Unterfrankierte Briefe

  • Hallo Pälzer,

    schmuck, sehr schmuck! Du kannst mal recherchieren, warum man in Mussbach glaubte, dass Neustadt an der Haardt für 1x frankierbar gewesen wäre ... ;)

    Wenn man in früherer Zeit immer für 1x frankieren konnte, weil alles der selben PE unterstand, dann änderte die Gründung einer neuen Expedition das alte und sehr günstige Frakaturverhalten nicht immer. So auch hier.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,

    auch wenn die Abschläge des nachstehenden Briefstücks mehr als bescheiden daherkommen, so ist es immerhin noch ein mit Nachgebühr belegtes.

    Der Kaiserslauterner Kaufmann Johann Baptist Bumiller hatte es mit einer Surrogat-Warenbestellung offenbar so eilig (Anfang des Textes innen: Senden Sie mir gefälligst umgehend...), dass er anstatt der für den Vereinsbrief über 20 Meilen zu verklebenden 9 Kr nur eine Marke zu 6 Kr verwendete (Luftlinie Kaiserslautern - Köln rd. 177 km = rd. 24 Meilen).

    Damit war der unfrankierte Portobrief zu 12 Kr anzusetzen. Unter Abzug der bezahlten 6 Kr waren vom Empfänger noch 6 Kr = 2 Sgr (vorderseitig vermerkt in in blauer Tinte) zu entrichten. Ob das die im Jahre 1800 in Köln-Rodenkirchen gegründete Werner Breuer Caffe-Surrogat & Essenz Fabrik zur gewünschten Eillieferung beflügelt hat, darf bezweifelt werden.

    + Gruß

    vom Pälzer

    verwendete Quellen:
    http://www.ahnenforschung-bildet.de/forum/viewtopi…t=13066&start=0
    http://www.kaffeetraditionsverein.de/index.php/Wern…6_Essenz-Fabrik


  • Hallo Pälzer,

    ein Brief, von dem man getrost träumen darf und der Grund dafür ist nicht mal so sehr die Vorderseite mit ihren Folgen, die du natürlich richtig und sympathisch geschildert hast, sondern die Siegelseite ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bk,

    der es mal wieder versteht spannend zu machen und ...hmmm :whistling: ...könnte das was mit der Bahnpostbeförderung zu tun haben ?

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo zusammen,

    von einem "Traumbrief" kann bei dem nachstehenden jetzt sicherlich nicht die Rede sein, dafür kommt der Markenschnitt leider alles andere als erbaulich daher. Dafür aber umso mehr die saftig von Bayern (in schwarzer Tinte) und noch saftiger von Preussen (in blauer Tinte) angebrachte Nachportogebühr von (noch) 2 Sgr = 6 Kr.

    Die Entfernungsüberschreitung des vom Absender mit 3 Kr = nur für bis zu 10 Meilen im DÖPV freigemachten Briefleins war im vorliegenden Fall nicht sponderlich hoch, d.h. ca. 1,5 Meilen. Aber irgendwo muss man halt mal eine Grenze der Toleranz ziehen. Schlecht für den Empfänger, gut für die Dokumentation von Postgeschichte.

    + Gruß

    vom Pälzer

  • Hallo Sammlerfreunde,

    ein nicht unbedingt besonders schön gestempelter Brief weckte mein Interesse.
    Frankiert mit 6 xr und Vermerk "noch 12" von Augsburg nach Anspach (gemeint war Ansbach) vom 6.9.1854. Entfernung ca. 14 Meilen.
    Es handelt sich um einen Brief der 2. Gewichtstufe (1-4 Loth) in die innerbayerische II. Entfernungszone über 12 Meilen.
    Das Nachporto errechnet sich aus 2x je 6 xr + 2x Portozuschlag von je 3 xr = 18 xr abzüglich der verklebten 6 xr, folglich "noch 12".

    Interessant ist allerdings, wie das Übergewicht des Briefes zustande kam.
    Im Brief befanden sich drei weitere "Inlagen" (ich nehme an ebenfalls Todesanzeigen), die vom Empfänger ausgehändigt werden sollten.

    Die Rechnung des Absenders, Porto zu sparen, ist zwar nicht ganz aufgegangen, bei Versendung von vier Briefen hätte er allerdings 24 xr zahlen müssen. Jetzt wäre noch interessant zu wissen, ob der Empfänger sich die 12 xr Nachporto hat erstatten lassen. Ansonsten wäre der Absender mehr als günstig davongekommen.

    Durften solche Beilagen überhaupt in Briefe eingelegt werden?

    Gruß
    bayernjäger

  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich einen Brief, der nicht so ganz ohne ist: Geschrieben in Kaiserslautern am 22.9.1854, war er nach "Langenberg bei Langenkandel" gerichtet. Der Empfänger war der dortige Revierförster und die Absenderin seine Mutter.

    Wer kann den Lauf des Briefes schildern?

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (29. August 2015 um 16:46)

  • Hallo Nils,

    wo du recht hast, hast du recht. ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    der Brief nach Langenberg bei Langenkandel in der Pfalz war mit 3 Kreuzer korrekt frankiert.

    Es gibt aber auch ein Langenberg bei Gütersloh im Rheinland. Dafür waren 9 Kreuzer zu frankieren.

    Es fehlten 6 Kreuzer. 6 Kreuzer plus 3 Kreuzer Strafe, das macht 9 Kreuzer Nachporto, wie auf dem Brief notiert.

    War der Brief fehlgeleitet, dann musste das Nachporto aber wieder gestrichen werden. Wurde das vergessen ?

    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

  • Lieber kilke,

    eine gute Variante, aber hinten sieht man nur den Stempel von Landenkandel (heute: Kandel) und keine preußischen Stempel. Gegen deine These spricht auch, dass die Taxierung von unterfrankierten Briefen nach Preußen in Silbergroschen vorzunehmen gewesen wäre.

    Aber bitte bleibe am Ball!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    der Brief ist ein wenig "tricky", wie man heute so schön sagt.

    Nach dem Reglement vom 1.7.1849 kosteten Briefe innerhalb der Pfalz 3 Kr. bis 1 Loth, jedoch Briefe ab 1 bis 4 Loth 6 Kr., wenn man frankierte.

    Unfrankierte Briefe kosteten ab dem 1.7.1850 einen Portozuschlag von 3 Kr., so dass ein Brief, der eigentlich 6 Kr. gekostet hätte, aber mit weniger frankiert war, deutlich teuer wurde.

    Unser Brief war nur bis 1 Loth frankiert, muss jedoch schwerer als 1 Loth gewesen sein. Schwerer als 4 Loth konnte er nicht gewesen sein, weil Briefe über 4 Loth ausnahmslos der Fahrpost zuzurechnen waren und die Fahrpost war bis 31.1.1874 nicht mit Marken frankierbar.

    Hier rechnete man also 2 Gewichtsstufen unfrankiert = 6 Kr. + 6 Kr. = 12 Kr. abzüglich der Nominale der verklebten Marke von 3 Kr. = 9 Kreuzer Nachporto. Das wäre also geklärt.

    Das eigentliche Problem ist aber der Wohnort des Empfängers. Ginge der Brief nach Kandel (Langenkandel), so hätte man ihn für 9 Kr. Nachporto ausgetragen und der Empfänger hätte im Falle der Nichtzahlung eine Annahmeverweigerung begangen und er wäre wieder der Aufgabepost remittiert worden mit der Entlastung der Kandeler Post und der Belastung der Post von Kaiserslautern, wo man von der Absenderin die 9 Kr. nacherhoben hätte.

    Aber der Empfänger war Revierförster in Langenberg, einem Weiler ca. 3 km von Kandel entfernt. 1854 gab es noch keinen Landbotendienst, der in der Pfalz erst 1858 eingeführt wurde (im rechtsrheinischen Bayern 2 Jahre später). Man konnte den Brief also keinem Postbediensten mitgeben, sondern musste sich anderweitig behelfen.

    Nur in der Pfalz gab es die historisch begründeten Kantonsboten, die eigentlich nur die dienstlichen Korrespondenten von A nach B transportieren sollten und die von den jeweiligen Gemeinden entlohnt wurden, die jedoch für einen Obolus von 2 Kr. Briefe in Seitenorten annehmen und zur Post bringen, bzw. von 3 Kr. für Briefe von der Post an Empfänger in Seitenorten abliefern durften.

    Da diese öffentich angestellt waren, mussten sie selbst bzw. hatte der Postexpeditor diesen Betrag, der keine Gebühr darstellte, weil er nicht staatlich fixiert worden war, auf den Briefen notieren in Form einer Addition. Man erkennt das am gleichen Stift bzw. der gleichen Hand, die aufaddierte, wenn man solche Briefe vorliegen hat.

    Da diese Kantonsboten nicht Staatspostangestellte oder gar Beamte waren, mussten sie mit Porto belegte Briefe der Postexpedition abkaufen, um ihr Geld zu verdienen. Zahlte der Empfänger dann nicht, blieben sie auf dem ausgelegten Porto sitzen. Allein das war schon ein wenig "tricky".

    Hier findet sich aber keine Addition, weswegen davon ausgegangen werden kann, dass der Kantonsbote von Kandel ihn nicht der Post abgekauft hatte. Die Alternative wäre die Existenz eines Postfachs, die man hier nicht ausschließen kann. Aber es wäre auch möglich gewesen, dass der Herr Revierförster seine Post täglich selbst auf der Post abgeholt hat bzw. hat abholen lassen. Dann hätte man die fehlenden 9 Kr. bei der Post erlegt und der Brief sähe so aus, wie er heute noch aussieht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber BK, liebe Freunde,

    eine erstklassige Erklärung, die wohl nur mit jahrelanger (jahrzehntelanger) Erfahrung als Pfalzsammler hinzubekommen ist-Vielen Dank! :thumbup::thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Lieber bayern klassisch,

    bin am Ball geblieben und will Deine Steilvorlage aufnehmen.

    Für den Pfalzbrief über 1- 4 Loth hätten statt 3 Kreuzer, 6 Kreuzer frankiert werden müssen.

    Ungenügend frankierte Sendungen sind wie unfrankiert abgesandte( d.h. vom Portosatz her) zu behandeln (steht so im Sem-Katalog).

    Unfrankiert hätte der Brief 12 Kreuzer gekostet, davon wurden die geklebten 3 Kreuzer abgezogen. Das ergibt 9 Kreuzer Nachporto.

    1:0 für das Forum [Blockierte Grafik: http://www.altpostgeschichte.com/wcf/images/smilies/thumbup.png]

    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

  • Lieber kilke,

    da kann man glatt sagen, 2:0 fürs Forum. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.