• Liebe Freunde,

    manchmal träumt man von Briefen, die es vlt. vor 150 oder 160 Jahren hie und da gegeben haben mag. Wird man ein wenig realistischer, stellt man fest, dass es diese Briefe damals kaum und heute wohl gar nicht mehr gibt oder geben dürfte.

    Dann aber findet man in einer äußerst großen Schweiz - Sammlung mit 5stelligem Briefematerial ein Stück, das einen umhaut, auch, oder gerade nach über 30 Jahren intensivster Forschung in der internationalen Postgeschichte.

    Heute zeige ich einen Brief aus Schaffhausen vom 13.4.1856 nach Würzburg. "Frankiert" wurde er mit einer 40 Rappen Marke. Wirklich? Nein! Zwar waren 40 Rappen für einen einfachen Brief bis 15g das korrekte Franko vom 1. Rayon der Schweiz in den 3. Rayon Bayerns, aber hier hat der Absender, oder die Post, getrickst.

    Geschickt hat man aus 2 unterschiedlichen Marken die jeweils nicht gestempelte Hälfte sauber abgetrennt und auf dem Brief kunstvoll zusammen gefügt. Es handelt sich also nicht, wie es hin und wieder vorgekommen sein mag, um eine versehentlich verschnittene Marke, deren Teile wieder auf dem Brief zueinander fanden, sondern um einen veritablem Postbetrug zu 40 Rappen - immerhin dem Gegenwert von 3 Mittagessen in dieser Zeit (und da reden wir nicht von einem belegten Brötchen).

    Die Aufgabepost entwertete mit der schönen Schweizer - Raute, stempelte Aufgabe und übergab den Brief Richtung Basel, wo in roter Tinte das Weiterfranko für BADEN mit 9x notiert wurde, denn Baden wurde jetzt zur Aufgabepost im Postverein und hatte daher Anspruch auf das deutsche Weiterfranko. Weil der Zielort Würzburg in Unterfranken lag, spedierte man den Brief über Efrigen, Karlsruhe und Heidelberg - Frankfurt nach dorthin, wo er am 15.4. ankam.

    In den Statuten der Post und den Ausführungsbestimmungen ist von (erfolgreichen) Postbetrügereien bei der eingehenden Post nicht die Rede - selbst wenn man bei der Hauptbriefpostexpedition Würzburg bemerkt haben sollte, dass ein solcher vorlag, hätte man keine rechtliche Grundlage in der Hand gehabt, gegen irgend jemanden vorzugehen.

    Da man bei diesem Brief eh nichts verdiente, sah man auch keinen pekuniären Anlass, eine Sau durchs Dorf zu treiben und stellte ihn anstandslos zu.

    Ich fürchte, auf einen zweiten Brief dieser Art weitere 30 Jahre warten zu müssen ... :thumbup:

  • Hallo bk,

    Geschickt hat man aus 2 unterschiedlichen Marken die jeweils nicht gestempelte Hälfte sauber abgetrennt und auf dem Brief kunstvoll zusammen gefügt.

    ...naaaa ja ... ^^ ...das ist mit den versetzt aneinander gefügten Markenbildhälften ist ja schon eher plump gemacht und der schweizer Postler muss beim Abstempeln heftig Tomaten auf den Augen oder es zu eilig gehabt haben, was die Geschichte ja nur noch spannender macht, als sie es eigentlich schon ist. Aber was ich nicht verstehe ist, dass die CH nichts an dem Brief verdient haben soll. Blieben denn da nicht 10 Rappen in der CH ?

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    die CH hat 10 Rappen = 3x für sich behalten und den Rest an Baden abgeführt.

    Die Lichtverhältnisse heute kann man nicht mit denen vergleichen, die Architekten um 1750 oder 1800 herum für Diensträume angedacht haben. Eine Kerze für 2 Bearbeiter in einem Meter Abstand, wegen zugiger Türen und Fenster nicht homogen leuchtend - da konnte man schon mal solch ein "Kunstwerk" übersehen. Oder es war ein schlauer Postler selbst, der zuerst von seinem Kunden 40 Rappen kassiert und dann die Schere hat walten lassen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    Glückwunsch zu dem spannenden Beleg!

    Zitat

    die CH hat 10 Rappen = 3x für sich behalten und den Rest an Baden abgeführt.

    So meinte die schweizer Post ...
    Da die beiden Markenfragmente aber von schon entwerteten Marken stammen, hat die schweizer Post umsonst gearbeitet - 10 Rappen konnte sie sich eben nicht gutschreiben, da keine neue Marke von 40 Rappen gekauft worden war - und musste 30 Rappen an Baden überweisen.
    Also ein klares Minusgeschäft, oder?

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    richtig - ich wollte im Konditional schreiben (also hätte die CH 10 Rappen bei korrekter Markenverwendung behalten dürfen).

    Immer schön, aufmerksame Leser zu haben. :P:)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber BK,

    eben erst gesehen, Dein Traumstück!!!!!!! :P:P

    Du kannst jetzt die Luxusfrage beantworten ob der tolle Brief in Deine Contra oder in Deine CH Sammlung wandert 8o:thumbup::thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Lieber Bayern Social,

    da ich den Übeltäter nicht in Bayern glaube, wird der gute Brief in die kleine Slg. wandern (er ist sogar schon drin, siehe hier die neuesten 2 Seiten im Forum dazu).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,

    nachdem auf diesem Brief aus Bern vom 30.9.1816 der Auslagestempel von Zürich fehlt, gehe ich davon aus, dass der Brief über Basel spediert wurde.
    Nachdem ich keine Taxierung von Bern (Fischerpost) erkennen kann, dürfte er bis zu Grenze des Kantons Basel bezahlt worden sein. Basel belastete für seinen Transit 2 Kr. und packte den Brief in den direkten Paketschluss nach Augsburg. Dort wurden 10 Kr. in Auslage genommen (8 + 2). Das bayerische Porto lag ebenfalls bei 10 Kr. = 20 Kr.
    Da insgesamt 24 Kr. in München kassiert wurden, dürfte für die Postlagergebühr 4 Kr. angefallen sein.

    Grüsse von liball

  • Hallo liball,

    den Laufweg kannte ich so noch nicht - eigentlich ja immer über Zürich und einen passenden Postvertrag gab es ja auch.

    Aber deine Beschreibung passt sehr gut, von daher sehe ich keine Alternative.

    Auch mit der Restante - Gebühr hast du Recht; dort wurde immer das Porto in München notiert und später die Restantegebühr von 4x noch dazu geschlagen.

    Ein toller Brief, den jeder gerne in der Sammlung hätte. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Sammlerfreunde,

    warum sich der nachstehende Beleg auf seiner rechten Seite offensichtlich hastig und grob eröffnet zeigt, kann man sich angesichts des Trauerrandes leicht denken. Der eine wird dies als Qualitätsmangel sehen, der andere nur als menschlich.

    + Gruß

    vom Pälzer

  • Liebe Freunde,

    heute möchte ich einen Brief vorstellen, von dem ich viele Jahre lang geträumt hatte, weil ich eine solche Gattung für möglich hielt, auch wenn noch keiner aus der CH oder Bayern ihn gesehen hatte. Aber ab und zu kommen Stücke auf dem Markt, die unglaublich sind, wie dieses hier.

    Am 1.8.1852 sandte man einen Frankobrief aus Olten nach München. Der Absender notierte "frei", wollte also das Franko für die CH und Bayern entrichten. Die Aufgabepost stempelte den Brief (mehr schlecht, als recht), ehe ihr auffiel, dass hier frankiert werden sollte. Also pappte man eine 5 Rappen und eine 15 Rappen - Marke auf, nur bei der bayerischen Gebühr war man sich nicht sicher. Sollte man auch die bayer. Gebühr in Marken kleben? Oder alles bar bezahlen? Oder nur den bayer. Anteil bar bezahlen? Letztlich entschied man sich für die Kassierung von 30 Rappen, die Bayern als 8 Kr. von Lindau bis München bekam, denn der "neue" Vertrag vom 1.10.1852 galt noch nicht. Nach dem alten von 1829, damals mit dem Kanton Zürich geschlossen, kosteten Briefe bis 1/2 Loth nach Augsburg und München nur 8 Kr. Sondertaxe, um den Verkehr mit diesen Korrespondentengruppen zu verbilligen.

    Mit diesem Brief kann ich nun den 1829er Vertrag in die Markenzeit tragen, was ich nie geglaubt hätte, einmal zeigen zu können.

    Am 3.8.1852 bekam ihn die Bahnpost Augsburg in die Hände (die ihren Stempel auf den in Olten bar kassierten 8 Kr. für Bayern abschlug) und am selben Tag noch konnte er in München zugestellt werden.

    Der Ausführlichkeit dieser Beschreibung in postgeschichtlicher Hinsicht steht ein Attest des Schweizer Prüfers gegenüber, das ich auch abbilden möchte. Ich freue mich sehr, dass ich hier die postgeschichtlichen Aspekte schildern konnte, denn in Attesten sucht man diese regelmässig vergeblich.

  • Lieber BK,
    bei dir ist Postgeschichte groß geschrieben, ich freue mich für dich!
    LG F :)

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Hallo bk,

    sich noch von dem grellen Blitz dieser A-Bombe erholen müssend meine Gratulation zu diesem PO-impact. Wir haben es hier also einmal anders herum mit einem schweizer Teilfranco-Beleg zu tun, in dem 20 Rappen bis zur schweizer Grenze und weitere 30 Rappen für die innerbayerische Beförderung vom Absender zu entrichten waren.

    Nur der Vollständigkeit halber: Dieses propellerartige Rötel auf der Rückseite links verkörpert den nicht in Marken geklebten Francoanteil für die ausländisch-innerbayerische Beförderung, der dann über Briefkarte an der Grenze zur Verrechnung gebracht wurde ? Vorne hätte man ja nichts dergleichen anbringen können/dürfen, da das dann ja von Bayern als Portoforderung zu verstehen gewesen wäre.

    Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    so ist es - Teilfranko kenne ich aus der Zeit nicht, entweder nichts bezahlt, oder alles bezahlt wir hier. Es spielte halt nur eine Rolle, ob man Marken verwendete, oder nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bayern klassisch,

    nochmals Glückwunsch zu dieser geteilten Frankoabgeltung nach dem alten Vertrag. Von sowas träume ich auch, schön das dein Traum in Erfüllung gegangen ist. :P :thumbup:

    Viele Grüsse
    Christian

  • Guten Abend,

    nachdem ich wieder aus Wiesbaden zurückgekehrt bin, möchte ich euch einen recht neuen Beleg vorstellen, dieses Mal auch mit Rückseite Ralph :)!

    Aufgegeben wurde der Brief am 24.07.1868 in Heiden und wurde adressiert an die Firma Wilhelm Fuchs in Nürnberg.
    Von Heiden aus ist der Brief erst nach Rheineck und dann nach Rorschach weitergeleitet worden (oder umgekehrt), beide Orte liegen in der Schweiz.
    Von dort aus ist der Brief dann nach Nürnberg Bahnhof geschickt worden (per Bahnpost?).
    Frankiert wurde der Brief mit Zumstein 34b, 40 Rappen, von denen die Schweiz 9 Kreuzer an Bayern vergüten musste.

    Was bedeutet die 10 im Kreis auf der Siegelseite?

    LG

    Kevin

  • Hallo Kevin,

    @laufweges Bauch täuscht sich selten - so ist es. War ein "personalisierter" Stempel. Starb der Briefträger, bekam er den als Grabbeigabe mit.

    Dein Brief lief im geschlossenen Transit durch Württemberg per Bahnpost nach Nürnberg. Fast alle Post aus der CH bzw. in die CH zu dieser Zeit lief nur noch per Bahnpost. Das kannst du auch an den Beförderungszeiten nachvollziehen.

    Die CH hat die Rötel 9 für Bayern geschrieben und Bayern sie später abgestrichen, um zu vermeiden, dass der Stadtbriefträger mit der Nr. 10 irrtümlich 9 Kr. vom Empfänger forderte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.