Farbige Stempel als Entwerter

  • Lieber Dietmar,

    danke fürs Anschneiden dieses Themas.

    So lange wir keine amtliche Verfügung finden, aus der genau dies hervor geht, so lange bleibt alles eine Hypothese.

    Die Bayernmarken damals waren grün, rot und blau. Welchen Vorteil es haben sollte, blaue (oder im Umkreis von blau liegende) Stempelfarbe zu benutzen, war und ist mir immer noch schleierhaft. Die damaligen Bemühungen waren doch eher die, mehr Informationen in die Stempel zu packen, als dies die antiquierten Stempelgeräte konnten.

    Was nützen einem detailierte Angaben, wenn man sie in der Option "blau auf blau" nicht lesen kann?

    M. W. wurden alle Originalakten der Pfalz in Speyer schon vor langer Zeit auch dahingehend untersucht, ohne dass man 1871-1873 irgend etwas gefunden hätte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    unsere Erfahrungen mit der bayerischen Postgeschichte zeigen doch immer wieder, dass
    1. nicht alles dort verfügt wurde, wo wir es erwarten würden (im Verordnungs- und Amtsblatt z.B.),
    2. nicht immer so vorgegangen wurde, wie es gesunder Menschenverstand gebieten würde.

    Auf dem Weg zum dokumentarischen Stempel ging man in Bayern so viele Irrwege, dass man am Verstand der zuständigen Beamten getrost zweifeln kann.

    In den OPA-Akten (wie in Speyer) wird man nicht suchen müssen, Beschlüsse dieser Art wurden mit Sicherheit auf Ebene der Generaldirektion gefasst.

    Zu Johann Brunner habe ich nahezu unbedingtes Vertrauen, ähnlich wie zu Erich Stenger, auch wenn sie ihre Quellen nicht im Einzelnen, sondern nur summarisch nachgewiesen haben.
    Jedenfalls mehr als zu vielen Sammlern, die sagen: Das habe ich schon mal irgendwo so gelesen, wenn man sie auf konkrete Sachverhalte anspricht.
    Soll’s auch geben ...

    Aber ich stimme dir zu, irgendwo steckt der Beweis in den Akten!

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Dietmar,

    ich gebe dir in (fast) allem Recht - aber ich kenne pfälzische Expeditionen, die in dieser Zeit eröffnet wurden und die immediat blau stempelten, ohne je eine Telegraphenstation gehabt zu haben. Für die Verteilung der Grundausstattung einer PE war aber immer das vorgesetzte OPA verantwortlich - in der Pfalz war das Speyer.

    Die Frage war aber: Wie kam Speyer an blaue Stempelfarbe ab dem X.Y.1871 für seine PE? Da muss es eine Anforderung und eine Ablieferung Richtung München gegeben haben. Hätte man also, wie üblich, schwarze Stempelfarbe angefordert, jedoch blaue bekommen, wäre sicher - da es in den VO- und Anzeigeblättern keine Hinweise gab - eine Nachfrage gekommen, ob nicht eine Fehllieferung vorläge.

    Diesen Schriftverkehr als gegeben voraussetzend, hätte der Postler, Sammler und Postgeschichtler M. Englram sicherlich alles getan, sie zu publizieren. Das hat er aber nicht getan - weil nichts vorhanden war. Wie du, sicher zurecht, Brunner et altera glaubst, glaube ich an Englram, der äußerst akribisch arbeitete und ein Grundlagenwerk schuf.

    Wenn wir etwas finden, sind wir alle schlauer - vlt. sogar so schlau wie unsere Altvorderen, die nur zu zitieren zu faul waren.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    dann führen wir uns doch noch einmal die VO 6758 vom 31. Mai 1872 zu Gemüte. Der entscheidende Satz lautet:

    Nachdem nun … die zum Stempeln der Briefe etc. etc. bestimmte blaue Farbe noch andere zur Entwerthung der Briefmarken dienende Bestandtheile enthält, welche die Apparatenfarbe nicht besitzt ...

    Welchen anderen Schluss kann man aus dieser Formulierung ziehen, als dass die zu diesem Zeitpunkt von der Zentrale gelieferte Stempelfarbe für den Briefdienst regulär blau war?

    Noch einmal:
    Verboten wurde die Verwendung der kostenlos an Expeditionen mit Telegraphendienst für die Farbschreiber abgegebenen blauen Farbe zur Stempelung der Briefmarken. Das betraf also nur eine gewisse Gruppe von Expeditionen.
    Verlangt wurde auch von diesen Expeditoren die Verwendung der kostenpflichtig für die Stempelung von Briefmarken zu beziehenden Stempelfarbe.
    Nicht verboten wurde die Farbe blau als Stempelfarbe an sich - solange sie von der Zentrale geliefert wurde.

    Das Buch von Englram ist ein hervorragendes Werk (von keinem OPA gibt es etwas Vergleichbares). Sein Wert liegt in der ausgefeilten Systematik; es ist kein Quellenwerk, das auf (aus der Sicht des Postbeamten) jede Kleinigkeit des Dienstbetriebs eingeht, wie etwa Gumppenbergs Bayrisches Postarchiv (und selbst dieses ist aus unserer heutigen Sicht lückenhaft).
    Wir können uns natürlich jeglichen Schriftverkehr als gegeben vorausgesetzt vorstellen, aber da kommen wir schon in den Bereich des gehobenen Wunschdenkens.

    Liebe Grüße,
    Dietmar

  • Lieber Dietmar,

    ja, wenn man diese VO liest, hast du Recht.

    Aber worin bestehen nun die Unterschiede der blauen Stempelfarbe zur blauen Telegraphenfarbe? Es muss ja an dem Farbton hängen, weil chemische Untersuchungen nicht bei einer Postexpedition durchgeführt werden konnten. Man findet violett, Mischfarben zu blau/schwarz, leuchtendes Blau, graublau und und und.

    Vlt. wäre eine Analyse heute nicht uninteressant, um diesem Phänomen auf die Spur zu kommen?

    In jedem Fall eine interessante Sache, die es weiter zu verfolgen gilt. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    Die Farbschattierungen der regulären blauen Stempelfarbe spielen in diesem Zusammenhang praktisch keine Rolle. Die können vom Stempelballen herrühren, von chemischen Zersetzungsprozessen, von Lichteinflüssen, von Fertigungsschwankungen, von kleineren Contraventionen der Expeditoren, die ihre Farbe mit Tinte/Wasser/Öl streckten, damit sie länger hielt etc. Dass man sich bei der Post hier ein blaues Ei gelegt hatte, weil die blaue Farbe eben keine Verbesserung brachte, zeigt die allmähliche Rückkehr zur schwarzen Stempelfarbe 1873.

    Allerdings liegt für den Nachweis einer lupenreinen Contravention 1871–1873 im Sinne der zitierten Verordnung die Latte fast unerreichbar hoch. Man müsste einen Beleg aus einem zeitgenössischen Farbschreiber von einem Ort finden, in dem für die benachbarte Briefpostexpedition Farbe abgezweigt wurde, und aus dieser dann einen Beleg aus dem gleichen, möglichst identischen Zeitraum. Dann kann man im direkten Vergleich zeigen, dass hier Schmu gemacht wurde. Denkbar, aber schwierig.

    Nach 1873 begannen sich die Blaustempler dann wieder außerhalb der Vorschriften zu bewegen, wenn sie andere als die amtlich gelieferte Farbe verwenden. Oder sie hatten noch Vorräte.

    Viele Grüße aus Erding!

    P.S. vom 24.2.2017: Einen Farbschreiber für Morsegeräte kann man sich übrigens hier ansehen. Die Beschaffenheit der Farbe müsste also eher flüssig, tintenartig, gewesen sein, im Vergleich zur "echten" Stempelfarbe.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

    Einmal editiert, zuletzt von Erdinger (24. Februar 2017 um 13:38)


  • Liebe Sammlerfreunde,

    aus der Mühlradzeit ein wässrigblauer Abschlag des MR "535" von Haimhausen auf 3 Kreuzer rot.

    Von Haimhausen sind violette und blaue Abschläge im Sem gelistet. Schwarzblaue Stempelfarben kommen ebenfalls vor,

    sind aber nach meiner Ansicht nur dann als farbige Stempel zu werten, wenn der blaue Anteil weit überwiegt.

    Gruss kilke

  • Nachdem nun … die zum Stempeln der Briefe etc. etc. bestimmte blaue Farbe noch andere zur Entwerthung der Briefmarken dienende Bestandtheile enthält, welche die Apparatenfarbe nicht besitzt ...

    Welchen anderen Schluss kann man aus dieser Formulierung ziehen, als dass die zu diesem Zeitpunkt von der Zentrale gelieferte Stempelfarbe für den Briefdienst regulär blau war?

    :!: Da hat Erdinger einen Knaller gezündet und kaum jemand hat's gehört ?(

    Das stellt doch die bisherige Annahme blaue Stempel in der Zeit 1871 - 1873 wären was besonderes völlig auf den Kopf. Jetzt also schwarze Stempel Top ?(

    Leider ist das Belegmaterial sehr dünn, aber für Würzburg ist die Verwendung der schwarzen und blauen Farbe in 1871 -1873 belegbar. Welche Farbe hättens gern lieber Postkunde? Durfte man auswählen ?(
    Spaß beiseite, die von Erdinger durchdachte und erkannte Lösung klingt plausibel. Es kann eine "Testphase" gewesen sein und nach Abschluss wurde wieder schwarze Farbe geliefert. So könnte dies die als "Blaue bayerische Poststempelphase" in die bayerische Postgeschichte eingehen. Toll :thumbup:

    Helau von Luitpold

    Und hier ein Beispiel aus Würzburg - 1872 blau / 1872 schwarz / 1873 blau - hier wechselte das Postamt am Bahnhof den Stempel, wieder mit Zusatz Bahnh.

  • P.S. vom 24.2.2017: Einen Farbschreiber für Morsegeräte kann man sich übrigens hier ansehen. Die Beschaffenheit der Farbe müsste also eher flüssig, tintenartig, gewesen sein, im Vergleich zur "echten" Stempelfarbe.

    Lieber Erdinger,

    wenn Du mal bitte auf den Briefausschnitt gucken möchtest, das sieht doch ganz nach "Tinte, flüssige Farbe" aus. Zum Vergleich ein normaler Abschlag. Selbstverständlich kann das auch eine normale blaue Farbe mit viel Öl-Wasser angerührt gewesen sein. Aber mich erinnert das an voll rein gehauen und platsch :D :D :D Kann sich noch jemand daran erinnern, wie das Schreiben in der Schule mit Tinte war? Klecks, Klecks :cursing:
    Und noch eins: Stempelabschläge in dieser Zeit, also nach 1871/72 - ca. 1879 sind oftmals undeutlich, unsauber. Oder täuscht mein Belegbestand?

    Viele Grüße von Luitpold

  • Lieber Luitpold,

    ja, auf dem linken Ausschnitt sieht es schon sehr nach wässriger Tintenlösung aus, aber genau wissen wir es trotzdem nicht. (Es sei denn, im Brief steckt zufällig noch ein zeitgenössischer Farbschreiberstreifen.)

    Die VO von 1872 ist unter anderem im Stempelhandbuch von Peter Sem abgedruckt. Wie oft habe ich sie wohl gelesen, ohne sie wirklich zu verstehen. Vielleicht war es vielen Sammlern schon längst klar, mein Groschen fiel erst, als ich den Aufsatz von Johann Brunner zum wiederholten Mal gelesen habe.

    Manchmal sind wir so sehr der Jagd nach dem Besonderen verfallen, dass wir das Gewöhnliche nicht mehr wahrzunehmen bereit sind.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo zusammen,

    nach Überprüfung der Bestände meldet die w.o. angesprochene Pfalz ebenfalls Vollzug, der dazu gehörige Beleg, der noch im thread dt-franz. Krieg gezeigt wird, wurde am 15.05.1872 als Drucksache verfasst und am 10.06.1872 versendet.

    + Gruß !

    vom Pälzer

  • Liebe Forumleser und Fachmänner!
    Da hier wieder ein interessantes Thema erörtert wird ,auch von mir einige Entwertungen zu diesem Thema. Hier im Forum wurde hauptsächlich Nürnberg als Blaustempler gezeigt. Ich möchte einige andere Postagenturen mit ihren Farbstempel zeigen. Ich habe am anfang meiner Sammeltätigkeit von Bayern in Sem Bayern Band darüber gelesen, aber diesem Problem keine große Beachtung geschenkt. Hier ist nun wieder das Forum hier das dieser Entwicklung Beachtung schenkte. Dafür bin ich, und ich glaube auch die meisten Bayern Sammler hier dankbar. wieder einspezielle Hilfe selber weiter zu versuchen hier ein wenig Licht zu finden.
    Zu meinen gezeigten Stüchen will ich keinen Komentar abgeben, da ich mich auch erst seit diesem Forum mit der Materie befassen werde.
    Auf einen Beitrag aus der Sammlerseite freuend grüßt Planke.

  • Hallo,
    als Laie der bayrischen Philatelie eine Frage.
    Heute vormittag sah ich bei einem Händler einen leider dreistellig ausgepreisten Beleg. Der war mir wegen der optischen Schönheit schon mal aufgefallen.
    Brief nach Paris vom 12.3.1872 mit 2 Stück 6 Kreuzermarken frankiert mit blauen Abschlägen: Königl. Bayrische Bahnpost Bayreuth
    Wie ich die Beiträge im Thema verstehe, war blau die normale Stempelfarbe Anfang 1872?
    Beste Grüße Bernd

  • Hallo Bernd,

    Zitat

    Wie ich die Beiträge im Thema verstehe, war blau die normale Stempelfarbe Anfang 1872?


    Ja, so sehe ich das jetzt. Es gibt in dieser Zeit auch schwarze Stempelfarbe (und Mischfarben), je nachdem, wie lange der Aufbrauch von Altbeständen dauerte. Der Beginn blauer Stempelungen dürfte bei jedem Postort, abhängig von seiner Größe, anders liegen.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo Freunde,

    1982 gab es bei Corinphila einen Traumbrief mit dem roten Chargé-Einkreiser von München. Damals konnte ich diesen nicht kaufen, aber seit etwa 30 Jahren warte ich jetzt auf diesen bzw. einen Brief mit ähnlicher Qualität mit diesem Stempel. Aber bisher vergeblich! Nun habe ich mich entschlossen, zunächst einmal wenigstens eine ansprechende lose Ziffernmarke in die Sammlung aufzunehmen. Auch das ist nicht einfach, weil dieser Stempel noch am ehesten auf der roten Nr. 13 und der blauen Nr. 10 zu finden ist, auf denen er wenig Kontrast zeigt. Die gelbe Nr. 8 ist da schon besser geeignet. Ob mir noch jemals ein entsprechender Brief ist Netz geht, wage ich fast zu bezweifeln.

    Viele Grüße von maunzerle :thumbup:

    Bilder

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • ... wobei eingeschriebene Ortsbriefe oder Drucksachen ja eh Seltenheiten sind - phantastische Wirkung, perfekte Qualität. So kann man sich auch trösten ... :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    Na ja, die Marke als solche ist kein Glanzstück, denn stellenweise dünn, aber im Album sieht man das nicht.

    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber Peter,

    es zählt allein die Optik - die ist weltklasse und so viel ebenmäßig, allseits breitrandige Nr. 8 gibt es m. E. nicht, obwohl die Marke per se ja sehr häufig ist.

    Wenn sie hell ist, hat das Auswirkungen auf den Kaufpreis, nicht auf die Präsentation im Rahmen - und nur das zählt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Peter,

    auch von mir für dieses wie auch für die anderen heute im Forum von Dir gezeigten Stücke, meinen Glückwunsch zu diesen Knallern :thumbup::thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"