Der Deutsche Krieg 1866

  • ... einen Teil der Anfrage beantworte ich mir selbst, gefunden in http://chronikstar.mannheim.de/index.php?start=1665&sort=8
    1. August 1866: Preußische Truppen des 17. Landwehrregiments und des 32. preußischen Infanterieregiments werden nach dem Vorfrieden von Nikolsburg in Mannheim einquartiert. Die Behörden müssen dabei Vorsicht walten lassen, um Konflikte mit der Bevölkerung zu vermeiden.
    9. August 1866: Ein Bataillon vom 39. Infanterieregiment sowie zwei preußische Husarenschwadronen rücken in die Stadt.
    13. - 18. August 1866: Hessische Truppen marschieren durch Mannheim in Richtung Heimat. Spontane Sympathiekundgebungen für das befreundete Nachbarland arten in antipreußische Demonstrationen durch Mannheimer Einwohner aus.
    27. August 1866: Die preußischen Truppen verlassen Mannheim, nachdem sie den Behörden für die freundliche Aufnahme gedankt haben.


    Bleibt noch die Frage nach Heidelberg, anderen besetzten Regionen in Baden und ... natürlich Belege!

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo,
    ein Kuvert aus Hannover nach Catlenburg bei Northeim vom 16.6.1866 zeige ich hier. Es belegt, dass am 16. Juni - dem Tag, als die hannoversche Regierung samt Truppen vor den nahenden Preußen die Stadt verließ, die Eisenbahn Richtung Kassel noch voll funktionsfähig war. Der Brief erreichte noch am selben Tag den Adressaten (vorderseitiger Vermerk "beantwortet den 16. Juni 66").
    Am 17. Juni ist die preußische Division Goeben dann in Hannover eingezogen, und die Hannoveraner haben nach Versammlung ihrer Truppen in Göttingen die Eisenbahnverbindung Hannover-Göttingen nachhaltig zerstört, sodass der Brief zu den letzten durchgekommenen zählen dürfte. Vielleicht taucht ja mal einer vom 17.6. auf...

  • Hallo,
    hervorragend zum Thema "Unterbruch der Eisenbahnverbindung Hannover-Kassel" passt dieser Feldpostbrief aus Göttingen vom 19. Juni 1866 nach Upstedt bei Bockenem (Ankunft 23.6. via Hildesheim).
    Am 17.6. hatte sich die hannöversche Armee in Göttingen zu konsolidieren begonnen, nachdem sie sich am 16.6. vor den heranrückenden Preußen nach Süden abgesetzt hatte. Die preußische Division Goeben war am 17.6. in Hannover eingezogen.
    Der Schreiber des Briefes berichtet aus seinem Lager in Elliehausen bei Göttingen und vom Mangel, an dem er leidet ("auch das Geld habe ich mich nicht mitgenommen, sonst hätte ich mich schon warme Strümpfe, Unterhose und Jacke gekauft. Es ist recht kalt, wir müssen jetzt im freien kampieren auf Vorposten, ich kann dir sagen daß ich schon viel mitgemacht habe aber so etwas noch nicht wie diese Wirthschaft...)
    Von besonderem Interesse ist die Anmerkung "... aber ich glaube daß die Eisenbahn nicht mehr fährt..."). Hier ist der Bezug zur unterbrochenen Verbindung nach Norden, als die Hannoveraner die Strecke Hannover-Göttingen unbrauchbar gemacht hatten, um den Preußen die Verfolgung zu erschweren.
    Demzufolge konnte der am 19.6. über das hannöversche Feldpostamt in Göttingen abspedierte Brief auch nicht per Eisenbahn nach Norden über Kreiensen nach Bockenem transportiert und am nächsten Tag zugestellt werden, sondern wurde vermutlich mehrfach in Postkutschen umgeladen und über Hildesheim nach Bockenem zugestellt, wofür vier Tage notwendig waren (Ankunft Hildesheim 23.6.).
    Der Brief hat die preußischen Linien durchquert, da die Einheiten der Division Goeben, die am 19.6. Hannover (zu Fuß!) Richtung Göttingen verlassen hatten und am selben Tag auf der Linie Nordstemmen-Hildesheim standen, am 20.6. in Alfeld ankamen.
    Mit dem Feldpoststempel der hannoverschen Armee versehen, der 1866 nur wenige Tage in Gebrauch war (17. bis 28.6.), stellt der Brief ein Ausnahmestück des 66er Krieges dar.
    Zur Transkription des Briefes:

    Elliehausen,
    den 18. Juni 1866

    Sergt Ohmes
    8. Comp. Garde Regt bei Göttingen

    Liebes Kind und mein Sohn!
    In großer Eile schreibe ich Euch Lieben, daß ich noch einige Zeit hier im Göttingenschen bleiben, schreibe bitte schreibe so rasch es gehen will. Deinen mir so theuren Brief habe ich am Sonntage erhalten, ebenfalls Dorotten ihre Zeilen. Ich hätte alles gern besorgt was in den Briefen gewünscht wurde, aber leider leider ist es mir nicht möglich, hast Du meinen Brief vom Freitage erhalten. Hoffentlich doch.
    Die Garde-Corps wo Corporal Maiers bei ist, weiß ich nicht, wo die liegen. Hast du ein Hemd fertig so schicke es mir doch mit, aber ich glaube daß die Eisenbahn nicht mehr fährt, ich habe nichts mitgekriegt, auch das Geld habe ich mich nicht mitgenommen, sonst hätte ich mich schon warme Strümpfe, Unterhose und Jacke gekauft. Es ist recht kalt, wir müssen jetzt im freien kampieren auf Vorposten, ich kann dir sagen daß ich schon viel mitgemacht habe aber so etwas noch nicht wie diese Wirthsachaft. Der General des Generalstabes ist arritiert. Bleibe recht munter, bald sehen wir uns wieder. Grüße Heinrich und Ludwig daß der Wind jetzt auf einen andern Loche wie vor 8 Tagen. Ich schließe sei gegrüßt mein Kind, auch du lieber Georg, du hast dich die Nacht geängstigt, als ich die Nacht meine bittren Thränen um Euch vergoss,
    dein Carl

  • Lieber mikrokern,

    sehe ich da eine blaue Portotaxe? Also war ein Feldpostbrief, noch dazu bei einer Feldpostexpedition aufgegeben, portopflichtig?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bayern klassisch,
    grundsätzlich war Feldpost auch im Königreich Hannover kostenfrei.
    Ist es möglich, dass es in Hannover ein Bestellgeld (wie bei TuT) gab, welches auch für die Zustellung an sich portobefreiter Briefe (wie zB Feldpost) in Anwendung kam?
    Könnte mir vorstellen, dass Upstedt von einem Landbriefträger versorgt wurde, der eventuell ein Bestellgeld erhielt.
    Nur eine Vermutung...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    die Frage kann ich leider nicht beantworten, aber dann müsste ja praktisch alle Briefe nach Hannover - Land diese Taxvermerke aufweisen; das wäre mir aber neu ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Moin,

    die Taxierung "1, 5" (= 1½ Groschen) erscheint mir für ein Bestellgeld zu hoch, entspricht aber der einfachen Gebühr für unfrankierte Briefe in Hannover.
    Daher würde ich vermuten, dass der Brief nicht portobefreit war !?

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo nordlicht,
    vielen Dank!
    Jetzt hilft nur ein Circular bzw Verordnung, die das Vorhandensein bzw. Absenz einer Portobefreiung für Feldpost im Jahr 1866 im Kgr. Hannover eindeutig regelt.
    Es wäre allerdings völlig ungewöhnlich, wenn für dislocierte hannöversche Soldaten keine Portobefreiung für ihre Briefe gewährt worden wäre. In allen anderen Staaten war das jedenfalls der Fall...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Liebe Sammlerfreunde,

    zu 1866 kann ich mich nicht konkret äußern, jedoch zu 1870/71.

    Im Deutsch-Französischen Krieg war Feldpost zwar portobefreit, Ortsbestellgelder (Stadtbriefe) waren es jedoch nicht.

    Ich kann mir kaum vorstellen, daß es 66 anders war.

    Mit bestem Gruß
    1870/71

  • Hallo 1870/71,
    das war ja gerade meine erste Vermutung - ein an sich portofreier Feldpostbrief mit Landbestellgeld (Upstedt besteht nur aus wenigen Häusern).
    Dazu müsste ein Hannover-Kenner sagen können, ob im Königreich regelmäßig Bestellgeld anfiel oder nicht.
    Und denkbar wäre auch noch ein nicht postalischer Ursprung der Blaustriche, die mit Portoerhebung gar nichts zu tun haben. Vielleicht nur zwei irrelevante Krakel?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo mikrokern,

    die Notierung "1, 5" ist typisch für Hannover und sieht man häufiger, d.h. eine nicht-postalische Herkunft oder Krakel würde ich ausschließen.
    Ein Bestellgeld gab es in Hannover schon, aber nicht in Höhe von 1½ Groschen (sondern z.B. 1 Groschen außerhalb des gleichen Ortes).

    Gewissheit müsste ein Hannover-Experte schaffen können ...

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo nordlicht,

    sicherlich kannst du uns einen Brief mit der Notierung "1, 5" aus dem Kgr. Hannover zeigen und uns deren Grund nennen. Vielleicht kommen wir dann weiter?

    Hallo mikrokern,

    du hast mich vielleicht falsch verstanden. Fernbriefe waren im 70/71er Krieg portofrei, Ortsbriefe nicht!

    Besten Gruß
    1870/71

  • Liebe Sammlerfreunde,

    ich denke, nachdem auf dem Brief nicht "Soldatenbrief" oder "Feldpost(brief)"
    vermerkt wurde, war er portopflichtig.
    Zu Bestellgeld in Hannover zitiere ich aus dem Buch "Entstehung und Ent-
    wicklung der Postgebühren von Konrad Schwarz":
    ....... "Das Bild der Bestellgeldsätze sah vielmehr 1867 noch folgendermaßen aus:
    Briefbestellgeld.
    Postgebiet Hannover - Ort - gewöhnliche Briefsendungen 2 Pfennig;
    rekommandierte Briefe 5 Pfennig;
    Land - 1 Groschen; .................

    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • ich denke, nachdem auf dem Brief nicht "Soldatenbrief" oder "Feldpost(brief)"
    vermerkt wurde, war er portopflichtig.


    Lieber VorphilaBayern,

    nun, das kann ich mir nicht vorstellen!

    Entweder hat der Schreiber den Brief auf dem FPA in Göttingen selbst abgegeben, dann hätte man ihm sicher gesagt, dass er dem Empfänger das Porto ersparen könnte, wenn er nur "Feldpost" oder dergleichen anschriebe. Dem Inhalt nach zu urteilen, war der Sergeant Ohmes kein reicher Mann, der wollte sicher nicht seine Familie belasten...

    Wahrscheinlicher ist aber die Abgabe des Briefes bei der Ordonnanz, die die Post der Kompanien sammelte und als Regimentspost beim FPA ablieferte; immerhin lag die 8. Kompanie in Elliehausen und nicht direkt am Göttinger Bahnhof, wo das Feldpostamt war. Da es sich bei den Hunderten von derart angelieferten Briefen nur um Soldatenbriefe gehandelt haben konnte, hat man auf dem FPA sicher nicht jeden Brief auf den Vermerk "Feldpost" kontrolliert, um bei dessen Fehlen ein Nachporto anzuschreiben. So etwas wäre logistisch unmöglich und widersinnig, die eigenen Soldaten abzustrafen.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo VorphilaBayern,
    schöner Brief und definitiv eine kriegsbedingte Verzögerung!
    Nach der Schlacht von Königgrätz am 3.7. gab es enorme Truppenbewegungen in Nordböhmen, und die Preußen zogen am 8.7. in Prag ein.
    Dass da vorhandene Eisenbahnen anderen Zwecken dienten und die Beförderung von Post von nachrangiger Bedeutung war, ist offensichtlich.
    Ein im Hinblick auf die Leitung durch Böhmen nach Prag im Juli 1866 ähnlicher (wenn auch vom Ursprung eher exotischen) Brief von Pamakassan (Java) über Eger (10.7.) nach Prag (Ankunft 27.7.) wurde bereits anderswo besprochen (post #121 ff).