Eingeschriebene Briefe

  • Verehrte Sammlerfreunde,

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    was soll man zu einem solchen Beleg ohne Inhalt an einen der bekanntesten Politiker des Kaiserreichs und der Weimarer Republik sagen ? Matthias Erzberger (1875 - 1921) hatte als Bevollmächtiger der Reichsregierung zum 11. November 1918 das Waffenstillstandsabkommen von Compiégne unterzeichnet und befürwortete den Versailler Vertragsentwurf als alternativlos gegenüber der drohenden gewaltsamen Besetzung des gesamte Reiches durch alliierte Truppen. Der spätere Bundespräsident Theodor Heuss beurteilte dieses mutige, aber bedenkenlose Verantwortungsbewußtsein des Zentrumspolitikers als sachlich und menschlich fehlerhaft, denn es war Aufgabe der Obersten Heeresleitung (Hindenburg / Ludendorff), die für den Ablauf des Krieges verantwortlich war, auch dessen Ende zu besiegeln.

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    Erzberger wurde dies bekanntlich zum Verhängnis, immer häufiger wurde er durch rechte Kräfte als Erfüllungspolitiker und durch die vom OHL in die Welt gesetzte Dolchstoßlegende diskreditiert, welche versuchte, die militärische Verantwortung der Kriegsniederlage auf den zivilen Bereich und dessen Politik(er) abzuschieben. Diese Vorgehensweise fand im rechten Lager immer radikalere Mitstreiter. Einer davon, der aus Neustadt a.d.Haardt stammende ehem. Reichs-Vizekanzler, Staatssekretär des Inneren und späteren Mitbegründer der Deutschnationalen Volkspartei Karl Helfferich (1872 - 1923) bezichtigte Erzberger in mehreren öffentlichen Schriften als Novemberverbrecher, der sich in Ausübung seiner politischen Ämter persönlich bereichern und auch noch Steuern hinterziehen würde.

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    Der dagegen geführte - außerordentlich öffentlichkeitswirksame, fragwürdig politikverwobene - Beleidigungsprozess ging nach hinten los. Helfferich kostete er lediglich eine Geldstrafe von 300 Mark wegen Beleidigung, Erzberger das Ministeramt. Er konnte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe später zwar weitestgehend ausräumen. Als er deswegen jedoch seinen Willen zur Rückkehr in die Politik zu erkennen gab, wurde er am 20. August 1921 nach einem zuvor bereits in Berlin gescheiterten Attentatsversuch von zwei Rechtsextremisten auf einem Erholungsurlaub in Bad Griesbach / Schwarzwald erschossen. In der von den Franzosen besetzten Pfalz löste dies bei den Arbeiterräten heftigste Proteste aus. Sie gipfelten im sog. Speyerer Bildersturm mit Zerstörung von Gemälden der ehem. bayerischen Monarchie, welche rechtsgerichtete Kräfte wieder in Amt und Würden gebracht sehen wollten, was den Seperationsbestrebungen der französischen Besatzer "in die Karten spielte".

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    Auch der Zeitpunkt der von der Transportdauer zum Berliner Postamt W.9 - Potsdamer Bahnhof her deutlich verzögerten Briefbeförderung war durch gewaltsame Unruhen zwischen den rechts- und linksextremen Lagern geprägt. Als zwei Tage vor Aufgabe am 7. April 1919 die Münchener Räterepublik ausgerufen wurde, musste der aus Ilbesheim bei Landau i.d.Pf. stammenden Ministerpräsident Johannes Hoffmann (1867 - 1930) mit seinem Kabinett nach Bamberg ins Exil. Von dort aus forderte er von Erzberger militärische Unterstützung gegen die vom Revolutionären Zentralrat am 9. April 1919 gebildete Rote Armee an. Von der Barerstraße, dem Standort des Aufgabepostamtes München 43 - Maxvorstadt sind es ca. 2,2 km bis zur ehem. preussischen Gesandtschaft, die bis 31. März 1921 in der Prinzregentenstraße 9 untergebracht war. Noch weitaus näher zur Barerstraße lag aber das Hotel der preussischen Gesandten in der Türkenstraße 83.

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    Möglicherweise wurde von dort aus über den aktuellen Hergang der durch den Ausruf der Räterepublik ausgelösten Unruhen an Erzberger berichtet. Die von Berlin nicht anerkannte Räteregierung wurde letztendlich vom 2. auf den 3. Mai 1919 durch Truppen der Reichswehr, der Regierung und Freicorps gewaltsam niedergeschlagen. Das Kabinett Hoffmann wurde danach zwar wieder eingesetzt, aber zum 16. Mai 1920 durch die konservativ-bürgerliche Rechtsregierung unter Gustav Ritter von Kahr (1862 - 1934) abgelöst. Nach der Ermordung von Erzberger trat von Kahr am 12. September 1921 als Ministerpäsident des Freistaats zurück. Auch den späteren Regierungen gelang es nicht, den von ihm begründeten Ruf Bayerns als "Ordnungszelle des Reiches“ herbeizuführen...ganz andere Kräfte hatten bekanntlich begonnen, dem entgegen zu wirken.

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    + Gruß

    vom Pälzer

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    verwendete Quellen:

  • Hallo Pälzer,

    sensationelle Entdeckung - ich hoffe, nur dir war klar, wer da der Empfänger war. ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Moin bk,

    wenn man sich die Umstände betrachtet, die zum Zuschlag geführt haben, muss man vielmehr fragen, ob sich die Sammlerwelt so richtig darüber im Klaren war.

    Viele Grüße
    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... dass dir das klar war, war mir klar - aber die anderen, die alles in der Bucht und anderswo unter die Lupe nehmen, hatten den wohl nicht auf ihrer Liste - gut so!

    Es gab mal einen Russlandbrief von ca. 1867 an "Henry Schliemann in Wurzburg" - da hatte ich auch gedacht, dass ich (fast) keine Konkurrenz zu befürchten brauchte - kleiner Irrtum, auf den bot die halbe Welt und so viele Archäologen unter den Sammlern haben wir ja auch nicht (vom lieben Achim mal abgesehen).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... vermutlich war der untere Brief in einem Briefepaket nach KL dort aufgefunden worden, erst einmal gestempelt und dann schnell weiter ins Reich befördert.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • .... ja, so ähnlich. Oder sie hatten nur an dem Postabgang Briefe in dieser Richtung bis Kaiserslautern, das wäre auch möglich, aber unwahrscheinlich.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Sammlerfreunde,

    vielleicht hatte der Justizrat Schweickert in Frankenthal nach Empfang des Recos anbei sofort die zündende Idee, wie man mit der darin vom Kollegen Spatz in Speyer auf den Weg gegebenen Rechtsangelegenheit umzugehen hatte und benutzte, um dies gedanklich gleich festuzuhalten, das Kuvert mit Stenoschrift....was irgendwie ja recht interessant ausschaut.

    Viele Grüße

    vom Pälzer....der leider kein Steno kann ?(

  • Hallo Sammlerfreunde,

    bei der "Reco-Odyssee" anbei hat der UPU draufgelegt, denn 40 Pf machen die schier unzähligen Zustellversuche in der Weltstadt Paris mit Sicherheit nicht wett. Nach 8 Tagen vergeblicher Mühen, das Fräulein Katharina Veronika in der Metropole ausfindig zu machen, waren die Pariser Stadtbriefträger - wohl allemal zu Recht - am Ende mit dem Latein und die Reise ging wieder zurück nach Edenkoben in die bayerische Pfalz.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Hallo Tim,

    schade, dass sich der Absender hinten verewigt hat, sonst wäre er noch nach Speyer zur Retourbriefkommission gewandert (aber das Siegel hätte in Edenkoben sicher auch ausgereicht, dass man den Absender kannte).

    Tolles Vortragsstück! :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    da spricht der Connaisseur, der die Dinge immer noch zu toppen weiß ;) Wäre mir natürlich allerliebst, denn über die Rückbriefkommission Gelaufenes ist selten genug, ob Kreuzer- oder Pfennigzeit.

    LG

    Tim :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... da sprichst du ein wahres Wort gelassen aus - Briefe mit Retourmarken der Kreuzerzeit kenne ich von Speyer keine 10 Stück und aus der Pfennigzeit sind es auch nicht viel mehr. Aber das bekommst du auch noch, da bin ich mir sicher. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Tim,

    da hast du aber ein Prachtstück ausgegraben. :thumbup:

    Man kann nur staunen, welche Mühe man sich in Paris gemacht hat. Warum konnte der Brief trotz genauer Adresse nicht zugestellt werden? Wir werden es leider nie erfahren. :(

    beste Grüße

    Dieter

  • Hallo zusammen,

    ZU SCHÖN UM WAHR ZU SEIN, damit hat es der Philatelist nicht selten zu tun. Und leider trifft er auch den "Beleg" anbei zu, der zum Aufgabedatum 25.04.1920 mit 20 Pf für den Fernbrief und 30 Pf für das Einschreiben (eigentlich) korrekt frankiert ist. Dem Handbuch der Stempelfäschungen Bayerns nach wird jedoch dringend gewarnt u.a. vor Belegen aus dem pfälzischen Hettenleidelheim mit Werten der BY-Abschiedserie, da hier mit rückdatierten Stempel "gearbeitet" wurde und auch Einschreiben mit Würzburger Ankunfsstempel - wie anbei - darunter fallen. Soweit "so gut", es wäre allerdings auch ganz nützlich gewesen, dem besagten Handbuch den Hergang des Erkenntnisgewinns beizufügen. Weiss insofern evtl. jemand noch mehr dazu ?

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • EInschreiben aus Bamberg nach Frankfurt / Main vom 17. April 1903, doppelt schwer rückseitig zwei wunderhübsche Schäferhunde.

    Vorderseitig wurde der Stempel Bamberg nochmals auf einer Art Oblate geschlagen und daneben geklebt, da die anderen 4 Tagesstempel nicht lesbar waren.

    Gelesen habe ich davon in irgendeiner Verordnung, zur Hand habe ich diese leider nicht.

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich

    Das Leben ist zu kurz um sich darüber zu ärgern, was andere über dich denken oder sagen

    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig

  • Hallo Ulrich,

    DAS ist ein Traum der Postgeschichte - wenn sich jetzt noch die VO (habe leider nichts von der Pfennigzeit) findet, hast du einen 6er im Lotto gelandet. :love::love::love:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Da mir die bairischen ADAs nicht vorliegen, ein Hinweis aus der ADA V II Berlin 1904

    §8 VI Ist der Stempelabdruck nicht deutlich genug ausgefallen, oder befinden sich alle Marken auf der Rückseite, so wird die Vorderseite mit einem weiteren Stempelabdruck versehen.

    Hat zufällig die bairische ADA zu Hand?

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich

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    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig

  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender eingeschriebener Brief von der Marktgemeindeverwaltung Leuchtenberg (Oberpfalz), bei "Frei durch Ablösung", "durch Ablösung" gestrichen, trotzdem ohne Briefmarke und ohne Aufgabestempel, aber mit dem Einschreibzettel, nach Röthenbach bei Lauf (Mittelfranken) gelaufen. Ankunftsstempel vom 8. Juni 1915. Dienstsendungen mit "Frei durch Ablösung" gab es vom 1.1.1908 bis 31.7.1916.

    Beste Grüße,

    Hermann