Russland - Österreich - Preußen

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    Liebe Freunde,

    hier ein Brief von 1837 aus Nischni Novgorod, ca. 400 km östlich Moskaus gelegen, der über Österreich nach Preußen gelangte.

    Russland hatte mit Preußen seit 1821 einen Postvertrag, mit Österreich jedoch noch nicht. Um so überraschender, dass dieser Brief über Österreich geleitet wurde. Im österreichisch-preußischen Vertrag von 1820 war die Leitung südrussischer Korrespondenz (zu der Post aus Nischni Novgorod nicht zählte) nach Preußen und vice versa vereinbart worden.
    Rückseitig ist diesmal das russische Franko - es musste bis zur russisch-österreichischen Grenze frankiert werden - mit in Summe 306 Kop. Ass. notiert.
    Der Brief gelangte über Radziwilow-Brody nach Österreich und lief dann per Reitpost über den 2x wöchentlich erfolgenden Postkurs Lemberg-Bielitz-Pless-Breslau nach Berlin ans Ziel. Der Herkunftsstempel RUS. stammt m.M. nach aus Lemberg.
    Für den Transit erhielt Österreich einen vertraglich festgelegten Betrag von 10 Kr. CM, die vorderseitig notiert wurden. Die rückseitige Notierung von 12 (Kr.) halte ich für eine Fehltaxe. In Preußen wurde zunächst auch falsch taxiert: Mit Rötel wurden 8 1/2 Sgr. Porto notiert, die dann in roter Tinte mit 13 1/2 Sgr. überschrieben wurden.
    Die Laufzeit war noch beachtlich: geschrieben am 24. August, erreichte der Brief am 21. September seinen Empfänger.

    Kann jemand das Kürzel vor dem Erstattungsbetrag von 10 Kr. (vorne unten links) erläutern?

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    erstmal Glückwunsch zu so einem Brief! Kannte ich bisher kaum einmal.

    Der Ort des Abschlags des RUS - Stempels ist todsicher?

    Der Absender notierte m. E. F. G. für Franko Grenze (Franco Gräntze). Daneben tue ich mich aber schwer, in der schwarzen Tinte einen Vermerk von Österreich zu sehen, die praktisch nie mit dieser Tinte schrieben und auch kein "x" hinter ihre Kreuzer zeichneten ...

    Ergäbe denn die Rötelnotiz einen Sinn? Was hätte der Brief denn bei direkter Leitung nach Preussen gekostet, nur mal so zum Vergleich.

    Was bedeutet der Vermerk oben rechts in roter (preussischer?) Tinte?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    Der Ort des Abschlags des RUS - Stempels ist todsicher?


    Todsicher ist das nicht, van der Linden gibt für diese Stempel die Verwendungsorte Brody, Lemberg und Rawaruska an. Da ich Belege habe, die in Brody mit einem RUS-Stempel ohne Punkt (im vdL nur in späteren Jahren für Krakau aufgeführt) gestempelt wurden, habe ich - angedeutet durch "meiner Meinung" nach - diesen Stempelabschlag dem sicher durchlaufenen Postamt Lemberg zugeordnet. Aber diese Zuordnungen stehen natürlich auf recht wackeligen Beinen.

    Der Absender notierte m. E. F. G. für Franko Grenze (Franco Gräntze). Daneben tue ich mich aber schwer, in der schwarzen Tinte einen Vermerk von Österreich zu sehen, die praktisch nie mit dieser Tinte schrieben und auch kein "x" hinter ihre Kreuzer zeichneten ...


    Franko Grenze macht Sinn.
    Da Preußen keine schwarze Tinte verwandte, würde ich schon auf eine österreichische Notierung tippen. Die rückseitige 12 scheint mit ähnlicher Tinte notiert zu sein. Wer sonst?

    Ergäbe denn die Rötelnotiz einen Sinn? Was hätte der Brief denn bei direkter Leitung nach Preussen gekostet, nur mal so zum Vergleich.


    Bei einem österreich-preußischen Brief wären 8 1/2 Sgr. das preußische Porto.
    Bei einer russischen Leitung direkt nach Preußen wäre der russische Portoanteil etwas niedriger, der preußische ebenfalls niedriger.

    Was bedeutet der Vermerk oben rechts in roter (preussischer?) Tinte?


    Den kann ich nicht erklären. Ich meine dort so etwas wie "3 fr G(r)enzRu" zu lesen. Macht so keinen Sinn. Es sei denn, der Absender hat notiert, was er gegenüber der direkten Leitung nach Preußen mehr zu zahlen hatte.
    Es handelt sich auch nicht um die typisch preussische Tinte.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    ein schwieriger Brief. Mir machen die 10x und die 12 Kopfweh. Österreich hat damals in Rötel notiert, aber nichts, was sie bekommen hätten, denn das machte ja beim Grenzfrankozwang keinen Sinn (welchen Preussen sollte das interessieren, was Russland an Österreich weiterfrankiert hatte).

    Die Differenz 12x zu 10x könnte mit rheinischen Kreuzern (12) zu Conventionskreuzern (10) erklärt werden, auch wenn ich nicht genau weiß, wie.

    Was Nils dachte, dachte ich auch zuerst, aber die hätten das glaube ich nicht so notiert (aber das steht auch auf wackeligen Füßen).

    Tipp von mir: Zum James schicken und schauen, ob was Gescheites raus kommt. Die 20 - 30 Euro machen den Bock auch nicht fett.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    vielleicht hatte ich es unklar beschrieben:
    Russland hat nur bis zu seiner Grenze frankiert (mit Österreich Vorvertragszeit).
    Im PV von Österreich-Preußen war festgelegt, dass Preußen für diese Briefe 10 Kr. CM an Österreich zahlt. Preußen hat dies dann von den Empfängern wieder eingezogen.
    Taxis war garantiert nicht involviert.
    Das erklärt jetzt nicht die rückseitige 12, aber eine rückseitige Portoforderung macht auch keinen Sinn.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    passt eigentlich nicht in die Metternich - Politik Österreichs, nur Briefe frei eigener Ausgangsgrenze zu akzeptieren. Dass man Post aus dem Ausland ohne Vertrag akzeptiert, ist auch ein Umstand, der absolut unüblich ist. Da kommt einiges zusammen.

    Ich bleibe dabei - dem James mal ne Kopie schicken und anfragen. Dann hier posten, ob etwas erhellendes dabei heraus gekommen ist. Hoffen wirs mal!

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    da ich in Sifi einen kleinen Posten russisch-österreichischer Briefe erwerben konnte:
    Es gibt Briefe nach Galizien (auch aus 1830er Jahren), die eine österreichische Taxe in schwarzer Tinte aufweisen.
    Vielleicht wichen die postalischen Gewohnheiten in diesem östlichen Kronland etwas von denen in den westlichen Gebieten ab!?

    Viele Grüße
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ralph

    Österreich hat ja sein Geld bekommen, die waren niemals dagegen. Ob die Österreicher einen Vertrag mit Russland brauchte ist nicht sicher weil Österreich hier so wie so das Geld von Preussen bekommen hat. Und eben die Transite waren ja sehr beliebt.
    Die Frage ist in diese Zusammenhang wie den Austausch geregelt war. Aber wenn man etwas will klappt es ja normalerweise wenn die Möglichkeiten vor uns liegen.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Lieber Michael,

    oh, im "Bundle" gekauft, das ist natürlich immer klasse! Es mag sein, dass dort andere Usancen galten, als im Rest des Reiches; so wie es aussieht, wurde dort tatsächlich mit Tinte gearbeitet - spannende Sache.

    Hallo Nils,

    ja, die werden schon ihr Geld bekommen haben, aber warum man nach 1815 so lange brauchte, um einen PV zustande zu bekommen? Sonst waren sie ja auch schneller, wenn es der eigenen Kasse diente ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    ja, die werden schon ihr Geld bekommen haben, aber warum man nach 1815 so lange brauchte, um einen PV zustande zu bekommen? Sonst waren sie ja auch schneller, wenn es der eigenen Kasse diente ...

    Hallo Ralph

    Das kann ich natürlich nicht beantworten. Ob Russland oder Österreich der langsame war weiss ich auch nicht.
    Aber falls Österreich nichts für den Transit holen konnte und trotzdem Briefe aus Russland mit Verdienst nach Preussen bringen konnte war es ja auf jeden Fall ein guten Anfang. Wie es für die Briefe in der Umgekehrte Richtung war weiss ich nicht.
    Es gibt ja mehrere "vertragslose Leitwege" nach 1814 und es gab sicher mehrere Grunde dafür. Leider kenne ich die österreichische Verbindungen mit Russland nach 1814 nicht.
    Hoffentlich bringt jemand einmal Licht ins Dunkeln

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    der umgekehrte Weg wäre ja ein preussischer Brief über Österreich in den Süden Russland. Michaels Brief lief aber nicht mal in den Süden Russland, von daher ist der gewählte Laufweg schon sehr sonderbar. Einen Preussenbrief über Österreich nach Russland kenne ich vorbehaltlich meines suboptimalen Gedächnisses gar nicht.

    Wenn man die Entfernungen sieht, kostete ein Auslandsbrief nach Poststationen 14x CM in Österreich, so dass ich erwartet hätte, dass diese Transitbriefe auch diese 14x CM gekostet hätten. Desweiteren wäre es interessant zu wissen, in welcher Währung Österreich mit Preussen hier abgerechnet hat - Gutegroschen (1815 laufend ohne Vertrag), Silbergroschen (wann mit Österreich als Verrechnungswährung fixiert?), oder gar in österreichischer Währung? Reichswährung wäre auch nicht auszuschließen, als kleinster Nenner gewissermaßen.

    Auch wenn es keine Postverträge gab, bedeutete das ja nicht, dass jede Postverwaltung machen konnte, was sie wollte. Es muss also in Preussen und Österreich Absprachen gegeben haben, die ihren Niederschlag in Absprachen, wenngleich nicht in ratifizierten Verträgen gefunden haben mussten. Da die Lage in den preussischen Archiven gut ist, bei Österreich kann ich das nicht sagen, wäre zu erforschen, auf Grund welcher Absprachenbasis hier vorgegangen wurde.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,

    um die vertragliche Situation mal etwas klarer darzustellen, hier mal die relevanten Passagen aus dem österreichisch-preußischen Vertrag von 1820.
    Zunächst der Einleitungsabschnitt und der darunter folgende Abschnitt bezüglich der Leitung preußischer Post nach Südrussland:

    Die Gegenrichtung, also von Russland nach Preußen, wird hier nicht erwähnt.
    In dem Artikel hinsichtlich der Vergütung (III.Classe) wird diese Leitrichtung dann aber ausdrücklich zitiert:

    Gruß
    Michael