Bayerische Desinfektionsstempel

  • Hallo André,

    gerade das Verstehen der Leitwege und der damit verbundenen Porti macht das Ganze doch erst richtig interessant. Weiter so!! Ich freue mich auf weitere interessante Belege.

    beste Grüße

    Dieter

  • Hallo liball,
    das sind wirklich sehr interessante Briefe. Vielen Dank auch für die Angabe zum Verwendungszeitpunkt.

    -.-.-.-

    Hallo Dietmar,
    von dem schwarzen Stempel "Koenigl. / Bayerisches / Sanitaets Siegel" abgesehen, findet man Belege mit den anderen Stempeln fast ausschließlich auf Auktionen. Daher habe ich auch noch nicht viele bayerische Briefe in meiner Sammlung. Ich hatte gerade einen mehrseitigen Artikel über Desinfektionspost für den Rundbrief der ARGE Spanien geschrieben. Leider ist es auch dort so, dass man als Vorphila-Sammler ein Exot ist.

    -.-.-.-

    Hallo Dieter,
    Meine Bayern-Briefe sind nun fast erschöpft. Nachfolgend ein Beleg mit dem Desinfektionsstempel von Waldsassen, mit dem ich mich bisher noch gar nicht weiter beschäftigt habe, da er mir zu kompliziert schien. Er lief von Prag nach Wiesbaden. Obwohl das Stempeldatum wie 15. November 1833 aussieht, müßte er aus dem Jahr 1831 stammen.

    Beste Grüße
    André

  • Hallo André,

    der Absender zahlte 16 Kr. Conventionsmünze bis zur Grenze Bayerns und 4 Kr. CM für die Recommandation.

    Nürnberg notierte 12 Kr. rheinisch für den Transit durch Bayern.

    Frankfurt (auch blaue Tinte) reduzierte diese in 3 Batzen und setzte 1- = 1,5 Batzen für Taxis bis Wiesbaden an.

    Mit dem Bestellgeld von einen halben Batzen ergab sich in Rötel das Gesamtporto von 4 1/2 Batzen.

    Oben links und rechts stehen die Reco - Nummern.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,
    ich bin mal wieder beeindruckt, wie Du das "aus dem Ärmel schüttelst". Dann kann ich mich bei Gelegenheit einmal ran machen, und schauen ob ich die entsprechenden Gebühren auch in den Postverträgen wiederfinde.
    Herzlichen Dank!!!
    André

  • Hallo,

    bei diesem Brief aus Schärding nach Kufstein vom 25.10.1831 liegen sowohl der Absende- als auch der Empfängerort in Österreich. Trotzdem wurde das bayer. Sanitätssiegel abgeschlagen.
    In § 1 der Ersten Separatartikels zum PV Bayern-Österreich von 1819 hatte Bayern den Transit aus dem Salzburger Gebiet nach Tirol durch das Berchtesgadener Land unentgeltlich zugesagt. Auf diesen Briefen kommen weder ein Transitstempel noch ein bayer. Gebührenansatz vor.
    Dokumentiert werden kann dieser Transit nur im Cholerajahr 1831. So wurde in Freilassing auf der Rückseite der bayer. Sanitätssiegel in schwarz gestempelt.
    Derartige Briefe sind nur schwer zu finden.

    Grüße von liball

  • Da inzwischen alle meine Briefe mit bayerischen Desinfektionsstempel gezeigt sind möchte ich heute den Beleg eines guten Freundes aus Israel vorstellen. Dieser wurde 1831 von Triest nach Francomont in Belgien geschickt und zweifach desinfiziert: er trägt den roten bayerischen Desinfektionsstempel sowie rückseitig das Fragment der Reinigungsbestätigung der Sanitätskommission von Verviers.

    Meine grobe Prognose für den Laufweg des Briefes: Triest - Bayern (?-Augsburg-Nürnberg-Aschaffenburg) - Frankfurt (T&T) - Coblenz - Köln - Aachen - Verviers - Francomont


    Josef Lentner führt in seinem Beitrag "Das Briefräuchern in Bayern bei Seuchengefahr" (Archiv für Postgeschichte in Bayern, Heft 1964/II, Seite 60) aus:
    "Weiter wird gemeldet, daß Triest und das Küstenland in den Italienischen Sanitätscordon aufgenommen sey; dadurch erklärt sich, daß Briefe welche von Triest über Innsbruck hier eintreffen, nicht gereinigt werden, währenddem jene, welche über Laybach und Spitel durch Post-Routen außer dem Cordon hier einlangen, jederzeit vollständig gereinigt sind."

    In der einschlägige Literatur wird die Verwendung des roten bayerischen Desinfektionsstempels für Ziegelhaus (bei Lindau) und Augsburg vermerkt. Hierzu zwei Fragen:
    1) Die Reinigung von Briefen erfolgte entsprechend den Verordnungen unmittelbar bei Eintritt nach Bayern. Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang Augsburg zu, welches doch weit im Landesinneren liegt? (Mir ist bekannt, dass Augsburg einen Briefpaketschluß zu Straßburg hatte, doch die Schutzmaßnahmen in Bayern richteten sich gegen Polen, Galizien, Rußland, Ungarn, Österreich, Sachsen und Preußen – Frankreich war erst wesentlich später von der Cholera betroffen).
    2) Über welche Postroute könnte der Brief aus Triest nach Bayern gekommen sein?

    Auf der beigefügten provisorischen Karte habe ich mal versucht einige Informationen bildlich darzustellen:
    - in Blau die Orte, die individuelle Sanitätssiegel verwendet haben
    - in Rot die Orte, die das "allgemeine" bayerische Sanitätssiegel verwendet haben
    – in Grün, Grenzorte an Postrouten, die Briefdesinfektion durchgeführt haben, für die jedoch keine Postsendungen mit Sanitätssiegel belegt sind
    - in Ocker, Rastellstationen an Postrouten, bei denen ungewiss ist, ob Briefdesinfektion durchgeführt wurde
    Hinweise zu Fehlern bzw. Ergänzungen nehme ich gern entgegen.

    Beste Grüße
    André

  • Hallo André,

    1) Die Reinigung von Briefen erfolgte entsprechend den Verordnungen unmittelbar bei Eintritt nach Bayern. Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang Augsburg zu, welches doch weit im Landesinneren liegt? (Mir ist bekannt, dass Augsburg einen Briefpaketschluß zu Straßburg hatte, doch die Schutzmaßnahmen in Bayern richteten sich gegen Polen, Galizien, Rußland, Ungarn, Österreich, Sachsen und Preußen – Frankreich war erst wesentlich später von der Cholera betroffen).
    2) Über welche Postroute könnte der Brief aus Triest nach Bayern gekommen sein?

    ad primum: Ich denke nicht, dass man potentiell gefährliche Sendungen erst in Augsburg dekontaminierte; es hätte wenig Sinn gemacht, Postsendungen über teils hunderte von Kilometern ins Land zu lassen, um ihnen dann einen Contumaz - Verdacht anzudichten und sie dann in Augsburg - München oder Nürnberg zu reinigen. Das mit dem Paketschluß Augsburg - Strasbourg stimmt, dürfte aber für deine Sammlung nicht relevant sein.

    ad secundum: Auch wenn ich es nie werde beweisen können (und an den tatsächlichen Leitwegen Bayerns zu Österreich sitze ich schon das ein oder andere Jahrzehnt dran): Ich denke, dass Salzburg - Freilassing - München - Augsburg - Würzburg - Frankfurt - Deutz usw. die richtige Leitung sein müsste. Ich habe aber auch schon Leitungen (nur anhand der Tinte festzustellen) Leitungen über Nürnberg - Würzburg - Aschaffenburg - Frankfurt usw. gesehen.

    Ob dir das jetzt viel hilft, weiß ich aber auch nicht. :rolleyes:

    P.S. Vielen Dank für diese tolle Karte, die ich mir concludenterweise auszudrucken erlaubt habe.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    vielen Dank für Deine lehrreichen Ausführungen. Wenn ich die bei Leitner wiedergegebene Korrespondenz zwischen den offiziellen Stellen verfolge, dann ist man da sehr besorgt, wenn ungereinigte Post aus verdächtigen Gegenden, auch nur kurze Strecken über Bayern laufen, da dies gegen die Vorschriften verstößt. Die Desinfektion österreichischer und preußischer Korrespondenz in Nürnberg scheint in sofern eine Ausnahme zu sein, da diese zu Zeiten durchgeführt wurde, als Kontumazanstalten an den Landesgrenzen noch nicht tätig waren.

    Mir liegen alte DASV-Rundbriefe nur vereinzelt vor. Im Rundbrief 305 (aus 1971) gab es auf Seite 47 die Anfrage eines Sammlers aus Nürnberg zum bayerischen Desinfektionsstempel: "Dieser Cholera-Stempel ohne Ortsbezeichnung verrät nicht das Kontumazamt in dem er verwendet wurde. Die Stempelfarbe ließe auf Augsburg schließen. (Anmerkung: der abgebildete Brief trägt neben dem roten Desinfektionsstempel auch einen roten Auslagen-Stempel von Augsburg) Es ist mir nicht bekannt, daß Augsburg zu jener Zeit eine Kontumazanstalt hatte. Ungewöhnlich scheint mir der Abdruck auf der Briefvorderseite. Könnte der Stempelabdruck aus ZIEGELHAUS bei Lindau stammen, von dem gemäß dem Archivheft für Postgeschichte in Bayern 1964/II bekannt ist, daß dort zu jener Zeit eine Kontumazanstalt existierte?"

    Weiß jemand, ob es in späteren DASV-Rundbriefen Antworten zu der Anfrage gab? War dieser DASV-Beitrag evtl. der Auslöser dafür, daß der rote Desinfektionsstempel auch Augsburg zugeschrieben wurde?


    -.-.-.-

    Kann jemand bei der Entschlüsselung der Taxierung des Triest-Briefes weiter helfen?

    Der rote Querstrich deutet auf einen Teilfranko-Brief hin. Die 25 in Rötel würde ich daher Österreich zuschreiben.
    32 ?
    1 Strich = 1 Batzen ? (Frankfurt?)
    16 1/2 Sgr (Preußen?)
    150 Stuiver (Francomont ?), die beiden davor stehenden druchgestrichenen Taxierungen kann ich leider nicht lesen


    Vielen Dank und beste Grüße,
    André


    P.S.: Ich habe die Karte jetzt um die bayerischen Kreise ergänzt und Augsburg als Desinfektionsort herausgenommen.

  • Hallo André,

    das mit Nürnberg wird seinen Grund in Postverträgen gehabt haben, in denen fremde Postverwaltungen mit ihren Kutschen bis dorthin fuhren und auch bis dorthin das Franko bzw. Porto bezogen. Bei Augsburg kann man das ausschließen.

    25 Kr. CM Österreich
    12 1/2 Sgr. fremdes Porto ab Preußen
    Preußen Transit 4 Sgr. = 16 1/2 Sgr. bis zur Grenze.
    Das waren 140 Stuiver - dazu 10 Stuiver Inlandsporto = 150 Stuiver Endporto.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,

    beim Brief von traumsand muss es sich um einen schweren Brief gehandelt haben. Leider ist nicht die komplette Rückseite sichtbar, da hierauf vermutlich das österreichische Franko geschrieben wurde. Hieraus könnte dann das Gewicht des Briefes abgeleitet und dann die Taxen entsprechend der Postverträge entwickelt werden.
    Ich habe einen fast identischen Brief vom 19.12.1831 angehängt, der in der 1. Gewichtsstufe lag.
    Die Briefe in die Niederlande bzw. Belgien zu dieser Zeit wurden immer bis zur bayerischen Grenze bezahlt. Bei diesem 14 Kr. C.M. (Tarif v. 1.6.1817, II. Stufe über 12 Poststationen). Bayern sandte den Brief im geschlossenen Transit über Taxis nach Koblenz und erhielt hierfür von Preußen 5 gGr. (Art. 19B, PV Bayern-Preußen v. 1816). Hiervon musste Bayern 2 gGr. für den Transit von Aschaffenburg bis Koblenz an Taxis abführen. Von Belgien erhielt Preußen insgesamt 7 gGr. (Art. 35, PV Niederlande-Preußen v. 1817).
    7 gGr. entsprachen 52 1/2 Cent. Zuzüglich 10 Cent Inlandsporto ergab sich aufgerundet ein Gesamtporto von 65 Cent.
    Die oben links von Österreich angeschrieben 10 Kr. wurden von Preußen zu Recht ignoriert, da der Brief bis zur bayerischen Grenze bezahlt war und die angeschriebenen 10 Kr. gem. Art. 9 II. Klasse, PV Bayern-Österreich v. 1819, nur bei Briefen die über das lombardisch Venetianische Königreich gelaufen sind, fällig wurden. Es macht ja keinen Sinn, einen Brief bis zur bayerischen Grenze zu bezahlen und trotzdem eine Transitvergütung von Bayern zu erheben.

    Grüße von liball

  • Hallo liball,
    vielen Dank für den tollen Brief und die ausführlichen Informationen dazu! Ich hoffe, in Kürze ein Bild der Rückseite meines gezeigten Beleges nachreichen zu können.


    Filigrana
    Es ist schon toll, dass man heute Zugriff auf alte Zeitschriften und Bücher bekommt, die früher nur schwer zugänglich waren. Das ermöglicht die Recherche von zu Hause aus.

    Beste Grüße
    André

  • Hallo,

    hier noch ein Brief aus Österreich nach Belgien vom 20.12.1831. Geschrieben wurde er in Mödling, zur Post gegeben wurde er im niederösterreichischen Wiener Neudorf.
    Auch bei diesem Brief wurden 14 Kr. C.M. bis zur bayerischen Grenze bezahlt. Im Gegensatz zum Brief unter Nr. 32 wurde hier das Franko jedoch auf die Vorderseite geschrieben. Das Porto für Preußen und der Transit für Bayern sind identisch mit dem Brief unter Nr. 32.
    Das Inlandsporto war bei einem Brief nach Ostende deutlich teurer als an das grenznahe Verviers, nämlich 30 Cent., daher das Gesamtporto von 85 Cent.

    Grüsse von liball

  • Hallo liball,

    hier würde wohl wieder eine Leitung über Linz - Salzburg/Freilassing - München in Frage kommen. Wäre es abwegig anzunehmen das der Brief über Linz - Schärding/Neuhaus - Passau - Nürnberg gelaufen wäre?

    Wie sieht es mit den beiden Triest-Briefen aus. Ralph hatte ja bereits die Postroute über Salzburg ins Spiel gebracht. Könnten sie ab Spital auch über Innsbruck geleitet worden sein?

    Beste Grüße
    André

  • Hallo traumsand,

    wie Ralph schon geschrieben hat, lässt es sich nur schwer oder gar nicht nachweisen, welche Routen die Briefe genommen haben.
    Ich gehe davon aus, dass die Triest-Briefe die Route über Salzburg genommen haben, die Briefe aus Richtung Wien jedoch über Passau gelaufen sind. Beweisen kann ich es jedoch auch nicht.

    Grüße von liball

  • Hallo liball,

    nochmals besten Dank. Vermutlich messen wir Sammler der Farbe des Stempels heute auch zuviel Bedeutung bei und dem Beamten war es damals egal ob er das rote oder schwarze Stempelkissen benutzte. Da die Schutzvorkehrungen gegen Tirol, Vorarlberg und Italien am 12. Nov. aufgehoben wurden, stellten lt. Lentner auch die Kontumazanstalten Mittenwald und Reisach ihren Dienst ein.

    Bei den abgelaufenen Köhler-Auktionen konnte ich zwei Belege finden, die auch das rote Siegel tragen und für die als Desinfektionsort der Grenzübergang Füssen/Reute angegeben ist.
    - Brief vom Triest nach Verviers
    - Brief vom 27.11. von Turin nach Kempten
    https://www.heinrich-koehler.de/de/_auctions/&…5&viewmode=list

    Laut Lentner "trat die Anstalt bei Füssen nie ins Leben". Andererseits soll in den von Lentner ausgewerteten Unterlagen die Kontumazanstalt Ziegelhaus ab 19. Nov. 1831 (Anweisung über die Aufhebung der Vorsichtsmaßnahmen) außer Wirksamkeit getreten sein. Hier gezeigte Belege stammen jedoch von Ende Dezember.

    André

  • Hallo André,

    Los 4324 lief sicher über Nürnberg, wie ich an der hellblauen 20 erkennen kann.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.