Insinuation / Zustellungsurkunde

  • Liebe Freunde,

    heute darf es gleich mal ein doppeltes Lottchen sein, was die Insinuation angeht.

    Ad primum: Brief mit 3 Kreuzern frankiert des Landgerichts Türkheim an den Kaufmann Josef Gerhauser in Kaufbeuren. Als Partei - Sache "I. M. Pöppel, Anton" frankiert, zeigt er siegelseitig den Vermerk: "ins(inuirt) am drei und zwanzigsten Dezbr. 1855 - Unterschrift".

    Der Inhalt datiert aber nicht auf den 23.12., sondern vom 19.12.1855, was mich doch etwas verwundert. Es ging um rückständige Hypothekenzinsen, die ein Herr Graf dem Herrn Gerhauser schuldete. Der Brief wurde aber wohl vor Postabgang vom Gerichtsboten angeschleppt, denn die Abstempelung erfolgte erst am 24.12.1855, womit auch dem letzten Sammler klar sein muss, dass an allen Sonn- und Feiertagen in Bayern die Post ihre Dienste verrichtete.

    Ad secundum: Brief des Stadt- und Landgerichts Erlangen vom 1.7.1870 an den Advocaten Rapp in Bamberg als Partei - Sache portopflichtig und mit 11 Kreuzer Post für den Advocaten ein Fernbrief über 1 - 15 Loth. Innen, wie schon bei dem Brief zuvor, eine 3 Kreuzer Fiskalforderung des Absendergerichts. Siegelseitig lesen wir: "Ins(inurit) der Post am 1. Juli 1870. Wunderlich".

    Der Empfänger hat oben rechts im Inhalt die Kosten aufgeschlüsselt: 11x Porto 6x Empfang. Der eigentliche Brief war am 29.6.1870 verfasst worden, die Insiunation kam 2 Tage später.

    Wir werden mal genauer darauf zu achten haben, wann Briefe geschrieben und wann sie insinuiert wurden. Dazu käme noch ein Datum für die Postaufgabe.

  • Liebe Freunde,

    groß war die Freude beim Anblick dieses Briefchens, welches am 1.5.1852 in Eichstätt vom dortigen Appellationsgericht an den kgl. Advocaten Thiem in Pleinfeld abging und das als portopflichtige Partei - Sache mit 6 Kreuzer Porto taxiert worden war. Unten lesen wir: "Ins(inuirt) der Post am ersten May 1852. Schwemmer."

    Offenbar ließ sich der gute Advocat Thiem seine Post für 1 Kreuzer je Stück ins Haus bringen, sonst wäre keine Rötel für den Botenlohn ersichtlich. Insinuationen mit Botenlohnvermerken sind m. E. sehr selten und zum Preis eines Bernatzschen Pizza-Dollars habe ich da wohl keinen Fehler begangen ...

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    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    in Eichstätt verewigte sich Schwemmer anscheinend gerne auf der Vorderseite.

    Bei der Sache mit dem Rötelstrich bin ich mir allerdings nicht ganz sicher, ob es sich dabei wirklich um eine Art Bestellkreuzer handelt. Pleinfeld war ja eine Expedition, der Brief ging auch nicht an einen Ort mit Briefablage.
    Es könnte natürlich ein privater Bote gewesen sein, aber könnte es nicht ebenso gut sein, dass die Portobriefe bei der Bearbeitung in der Expedition markiert/abgestrichen wurden, nachdem man sie in die Listen eingetragen hatte, in denen man das jeweils einzuhebende Porto vermerkte?
    Das scheint meiner Beobachtung nach eine durchaus weit verbreitete Praxis bei Portobriefen gewesen zu sein, auch zu jener Zeit, als es den Bestellkreuzer mancherorts noch offiziell gab (also bis 1845).

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Dietmar,

    gegen diese These des Abstreichens spricht, dass der Rötelstrich die Portotaxe gar nicht berührt und somit auch nicht abstreicht.

    Ich halte es für gut möglich, dass ein Advocat, der ja damals nicht eben ein Geringverdiener war, sich seine Post für 1x je Stück ins Haus bringen lassen wollte. Unter Umständen war die persönliche Entgegennahme der eingehenden Briefschaften und die Bezahlung eine Investition in die Zukunft, denn einer, der im Städchen herum kam, konnte einem jeden Tag etwas Neues erzählen, das vlt. auch mal in den Tätigkeitsbereich eines Advocaten einfließen konnte ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Freunde,

    heute ein 3 Kreuzer Brief von Ering vom 10.1.1866 nach Landshut an den berühmten Advokaten Dr. Götz. Das Landgericht Erding hatte ihn siegelseitig mit Insinuationsvermerk versehen.

    Interessant ist die rechte Schnittlinie der Marke - so noch selten gesehen ...

  • Lieber Hermann,

    ein seltenes Stück, auch wenn hierbei die Post außen vor gelassen wurde, weil die eigenen Amtsboten das geregelt hatten.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Freunde,

    der Brief wurde vom Amtsboten dem Advokaten Beck ausgehändigt, der als Insinuationsmandatar für seinen Kollegen fungierte.
    Das Appellationsgericht für Mittelfranken befand sich übrigens seit 1838 (bis 1871) in Eichstätt, nicht in Nürnberg – also kein Ortsbrief!
    Zu Ignaz Beck siehe hier. Wie der Brief allerdings den Weg zwischen den beiden Orten zurücklegte? Möglicherweise als Einschluss in einer anderen Postsendung.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo Zusammen,
    heute möchte ich hier gleich einen ganzen Schwung Briefe zeigen, die ich kürzlich zusammen erwerben konnte.
    Sie gingen alle vom Landgericht Parsberg an den Advokaten Erthal in Eichstätt und stammen aus den Jahren 1864 und 1865.

    Alle tragen rückseitig einen Insinuationsvermerk nach dem Muster: "Datum" Post übergeben Lutz (Gerichtsdiener) bzw. einem zeiten Namen den ich nicht entziffern kann.

    Daneben fand ich die verschiedenen Gewichtsstufen einfacher Chargé-Brief, zweite Gewichtsstufe "mit Beilagen" (diese dringend(st)) sowie eine dritte Gewichtsstufe mit Akte interessant.


    Außerdem trägt der Brief vom 16.6. entgegen der Vorschrift einen schwarzen und keinen roten Chargé-Stempel.
    Viele Grüße,Andreas

  • Hallo Andreas,

    sehr schön - 2 Dienst - Express - Briefe hat auch nicht jeder. ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    Wir werden mal genauer darauf zu achten haben, wann Briefe geschrieben und wann sie insinuiert wurden. Dazu käme noch ein Datum für die Postaufgabe.


    dazu anbei der Inhalt eines der oben gezeigten Briefe:
    Geschrieben am 6. Juni 1864, "Neunten Juni 1864 Post übergeben, Lutz", Poststempel: Parsberg 10/6, Dasswang 10/6, Neumarkt 11/6, Eichstätt 12/6;
    Innen findet sich ein Vermerk "ins. 9/12. Juni 1864", also die Daten der ursprünglichen Insinuierung und dem Eintreffen beim Empfänger sowie "6x Empfg"

    Außerdem ist unten noch ein Bleistiftvermerk "Brief dem Mandanten" zu finden.

    sehr schön - 2 Dienst - Express - Briefe hat auch nicht jeder. ;)


    Die sind aber manchmal auch unscheinbar... ;)

    Viele Grüße,
    Andreas

  • Liebe Freunde,

    Dienstbriefe mit Insinuation sind keine Kostbarkeiten, aber wenn sie nett daher kommen und die Verwendung von Trauerbriefpapier zeigen, macht man sicher nicht viel falsch, wenn man sich ihnen widmet, wie das mir unlängst erging, als ich einen aus dem schönen Simbach am Inn vom 17.4.1864 schnappen konnte, der neben dem schwarzen Trauersiegel auch den entsprechenden Inhalt aufwies.

    Nota bene: Zum Tode des bayerischen Königs Max II Josef am 10.3.1864 war eine vierteljährliche Staatstrauer anbefohlen worden und just in diese Zeitspanne fiel dieser Brief vom Landgericht Simbach an den kgl. Advokaten Petzold in Pfarrkirchen. Text:

    Hubersberger Joseph % (gegen) Neulinger Balthasar wegen Lohnrückstand

    Das Duplikat der Klage über Betr. vom 8./13. d(ieses) M(onats) wurde dem Balthasar Neulinger unter dem Auftrage mitgetehilt, die eingeklagten 8 Gulden 40 Kreuzer nebst Klagekosten ad (zu) 2 Gulden 56 Kreuzer binnen 14 Tagen bei Vermeidung der Auspfändung zu bezahlen, oder binnen gleicher Ausschlußfrist rechtserhebliche Erinnerungen vorzubringen. Simbach den 15. April 1864 der Königl. Landrichter v. Voithenberg ? mpp (manu propria = eigenhändig).

  • Hallo zusammen,

    der folgende Brief hat es mir mal wieder angetan; Zum einen wegen des Insinuationsvermerks, zum anderen wegen des von Regierungs- auf Partei-Sache geänderten Briefvordrucks.

    Und der Inhalt zeigt denke ich recht schön die Abläufe bei der Insinuation:

    Empfangs Bescheinigung

    in Sachen Maier gegen Vogl wegen ______ _______

    bescheinige ich hiedurch den richtigen Empfang einer Verfügung des königl. bayer. Bezirksgerichts Freising vom 16 ten Febr. 1863 No: 4063 durch meine Unterschrift.

    Aichach den 19 ten Febr.

    Dittelberger k Adv


    das Original der obigen Verfügung habe ich dem königl. Advokaten Herrn Dittelberger eigenhändig insinuiert und hat d selbe den Empfang durch Unterschrift vorstehender Maßen bescheinigt

    Aichach den 19ten Februar 1863

    Unterschrift

    Leibote

    Kann mir jemand bei dem Namen des Boten und er Rechtsstreitigkeit (wegen ____ _____) helfen?

    Herzlichen Dank!

    VIele Grüße,

    Andreas

  • Hallo Andreas,

    ich lese Gundelfinger als Beibote.

    Es ging um eine Vertr. Erfüll. (Vertrags - Erfüllung).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    bei meiner fortgesetzten Suche nach dem frühesten Insinuationsvermerk stieß ich bei der diesjährigen Deider-Herbstauktion auf diesen Brief aus Langenfeld. Er wurde am 8. Mai 1842 vom Gerichtsboten des Landgerichts Markt Bibart dem Kaufmann Wekert insinuiert. Dieser fungierte als Insinuationsmandatar für die freiherrlich Seckendorfsche Gutsherrschaft zu Obernzenn. Einen vergleichbaren Brief habe ich schon hier gezeigt. Der Unterschied zwischen November 1841 und Mai 1842 besteht im zusätzlich angebrachten Insinuationsvermerk mit ausgeschriebenem Datum.

    Diese Praxis geht auf eine Vorschrift des Staatsministeriums der Justiz vom 24. Dezember 1841 zurück. Sehr wahrscheinlich müssten die frühesten Nachweise aus dem Januar 1842 stammen, es lohnt sich also, die Augen offen zu halten.

  • Liebe Freunde,

    eine eierlegende Wollmilchsau kündigte sich an und hier ist sie, auch wenn sie total harmlos daher zu kommen scheint ...

    Vom k. Landgerichte Wassertrüdingen schrieb man eine A.S. = Armen - Sache An den k. Advocaten Herrn Frobenius in Ansbach - und zwar am 12.6.1864.

    Max II Joseph, der bayer. König, war am 10.3.1864 verstorben und eigentlich waren in Bayern alle amtliche Schreiben für die Dauer von 3 Monaten mit Trauerrand zu benutzen bzw. schwarz als Zeichen der Staatstrauer (die damals nicht angeordnet werden musste, weil die Leute ihren König liebten) zu siegeln.

    Hier trauerte man noch ein wenig länger - wer könnte es den Wassertrüdingern verdenken?

    Siegelseitig lese ich auch einen Insinuationsvermerk: "Ins. am zwölften Juny 1864 der K. Post auf der Eisenbahn, Unterschrift". Das hatte ich noch nie zuvor gelesen, dass man einen Dienstbrief bei der Eisenbahn insinuiren konnte/durfte/musste.

    In Ansbach kam er am selben Tag an und wurde ausgetragen. Verfasst wurde der Brief lt. Inhalt aber schon am 8.6.1864, was die Benutzung des Trauerrandbogens Papier wieder erklärlich macht ...

  • Lieber Ralph,

    der Brief wurde nicht der Eisenbahn, sondern der Post auf der Eisenbahn insinuiert, vulgo Bahnpost. Von Wassertrüdingen führte früher die Bahn nach Gunzenhausen (heute stillgelegt) und von dort weiter nach Ansbach. Da wollte es jemand ganz genau machen.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!