Hallo zusammen !
Wie schön, dass ich hier die Möglichkeit habe, für die einzelnen Etappen „Graf Zeppelins“ bei seiner ersten Südamerikafahrt jeweils eigene Threads zu beginnen – so muss ich nicht die chronologische Reihenfolge der Landungen und Postabwürfe einhalten. Eine Sonderstellung nimmt die geplante Etappe nach Havanna ein, die in Wirklichkeit gar nicht stattfand. Denn ganz so glatt und reibungslos, wie die zeitgenössischen Chronisten die Fahrt beschreiben, ging sie wohl nicht vonstatten.
Nicht nur der Besuch in Brasiliens Hauptstadt Rio de Janeiro fiel bei weitem nicht so triumphal aus wie erhofft - man musste witterungsbedingt schon nach einstündigem Aufenthalt fast fluchtartig aufbrechen und brüskierte damit die zu spät zum Landeplatz herangeeilte brasilianische Nomenklatura.
Das planmäßig nächste Reiseziel war Havanna, die Hauptstadt Kubas. Je nach Wetterlage war dort ein Postaustausch oder wenn irgend möglich eine Landung mit einem kurzen Aufenthalt geplant. Aber auch diesmal musste kurzfristig umgeplant werden: ein umfangreiches Tiefdruckgebiet über der Karibik zwang zusammen mit gefährlich knappen Treibstoffvorräten zum Verzicht auf diesen Umweg. Vor allem der von Sevilla aus mitgereiste spanische Infant Don Alfonso von Orléans, der die Landung in Havanna für einen PR-Besuch nutzen wollte, war sicher „not amused“. Aber auch einige andere Passagiere zeigten dem Kommandanten Eckener recht deutlich ihren Unwillen. Damals aufkommende Gerüchte, dass man die aufgebrachten Passagiere mit Waffengewalt in Schach halten musste, wurden immer dementiert, aber dass ein Passagier die Reise bei der nächsten Landung vorzeitig abbrach, ein anderer einen Teil des Reispreises zurückverlangte, ist unstrittig.
Es war also durchaus nicht alles so eitel Sonnenschein bei dieser Reise, wie es in den zeitgenössischen Berichten der Herren Eckener, Lehmann und Breithaupt im Nachhinein kolportiert wurde.
Zurück zur Philatelie: die für den Postaustausch in Havanna bestimmte Post wurde zwangsläufig bis zur nächsten Landung nach Lakehurst (N.J.) weiterbefördert. Von dort aus wurde sie per Flugzeug nach Kuba „zurück“ geschickt, nachdem sie in Lakehurst den amerikanischen Sonderbestätigungsstempel (Rhombenstempel Type I) als Transitstempel erhalten hatte. Übereinstimmend vergeben alle Spezialkataloge für die nach Kuba geleitete Post eigene Nummern, obwohl sie bezüglich der Luftschiff-Beförderung mit der übrigen nach Lakehurst geleiteten eigentlich identisch ist. Ein mir bekannter Fachmann erklärt mir, dass eine solche Unterscheidung immer dann gerechtfertigt sei, wenn nicht nur ein Teil der Poststücke sondern die gesamte Post fehlgeleitet worden sei.
Mit einer solchen Fehlleitung möchte ich hier beginnen: der Brief sollte eigentlich schon über Santa Cruz in Teneriffa abgeworfen werden. Mit allen übrigen für diesen Abwurf vorgesehenen Poststücken hätte er eigentlich in Praia landen sollen. Aber ganz ähnlich wie bei dem zuletzt beim „Postabwurf über den Kapverden“ gezeigten Brief war auch diese Karte falsch einsortiert. Der Ankunftstempel aus Havanna vom 2.6.1930 beweist es. Diesmal war es also umgekehrt: sie blieb versehentlich bis Lakehurst an Bord des Luftschiffs und wurde dort ohne weitere Prüfung nach Havanna weiterbefördert –bestimmt war sie schon in Friedrichshafen in den "Havanna-Sack" einsortiert worden.
Ziemlich mysteriös wird die Sache allerdings, wenn man die Karte umdreht! Da findet man blitzsauber abgeschlagen den richtigen Ankunftstempel von Praia auf den Kapverdischen Inseln vom 21. Mai, dem Tag des Abwurfs vom „Graf Zeppelin“. Als hätte man die Karte an einer Schnur befestigt und sie nach dem Stempeln wieder an Bord genommen ?!
Zum ersten Mal sah ich diesen Beleg in einem Corinphila-Katalog. Mit der Losbeschreibung machte man es sich dort einfach:
„1930 South America Flight Mai 18 – June 6: card adressed to Chicago/USA, dropped at Praia/Cabo Verde, accidentially carried to Habana/Cuba (c.d.s. “Jun 2 1930”) showing board cancellation “19.5.1930” (Sieger 57B/FF)”
Gleichgültig, ob “accidentally” mit “versehentlich” oder “zufällig” zu übersetzen ist – es ist kaum vorstellbar, dass ein Postdampfer von Praia aus die Karte so synchron nach New York (und dann nach Lakehurst) brachte, um sie dort wieder mit der Zeppelinpost zusammen zu führen – und dass sie von dort trotz Chicago-Adresse nach Havanna geschickt wurde. Ein weiteres Indiz, dass dies nicht möglich war, kann ich anhand des „umgekehrten“ Briefs zeigen, der im Santa-Cruz-Postsack gelandet war.
Die einzig plausible Erklärung: der Händler Leo Wasmer (dem wir viele Belege dieser Fahrt verdanken) vermisste nach dem Erhalt seiner Karte den "richtigen" Ankunftstempel, was ihn dazu veranlasste, die fehlgeleitete(n) Karte(n und Briefe ?) unter Umschlag an das Postamt von Praia zu schicken, wo man ihm den Gefallen tat - sicher auch durch ein kleines Geschenk motiviert -, die Poststücke um den rückdatierten Originalstempel zu ergänzen. Dass solche Aktionen damals nicht unüblich waren, dafür gibt es auch von anderen Fahrten eindeutige Belege.
Natürlich wären die beiden Belege – die hier gezeigte Karte und der über Praia abgeworfene Brief – ein sehr schönes Paar auf einer gemeinsamen Albumseite. Aber wie macht man das, wenn die Gliederung eine Aufteilung nach Etappen bzw. Destinationen verlangt? Jetzt wisst ihr Bescheid, warum nach den Kapverden gleich Havanna an der Reihe ist (wenigsten hier ...)
Viele Grüße von balf_de
PS: vermutlich habe ich demnächst mehr Zeit zur Fortsetzung meiner Beiträge hier, nachdem man in einem anderen Forum, in dem ich bisher aktiv mitgemacht habe, leider ziemlich unfreundlich Anstoß an einigen meiner Beiträge genommen hat ...