Beförderung von Briefen durch Reisende

  • Ein interessanter bayerischer Vorgang aus dem Jahr 1810. Die entscheidenden Referenten und Minister diskutieren den Sinn und Unsinn einer Verordnung, die Reisenden verbieten soll Briefe zu befördern und zu bestellen. Man sieht, dass sich differenziert und intensiv auseinandergesetzt wird.
    BayHStA / MA3117

    Vortrag über die Annahme von Briefen und Paketen durch Reisende ad Nr. 1420
    verfasst von Schönhammer ad circulandum München 9. oktober 1810

    I. Zum grossen Nachteil der Postanstalten befassen sich viele Reisende mit Annahme von Briefen und Pakets, welche sie entweder unterwegs oder an dem Endpunkt ihrer Reise bestellen -
    Da keine Verordnung bestimmt ausspricht, dass diese Annahme und Bestellungsweisendem Reisenden verboten seien, so nehmen sie keinen Anstand, Briefe und Pakets öffentlich anzunehmen;
    Ein grosser Teil von Individuen sucht diese Gelegenheiten teils um das Postporto zu ersparen teils um gewisse Briefe absichtlich der Post zu entziehen.
    Um diesen Nachteil zu entfernen, schlage ich unzielsetzlich vor:
    1. dass dem Reisenden die Annahme von geschlossenen Briefen und Pakets durch eine allerh Entschliessung verboten werde. (das Wort „geschlossenen“ ist nachträglich eingefügt)
    2. dass ihnen jene Gegenstände mitzunehmen erlaubt werde, welche den Boten und Fuhrleuten bewilligt wurden, z.B. Viktualien, jeder Both Commissionsartikel in offenen Briefen und Pakets.
    3. Dass die Polizeidirektionen und Kommissariate angewiesen werden, auf Anrufen eines höhern postbeamten, wenn ein gegründeter Verdacht vorhanden ist, die Reisenden zu visitieren.
    4. Dass sie bei Entdeckung einer Defraudation nach dem 1 § der Botenverordnung betraft werden. Wolf

    II München 9. Oktober 1810
    ich wünsche
    ad 1 dass der Begriff des Wortes "Reisende" näher bestimmt werde. Wenn z.B. ein Einwohner einer Munizipalstadt aus Grundschaft oder Bekanntschaft den Brief oder Paket eines Verwandten, mit sich in die Hauptstadt oder zurück nimmt, soll dieses auch unter die Postdefraudation gezählt werden?
    In dem Verbot wollte ich übrigens Geld, und Geld vorstellende Ware auch Edelsteine namentlich ausdrücken.
    ad 2 Reisende sollten den Boten ebensowenig in ihr Gewerb greifen, als die Post beeinträchtigen dürfen. Gewöhnlich ist Reisenden nur erlaubt, Rekommandationsbriefe und zwar diese nicht anders als offen mit sich zu führen.,
    ad 3 es bedarf nach meiner Meinung einer deutlichen Erläuterung, wer unter hohen Postbeamten verstanden werde. Mir scheint es jeder Postangehörige sei vermög seiner Dienstpflichten qualifiziert an die Polizeibehörde das Anrufen zu stellen.
    Die Polizei wird den Grund des Verdachtes ermessen, die nötige Rücksicht auf die Personen selbst eintreten lassen und dadurch jeden Missgriff zu erhüten wissen.
    Auch sollte die Polizei angewiesen werden, unangerufen ihre Aufmerksamkeit auf diese Gattung von Postdefraudation zu wenden und nach Befund mit Visitationen zu verfahren.
    Die Gränzmauthstationen oder die Maut und Hallämter durchsuchen ohnehin das Gepäck der Reisenden, Ohne besondere Verdachtsgründe wollte ich keinen Reisenden, den die Mautvisitation ausgehalten hat in die Hände neuer Visitatoren überliefern. Die Mauthbehörden müssten aber angewiesen werden, den Postdefraudationen fleissig nachzuspüren.
    ad 4 trage ich auf die Tarifabstufung nach dem § 4 der Botenordnung sowohl gegen den reisenden als gegen den Aufgeber an München 28.10. 1810 Ebling.

    III Es ist nicht zu leugnen, dass der Gegenstand der vorzuschlagenden verordnung zu den gehässigsten gehört, und den unangemessensten Eindruck hervorbringen werde. Der Vollzug wird immer eine schwere Aufgabe bleiben, besonders in solange, als das Mautsystem nicht verändert und eine Warenbeschau und Durchsuchung der Reisenden vorgeschrieben wird. Meine unmassgebliche Meinung geht demnach dahin, die Sache auf sich beruhen zu lassen, dagegen aber den Lehnrösslern die Annahme und Bestellung der Briefe und anderer den Reisenden nicht gehörigen Gegenstände ausdrücklich zu untersagen und dieses Verbot in die denselben zu erteilenden Patente aufzunehmen.
    Wollte man jedoch auf der angetragenen Verordnung bestehen, so kann dieselbe keinen andern Zweck haben, als die Reisenden durch die Grösse der auf den Übertretungsfall gesetzten Strafe abzuschrecken, die demnach in scharfem Masse angedroht werden müsste.
    Auch sind bei Entwerfung der Verordnung Ausnahmen nicht zu vermerken, z.B. im Falle der Absender eines eigenen Boten mit Briefen und Pakets, der wenn die Briefe auf Trassen, wo kein Postenlauf eingerichtet ist, befördert werden.
    Ebenso müssen die Mautbehörden die Reisenden bei ihrem Eintritt in das Land auffordern ihre verschlossenen Briefe, wenn sie deren bei sich haben, abzugeben, und diese sowohl als die Polizeibehörden angewiesen werden, von Rechtswegen darauf zu setzen, dass kein Brief verschleppt würde und die Visitation auf Anzeige eines jeden Postbeamten oder auch andern Anzeigers bei letzterem jedoch nach Massgabe der vorgebrachten Verdachtsgründe vorzunehmen.
    Die zu erhebende Strafe soll ganz dem Anzeiger oder Entdecker zugeführt werden.
    Schedel München 1. Nov 1810

    IV Ich möchte überzeugt sein, dass der Schaden, welcher dem kgl. Postärar durch die Beförderung der Briefe durch Reisende zugeht, im ganzen sehr erheblich ist. Gewiss ist dieselbe nicht so gross, um einen Beweggrund abzugeben, sich über das gehässige einer Verordnung hinauszusetzen, welche, wenn solche durchgreifend wirksam sein soll, harte Beschränkungen und Massregeln in sich fassen müsste
    Wegen Ersparung des Postporto werden wohl sehr wenige Briefe dem Reisenden mitgegeben in einem Lande wo das Postporto nach Distanzen bestimmt und überhaupt sehr mässig ist. Der Grund zu Versendung eines Briefes mittels eines Reisenden ist fast immer sehr occasionell, und schon um deswillen kann hieraus gar kein erheblicher Nachteil für das Postärar entstehen.
    Ich bin der unmassgeblichen Meinung, dass man über diesen Gegenstand keine besondere Verordnung erlassen solle. Um aber seiner Zeit die noch zu verfassende allg. Postordnung für das Kgr erlassen wird, so soll dieser Punkt in dieselbe aufgenommen werden.
    In derselben wäre aber dieser Gegenstand nicht weitwendig zu behandeln, sondern nur dahin zu fassen:
    "dem Reisenden ist die Mitnahme und Beförderung aller geschlossenen Briefe und Pakete welche zur Aufgabe bei der Briefpost gehören, auf allen Routen, wo kgl. reitende oder fahrenden Posten bestehen verboten. Jene Reisende, welche gegen dieses Verbot handeln, verfallen für jeden Brief oder derlei Pakete in eine Geldstrafe von 10 fl."
    Schönhammer.

    VotumIV
    Der in Frage stehende Gegenstand ist von der Art, dass er äusserst empfindlich auf alle bürgerliche und gesellschaftliche Freiheit, auf alle Klassen des Volkes von der untersten bis zur obersten beim In und Auslande gleich gehässig einwirkt, und beim Vollzug /abgesehen von derselben platten Unmöglichkeit/ vor Schritt zu Schritt gehässiger und ohne Nutzen, drückender werden muss. Selbst ein eminenter Ärarial Nutzen der geradezu verneinet werden kann, ist viel zu gering, als dass er gegen die Würde der Regierung in die Waagschale gelegt werden darf.
    Ich wenigstens erkühne mich dessen nicht, und bin der Meinung dass nie, dass nirgend in einer Verordnung dieses Gegenstandes in Erwähnung geschehe, weder mit weder ohne Restantion? und auf das was Vot II § 2 gesagt wird, muss ich mir zu erinnern die Freiheit nehmen, dass seit dem David dem Urias ein so triftiges Empfehlungsschreiben mitgegeben, die offene rekommandations Schreiben eingeführt, die geschlossenen von keiner weisen Regierung verboten worden. S. meliore Klinkhammer

    Ich schreib um so lieber die Stimmenmehrheit in dieser Sache nieder als ich mich damit gerne vereinige. Ich sehe bei unserer Maut und Polizei Einrichtung gar nicht die Möglichkeiten, wie eine Verordnung der Art gleich wie z.b. in Frankreich, Italien, Österreich mit derselben Strenge durchgeführt werden kann. Ich erkenne bei unserer Verfassung nicht die Notwendigkeit derselben, ich glaube im Gegenteil, dass ein Nachteil, welcher durch Aufgabe von Briefen an Reisende für das Postärar geschieht, dadurch auf eine andere Art vermieden wird, dass durch geringere Posttarife, wie dermal eingeführt wird, jeder Reitz entzogen wird, Privatgelegenheiten zu benutzen. Eine Verordnung zu geben, deren Vollzug nicht denkbar ist könnte ich nie einraten auch und im höchsten Fall das einverstehen, dass dem Lehenrössler verboten wird Briefe mitzunehmen ..... 10.11. 1810 Reverent GD

    Darunter Montgelas

  • Lieber Achim,

    welch wunderbare Quelle hast du da aufgetan? Irgendwie haben sie alle Recht und wie Montgelas gedacht hat, war mir von vornherein klar. Wie ging das damals weiter?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.