Bayerischer Militärbrief als K.D.S. aus dem Herzogtum Warschau über Dresden nach Bayern 1812

  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Brief:
    Brief als Königliche Dienst Sache (K.D.S.) von der königlich bayerischen Quartiermeisterei
    Schnell und Artmann in Warschau (Herzogtum Warschau) vom 8. Dezember 1812, mit Stempel
    "DRESD." = Dresden. Franko 4 Gutegroschen auf der Siegelseite. (Wahrscheinlich das Franko
    innerhalb von Sachsen), nach München.
    Bilder des Inhalts folgen.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Hermann,

    ein Sensationsbrief - nie gesehen und ich frage mich, wie man da einen Zweiten finden wird. Wohl überhaupt nicht mehr - ein Traum. :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,

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    zu diesem Beleg muss man sich ja zunächst noch einmal vergegenwärtigen, dass im Dezember 1812 die Entscheidung im Russlandfeldzug Napoleons bereits gefallen und die Reste der schwer geschlagene Grande Armée auf ihrem Rückzug kurz vor dem Übergang auf polnischen Boden standen.

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    Clausewitz schrieb unmittelbar nach dem Krieg, dass von 610.000 Soldaten der nur 23.000 das westliche Ufer der Weichsel erreichten. Auch die bayerische Armee hatte schreckliche Verluste zu verzeichnen. Bereits in den Schlachten bei Polozok an der Düna im August und Oktober 1812 forderte einen hohen Blutzoll; in Richtung Moskau war mit der Hauptarmee im Wesentlichen nur noch bayerische Kavallerie mitgezogen, die in der Schlacht von Borodino Anfang September 1812 starke Verluste erlitt.

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    Bei der von Mitte bis gegen Ende September 1812 währenden Besetzung von Moskau waren nur noch um die 800 bayerische Chevaulegers mit dabei. Von den insgesamt rund 33.000 Bayern, die (einschließlich nachgeschickter Verstärkungen) 1812 ausmarschiert waren, kehrten nur etwa 4.000 zurück. Der im Brief am Schluss erwähnte Fürst von Wrede war zu diesem Zeitpunkt Oberbefehlshaber der bayerischen Koalitionstruppen und hatte sich zum 9. Dezember 1812 mit seinen hauptsächlich wegen Krankheitsausfällen stark dezimierten Einheiten auf Wilna zurückgezogen.

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    Dort bildete er mit etwa 300 Mann und 20 Chevaulegers eine Nachhutsicherung, die am 12. Dezember 1812 vollständig aufgerieben wurde. Mit den bereits seit Oktober in Marsch gesetzten Ersatztruppen stellte er bei Plozk zum 29. Dezember 1812 eines neues Armeekorps auf, musste dananch aber nach Bayern zurückkehren. Um diese Ersatztruppen resp. deren Nachschubkolonnen wird es in dem Brief gegangen sein. Der Bericht an das Monturs-Depot nach München enthält im Wesentlichen Angaben über die "hinlängliche" Marschbeitschaft und die hierfür erfolgenden förmlichen Requirierungen von Pferden und Gespannen. Das war noch die freundliche Version.

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    Nach einem offiziellen Bericht der preussischen Regierung in Königsberg wurden im Jahr 1812 von der französischen Armee bspw. alleine in der Provinz Ostpreußen 1.629 Fuhrwerke und 7.546 Pferde förmlich requiriert. Darüber hinaus nahmen die durchziehenden Truppen der Grande Armée aus der Provinz aber noch weitere 26.579 Wagen und 79.161 Pferde gewaltsam mit. Auch der von Napoleon gebildete polnischen Rumpfstaat, das Herzogtum Warschau, das Aufmarschbasis seines Russlandfeldzuges gewesen ist, ist dadurch volkswirtschaftlich in nicht tragbarem Umfang in Anspruch genommen worden.

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    Fazit: So wie @bk es geschrieben hat ein Sensationsbrief inmitten der Phase des allerletzten Aufbäumens des bayerischen Koalitionskontingents. Was ich mich nur frage ist, wie der Brief von Warschau ins 660 km weiter westlich gelegene Dresden gekommen ist.


    Viele Grüße
    vom Pälzer

    verwendete Quellen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Russlandfeldzug_1812
    https://de.wikipedia.org/wiki/Herzogtum_Warschau
    https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Philipp_von_Wrede

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (30. Juni 2019 um 13:03)

  • Hallo Pälzer,

    erstklassiger Brief + erstklassige Recheche. Chapeau!

    Zu den 400 km Transport ohne offensichtliche Beteiligung der Post: Ich vermute, dass man das unter Ordonnanz laufen ließ. Der Ordonnanzreiter bekam Geld mit und konnte den Brief dann in Dresden teilfrankieren. Aber das ist nur eine Vermutung und kein konkretes Wissen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bk,

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    die Vermutung liegt sehr nahe, die Funktion des Ordonnanz-Dragoners ist in dem im Jahre 1814 in Leipzig verausgabten Allgemeinen Verteutschungswörterbuch der Kriegssprache definiert ("Sendunger, Meldunger").

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    Auch die Übergabe an die sächsische Post passt, denn Sachsen war seinerzeit genauso wie Bayern Mitglied im Rheinbund und mit ca. 21.000 Soldaten gegenüber Bonaparte in der Pflicht. Von diesen kehrten weniger als 1.000 aus dem Rußlandfeldzug zurück.

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    Viele Grüße

    vom Pälzer :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    herzlichen Dank für die großartige Recherche zu diesen Brief.
    Es ist jedes mal erstaunlich, was du aus Briefen an Informationen rausholst.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber VorphilaBayern,

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    großartig ist Dein Sammelgebiet und das, was Du uns hierzu regelmäßig offerierst. Der Beleg hier ist wieder mal ein Topper, da machts a Freud` zumindest noch das Wichtigste vom Geschichtshintergrund beizusteuern.

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    Würde sagen, gern weiter so :thumbup:

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    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis