markenlose Briefe der Kreuzerzeit

  • Liebe Freunde,

    hätte man einem Menschen zu erklären, dass innerbayerische Briefe der Markenzeit das Einfachste Kapitel der bayerischen Postgeschichte darstellt, würde einem sicher geglaubt werden, benötigt man doch selbst kaum eine Viertelstunde, um die Höhe der Porti in der Zeit von 1849 bis 1875 auswendig zu erlernen und vlt. eine weitere Viertelstunde, um sie cerebral in einen plausiblen Zusammenhang zu stellen und damit komplett zu verinnerlichen.

    Zeigte man dann aber einen simplen Brief, hier aus dem Jahr 1851, einem solchen Aspiranten der bayerischen Postgeschichte, wäre der wohl damit überfordert und fühlte sich womöglich sogar von einem wohlmeindenden Mentor veräppelt.

    Sagte man, dass innerbayerische Portobriefe nur noch eine Taxe aufweisen können, sieht man hier deren 2.

    Sagte man, dass seit 1844 kein Bestellkreuzer mehr zugelassen war, sieht man ihn hier doch noch (oder das, was man für ihn hält).

    Sagte man, dass niemals mit Bleistift Taxen zu notieren waren, so sieht man hier doch eine.

    Und doch ist alles so einfach ...

    Der Absender der am 27.10.1851 ausgefertigten Rechnung war die Firma Lorenz Hüttner, Empfänger war die Firma Caspar Göhl seelige Erben in Hindelang bei Kempten. Frankieren wollte man nicht, also zahlte der Empfänger drauf. Statt 6 Kreuzermarke also lieber 9 Kreuzer Porto - die aber in Nürnberg vergessen wurden, sonst hätte man sie in typisch blau-grauer Tinte vermerkt. Im Rahmen des Transports fiel dies auf und man notierte in schwarz links unten fast unleserlich eine korrekte 9.

    Weil die in Art und Ausführung kaum zu erkennen war, wiederholte, wohl Sonthofen, man diese 9 mit Rötel, so dass sie nur schwer zu übersehen war. Da Hindelang ohne eigene Post war, der Empfänger aber mit der Postexpedition Sonthofen aber eine Vereinbarung hatte, Post für ihn einem konzessionierten Boten zu übergeben, notierte dieser zwischen den beiden Neunern seine 10 Kreuzer, denn die 9 hatte er in Sonthofen ausgelegt und wollte für seinen Lauf von ca. 4 Kilometern auch seinen Kreuzer notiert wissen.

    Diese Doppeltaxierungen, wie ich sie nenne, kenne ich hin und wieder innerbayerisch und im Postverein, nicht ins Ausland. Sie waren einer Zeit geschuldet, die für viele Postler höchst verwirrend war, begrenzt sich also auf die Zeit von 1850 bis 1852, am ehesten noch 1851, dem mit weitem Abstand schwierigsten Jahr für bayerische Postbedienstete. Der eine traute dem anderen nicht und wollte unbedingt selbst ausrechnen, was ein Brief kostete und notierte dann auch voller Stolz "sein" Ermittlungsergebnis gerne auf dem Brief. Ich kenne sogar Briefe mit 3 (!!) identischen Taxen in den Postverein (aus Zweibrücken), wobei 2 identische Taxen selten sind, 3 aber schon große Raritäten darstellen.

    Wohl dem, der solch ein paar kleine Schmuckstücke in seinen Sammlungen weiß ...

  • Lieber Ralph,

    deine Ausführungen zu den ab und zu vorkommenden Doppeltaxierungen bei Portobriefen habe ich mit Interesse gelesen.

    Ich steuere zu diesem Thema auch mal einen Brief bei:
    Er wurde ebenfalls in Würzburg aufgegeben und lief an die bei Bayernsammler bekannte Adresse "Elias Treibs in Kissigen". Mein Brief datiert jedoch nicht aus 1851/52 sondern aus dem Jahr 1854.

    Viele Grüße
    bayern-kreuzer

  • Lieber Wolfgang,

    ein sehr schöner Brief, wie aus deinem reichen Fundus nicht anders zu erwarten.

    Ja, es gibt sie natürlich auch nach 1852 noch und hin und wieder sogar bis zur Mitte der 1850er Jahre, aber da wurden aus Ausnahmen nur große Ausnahmen.

    Laien beschreiben diese Briefe dann als 12 Kreuzer Porto, aber über diesen Status sind wir ja schon lange hinweg, zumal wir ja auch keine Atteste ausstellen ... ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Freunde,

    so oft laufen einem 18-Kreuzer-Portobriefe auch nicht über den Weg.

    Ich zeige einen, der am 6.3.1852 von Eschenbach Op. nach Ansbach Mf. gelaufen ist.

    Vorderseitig wurden 18 Kreuzer Porto vermerkt- für einen Brief der 2. Entfernungszone (über 12 Meilen) und der 2. Gewichtsstufe (über 1 - 4 Loth).
    (Als Frankobrief hätte er nur 12 Kreuzer gekostet.)

    Viele Grüße
    bayern-kreuzer

  • Lieber Wolfgang,

    da kann ich dir vollumfänglich Recht geben - 18x Portobriefe sind selten, so schön wie der hier sogar sehr selten. Glückwunsch zu dem Schmuckstück! :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    vielen Dank für deine nette Antwort auf meinen eingestellten Portobrief.

    Eine große Wertschätzung scheinen solche Briefe jedoch trotz ihrer Seltenheit nicht zu haben. Bei einem Sem-Preis von125 € für einen 18-Kreuzer-Portobrief musste ich bei ebay gerade mal 4,50 € + Porto bezahlen.

    Viele Grüße
    bayern-kreuzer

  • Lieber Wolfgang,

    ob die Katalogpreisangabe von 125 Euro bei Sem je realistisch war, stelle ich mal dahin. Fakt ist, dass es deutlich weniger 18 Kreuzer Portobriefe von Bayern gibt, als innerbayerische 12 und 18 Kreuzer Frankobriefe, so schön diese auch mit ihren Marken sein mögen.

    Eine Fixierung auf fiktive Katalogpreise ist bei der Postgeschichte eher kontraproduktiv - ich mache mir da immer ein eigenes Bild und entscheide dann, was gut, oder weniger gut, was günstig, oder weniger günstig ist.

    Dein Brief ist gut, schön und äußerst günstig - was will man da mehr?

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Anscheinend hatte niemand eine Idee zum vorigen Brief.

    Hier folgt der nächste Brief, zu dem ich gerne Erklärungen hätte:

    Dieser Dienstbrief vom kath. Pfarramt Eggstätt ging

    an das hochwürdige kath. Stadtpfarramt St. Ludwig in München.

    Links unten der Freivermerk P.S. mit Expeditions-Nr

    Darunter lesen wir: Postnachnahme Taxe? 1 f. 21 xr

    Was bedeutet die 36? Wurden nur 2 xr für die Zustellung gefordert?

    Die Rückseite der Briefülle ist leer.

    Wer weiß mehr?

  • Lieber Dieter,

    P.S. war kein Freivermerk, also keine Franchise, sondern das Gegenteil, also kostenpflichtig.

    Die Nachnahme betrug 1 Gulden 21x, dazu kamen 36x Porto mittig. Die Rötel 2 dürfte eher eine Buchnummer von München sein, aber ich habe von der Fahrpost wenig Ahnung ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

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