Unvorschriftsmäßige Verwendung von Nummernstempeln

  • Liebe Freunde,
    nachfolgend zeige ich einen Ortsbrief, frankiert mit der 2 Sgr.-Kopfausgabe auf glattem Grund. Der Brief stammt zwischen 20.11.1857, Ausgabe der Marke April 1857 und 31.3.1859, da dort die Entwertung mit Nummernstempel aufgehoben wurde.
    Nummernstempel mussten je einmal auf jeder Marke aufgesetzt werden, so dass sowohl mehr als zwei davon auf einer Marke als auch nur einer auf zwei Marken unvorschriftsmäßig waren.
    Hier wurde der Stempel Nr. 103 von Berlin gleich zwei mal aufgesetzt, also vorschriftswidrig.
    Der Brief hat aber noch ander Qualitäten. Ich habe lange überlegt, ihn bei Sophi einzustellen, wußte aber nicht wo genau er passt. Die Empfängerin Frau Gräfin Poninska war nämlich eine Persönlich keit besonderer Art. Nachfolgend einen Auszug aus Wikipedia:
    Gräfin Adelheid Poninska, + 14.8.1804 in Kotzenau, +9.6.1881 in Leipzig.
    Adelheid war die Tochter des preußischen Offiziers und Großgrundbesitzers Wilhelm Burggraf und Graf zu Dohna-Schlodien (1769–1837) und der Friederike Gräfin von Reichenbach-Goschütz (1785–1839). 1841 heiratete sie Adolph Graf Poniński (1801–1878), mit dem sie sich 1869 in Leipzig niederließ, wo sie 1881 kinderlos starb.]
    Sie machte sich angesichts des vor allem durch die Landflucht während der Industrialisierung verursachten extremen Wachstums der Großstädte und der damit einhergehenden Wohnungsnot Gedanken um eine mögliche Abhilfe dieses Problems im Rahmen der Stadtplanung. Von ihr stammt das 1874 erschienene und viel beachtete Werk „Die Großstädte in ihrer Wohnungsnot und die Grundlagen einer durchgreifenden Abhilfe“, das sie allerdings aus der Sorge heraus, als Frau nicht ernstgenommen zu werden, unter dem Pseudonym „Arminius“ veröffentlichte. In diesem Buch skizziert sie die mögliche Anlage von Gartenstädten und Wohnblocks mit weiten Innenhöfen, was der damaligen Bauweise von Mietskasernen mit zum Teil vier und mehr engen Hinterhöfen diametral entgegengesetzt war. Die Gedanken Poninskas wurden dann allerdings erst im 20. Jahrhundert, lange nach ihrem Tod, aufgegriffen und umgesetzt. Zwar zeigte man sich auch zunehmend im Bürgertum besorgt über die Wohnverhältnisse der Arbeiter, von denen man einen sittlichen Verfall befürchtete, doch standen einer durchgreifenden Änderung vor allem die Interessen der Wohnungsspekulanten entgegen, die von einer möglichst engen Bebauung am meisten profitierten.
    Seit 1997 trägt eine Straße in Berlin-Staaken ihr zu Ehren den Namen „Adelheid-Poninska-Straße“

    Viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • liebe Freunde,
    ich zeige mal ein weiteres Stück, bei dem der Postbeamte drei mal den Nummernstempel abschlug, bevor er zufrieden war. Davon ist einer sogar blanko, was auch gegen die Regel war.
    Bei den weiteren Stücken sind "nur" zwei Abschläge drauf.
    viele Grüße
    Erwin W.

  • Lieber Erwin,

    eine sehr schöne und interessante Strecke - die Blankoabschläge auf mehrfach ge- bzw. überstempelten Marken dienten wohl dazu, die Nummer gut lesen zu können, weil das durch die Verstempelung nicht mehr möglich war.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • lieber Ralph,
    ich gehe auch davon aus, dass der Postbeamte in diesen Fällen versuchte, einen lesbaren Stempel zu produzieren. Von diesen Belegen gibt es aber nicht viele. Meiner Meinung nach war die blanko- oder Mehrfach-Verwendung von Nummernstemoeln nicht gestattet.
    Vielleicht kennt einer der Preußen-Sammler eine Belegstelle dafür?
    Der nächste Beleg zeigt einen wohl vergeblichen Mehrfachversuch, den Stempel ordendlich auf die Marke zu bringen, so dass der Nummernstempel schlussendlich noch einmal blanko abgeschlagen wurde. Ob der Postbeamte in seiner Verzweiflung dann die verstempelte Marke abgerissen hat, ist nicht mehr feststellbar. ;)
    Das Briefstück der 1 Sgr.-Marke der ersten Ausgabe zeigt eine handschriftlich verbesserte Nummer.
    beste Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Erwin,

    sehr interessante Stücke, so etwas liebe ich - bei Bayern war es strickt verboten, schlechte bzw. fehlende Ziffern manuell "upzugraden". Wenn du in 30 Jahren 10 Marken oder Briefe findest, die genau das zeigen, bist du ein großer Sammler ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Erwin,

    donnerwetter - da schlägst du mich glatt um 6 cm!

    Halten wir also fest: Ein großer und ein mittlerer Sammler stellen starke Gemeinsamkeiten zwischen der Stempelung in Bayern und Preussen fest. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (6. Mai 2018 um 19:42)

  • Lieber Ralph,
    leider verbessert mein iPhone Ralph zu Ralf und manchmal übersehe ich das.
    Aber Ärwin wird dann mit h geschrieben, also Ährwin, Freund des Getreides bedeutet das. :rolleyes:
    Viele Grüße
    Erwin W.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Erwin,

    in "meinem" 19. Jahrhundert dienten die Maschinen noch den Menschen, nicht umgekehrt. Sic transit gloria mundi ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier ein Paar der 6 Pfg. mit nur einem Nummernstempel.

    Und eine Zugaufgabe von Magdeburg nach Thorn von 1855.

    Der Nummernstempel wurde zwar mustergültig sauber aufgesetzt, aber lt. Vorschrift war die Nummer vollständig auf der Marke zu platzieren.

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    das Paar war wohl Teil einer größeren Einheit? Am schönsten ist Preussen bei waagrechten Einheiten, wenn jede Marke zentrisch getroffen wurde.

    Der Bahnpostbrief ist aber auch ein lecker Teilchen ... :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Folgenden Brief kann ich noch zu dem Thema zeigen:
    Wieder ist es eine Zugaufgabe auf der Strecke Minden-Berlin (Bahnpostamt No. 1). Handschriftliche Angabe Magdeburg 9/11 (aus dem Briefinhalt: 1853), rückseitig der Kursstempel MINDEN 9 11 II BERLIN.
    Die Entwertung der 2 Sgr.-Marke erfolgte wohl durch den Nummernstempel 104, aber die Nummer ist nicht zu identifizieren - was Vorschrift war.

    Noch etwas Sophy: Die etwas ungewöhnliche Adressierung
    Herrn J. M. Oppenheim's Söhne
    für Herren Gebrüder Oppenfeld
    privatim

    erklärt sich durch den informativen Wikipedia-Artikel: Mitlgieder der jüdischen Familie Oppenheim waren vom jüdischen zum christlichen Glauben konvertiert und durften dann ihren Namen in Oppenfeld ändern. 1859 wurde Georg Moritz Oppenfeld in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.

    Gruß
    Michael

    NB Erwin:

    Zitat

    Solche Stempelabschläge findet man nicht so häufig.


    Meiner Beobachtung nach sind solche Eckabschläge von Nummernstempel sehr selten, das Augenmerk der Sammlerschaft ist aber voll auf die Variante "1 Abschlag auf 2 Marken" fixiert.

  • lieber Michael,
    ein schöner Beleg. Eigentlich hätte der Beamte noch einen Stempel versuchen müssen. Der zweite Stempel hat es ja auch nicht gebracht.
    viele Grüße
    Erwin W.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Michael,
    Ich kaufe auch nur selten lose Stücke, finde aber, dass sie eine Sammlung auch auflockern können. Besonders am Anfang eines Themas finde ich, dass sie sich dort gut machen, bevor die eigentliche Belege kommen.
    Beste Grüße
    Erwin W.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan