzettel, kostenlos für den Absender).

    Auch weist der Vordruck eine Stelle für die Rekonummer auf - wäre das nicht gefordert, dann gäbe es diesen Vordruck so nicht.

    In jedem Fall hast du etwas ganz besonders, auf das ich ja hinaus wollte. ;)

    Viel Material in dieser Richtung gibt es jedenfalls nicht.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo bayern klassisch!

    Herzlichen Dank für die Erklärung! Kannst du so einen Dienstlaufzettel zufällig zeigen? Ich nehme an dass sie nochmal deutlich seltener sein dürften als "normale" Laufzettel? Unterscheiden sie sich nur durch das fehlen einer Frankierung?

    liebe Grüße,

    Nacktnasenwombat

  • Hallo Nacktnasenwombat,

    ich zeige hier einen Laufzettel für einen Laufzettel aus Kupferzell über Bayern nach Zollkiev in Österreich vom März 1854. Er war ausgefertigt worden, weil eine Fahrpostsendung mit Wertdeklaration von Kupferzell nach Zollkiev nicht angekommen zu sein schien und der Absender einen Laufzettel abließ (kostenpflichtig).

    Als dieser 1. Laufzettel (LZ) wochenlang vermisst wurde, musste man einen zweiten LZ, nämlich diesen hier, kostenlos abspedieren, um zu eruieren: was mit der Wertsendung und dem 1. LZ passiert war.

    Am Ende war dann alles gut gewesen, aber bis heute ist es der einzige LZ für einen LZ von ganz AD, der bekannt wurde. Im Rundbrief Nr. 56 der ARGE Bayern klassisch (http://www.arge-bayern.net) ist er im Rahmen eines größeren Artikels von mir auf S. 3645 abgebildet und ausführlich beschrieben.

    Der liebe Achim Helbig hat einen LZ von Würzburg nach Frankreich, bei dem der Gegenstand der Versendung eine nicht von Frankreich zurück gekommene Retour - Recepisse war. Derzeit bemühe ich mich gerade, das Stück für meine Bayern - Frankreich - Sammlung zu bekommen (diese Sammlung werde ich zu gegebener Zeit hier auch komplett einstellen).

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

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