Die schnelle Reichspost

  • Es gibt da einige Zusammenhänge, die ich nicht verstehe. In der Literatur zur Reichspost (Dallmeier, Behringer etc) wird stets die Schnelligkeit der taxisschen Post von bis zu 120 km pro Tag gepriesen
    und dagegen das Bild vom hinkenden, halbblinden, Analphabeten als Boten entworfen, der durch Europa irrt und vielleicht auf einer Strecke, die Taxis in 7 Tagen zurücklegt in 4-6 Wochen ankommt.
    Rücken wir das etwas in die Realität, dann kämpfte Taxis mit seinem Privileg nicht gegen solche bedauernswerten Geschöpfe (die es vielleicht gar nicht gab) sondern gegen die gut organisierten städtischen
    Botenanstalten von Nürnberg, Augsburg etc.

    Und jetzt kommt das, was ich dabei nicht verstehe: was nützt mir ein raketenartiger Antrieb von 120 km pro Tag, wenn andererseits diese Rakete nur einmal in der Woche startet? Denn wie schreibt Behringer in seinem Buch Thurn und Taxis S. 116 so treffend:
    "Bereits in der Mitte des 16. Jhs hatte sich der wöchentliche Turnus der Taxis-Post auf der damaligen Hauptroute eingespielt. ... dieser wöchentliche Rhythmus war mehr als zweihundert Jahre lang beibehalten worden."

    Da ist es dann doch mindestens genauso gut, wenn der Kurs der Nürnberger Stadtboten Nürnberg - Hamburg, oder Nürnberg - St. Gallen - Lyon zweimal in der Woche geht.
    Wenn ich mit meinem Brief 6 Tage auf Abfertigung warten muss, ist es auch schon egal ob er dann 120 km pro Tag zurücklegt.
    Seh ich das falsch oder ist die Taxisschnelligkeit tatsächlich nur eine Schimäre?!

  • Hallo johelbig,

    Da ist es dann doch mindestens genauso gut, wenn der Kurs der Nürnberger Stadtboten Nürnberg - Hamburg, oder Nürnberg - St. Gallen - Lyon zweimal in der Woche geht.


    wie unser admin nils immer so schön zu sagen pflegt, habe ich ein bischen "research" gemacht und bin bereits mit zwei, die o.a. Annahme stützenden Hinweisen fündig geworden. Zwar nicht mit den o.a. TuT-Strecken, aber wie bspw. anbei mit Köln-Hamburg > siehe Kapitel "Einleitung"

    http://wiki-de.genealogy.net/Kaiserliche_Post_zu_M%C3%BCnster

    Auch in dem netten heimatkundlichen Beitrag anbei sieht es jedenfalls nicht so aus, als ob es auf den TuT-Strecken (hier Stuttgart- Schaffhausen) nur zum Einsatz von "Gschwindkutschen" gekommen ist, sondern auch von mehrfach wöchentlich verkehrenden "Landkutschen"

    Heimatkundliche Blätter Balingen - Nr 24 aus dem Jahre 1977, zu finden als pdf hier:

    http://www.heimatkundliche-vereinigung.de/Heimatkundlich…er,129,126.html

    vgl. hier insbesondere Seite 100.

    Interessant finde ich auch den Beitrag hier zu den Schnell- und Eilposten > hier Kapitel 3, §30, Seite 250ff.

    https://books.google.de/books?id=HnBRA…%20Post&f=false


    + Gruß !

    vom Pälzer :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    2 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (21. Juli 2017 um 19:58)

  • Lieber Achim,

    ich denke, dass die Antwortzeit eine Rolle spielt.

    Wenn die Post alle 7 Tage ankam, sagen wir mal morgen um 10.00 Uhr, aber abging um 18.00 Uhr, dann hatte man taufrische Nachrichten, die man innerhalb von 7 1/2 Stunden beantworten sollte (eine halbe Stunde vor Postabgang sollten die Poststücke ja aufgegeben worden sein).

    Es brauchte dann keines weiteren Postenlaufs 3 oder 4 Tage später, weil dann die Taxispost den Brief schon längst auf die Reise gebracht hat. Das Intervall von einer Woche war m. E. schon ausgeklügelt gewählt und wohl nicht dem Zufall überlassen.

    120 km am Tag entsprachen ja einer Geschwindigkeit von 5 km/h und das war sicher im Bereich eines schweren Wagens bzw. eines leichten Läufers/Boten. Eine Konkurrenz wäre Taxis wohl nur dann erwachsen, wenn die Regelmässigkeit anderer Boten ihr das Wasser abgegraben hätte, aber da war wohl der Kaiser vor.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Achim
    Bei 120 km pro Tag in 16 Jh, denke Reit– als ein „Extraordinari Postdienst“ davor von mir gesehen, was
    a, für die Feudalen und Geistlichen ein kostenlose Privileg
    b, von Händler selten genutzte Versendungmöglichkeit
    c, Privaten Personen wegen die Kosten gr. Seltenheit oder gahrnicht möglich war
    Ich sehe es wie Ralph, bei langen Strecken hat das Antwortzeit eine Rolle gespielt wenn es nur um einwöchentliche Ritt ging.
    So ein Regelmäßiges Dienst auf die Hauptwegen zum 1 dann 2 – 3 wöchentliche normale Briefpost/Fahrpost Versendung anbieten und der Gewinn danke Kaufmannschaft erhöhen a, bessere Vernetzung mit weitere Städte b, mehr Personal und Straßenhaltung/bau c, Konkurrenzzerstörung mit Verbote wie erlaubte Wagenbreite, Nutzung von Poststraßen, Versuche um Erlaubnisse in Städte ein Posthalterei/Amt eröffnen damit die Private und Städtische Versendung beschränken und zerstören mit Verböte wie Tiere Wechsel oder Umladung, verschiedene Steuer, Briefesammeln usw.
    Das war ein Jh lange Prozess also wegen fragliche Geschwindigkeit aber auch Sicherheit, Vertrauen, Entschädigungen hatte Reichspost schlechte Karten gegenüber andere Botenwesen.

    Von dir erwähnte Literatur kenne ich nicht, also ohne Vergleich.

    Caesar reiste mit seine Rheda am Tag 150km, auf die Römerstraßen die ohne Kurven gebaut würden, führten Personen und Warenwagen die für jedermann auch Post/Wachstafel transportierten und man kannte Briefkasten. Ein wenig amüsant... aber so schön ist halt die Postgeschichte :)
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt