• Morsche Tim,

    das ist ein gutes Argument, aber wenn ein Gasthof etwas bedeutender war (bekam eigene Post, bekam Angebote für Speisen, Getränke, Mustersendungen, Warenlieferungen, Drucksachen, Zeitungen für Gäste und sich selbst usw. usw.) ist es unwahrscheinlich, dass der Postbote bei 30 oder 40 täglich eingehenden Postendungen (Brief- und Fahrpost) mit dem Portier individuelle Verhandlungen führte, für wen genau die Sendungen sind, ob die Gäste noch kommen, gerade unterwegs sind, schon gegangen sind usw.. Der Postbote wird seine Poststücke abgeladen und schnell das Weite gesucht haben und wenn etwas krumm lief, dann durfte sich später die Postexpedition darum kümmern, denn Debattierzeit hatte er nicht.

    Aber das ist nur meine Arbeitsthese.

    An Dieters Variante glaube ich auch nicht - die PE Neustadt hätte den Brief NICHT in den Schlitz des Postwaggons werden dürfen - die durften nur ihre Briefpakete der Bahnpost übergeben, sonst nichts.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Morsche Ralph,

    ist es unwahrscheinlich, dass der Postbote bei 30 oder 40 täglich eingehenden Postendungen (Brief- und Fahrpost) mit dem Portier individuelle Verhandlungen führte, für wen genau die Sendungen sind, ob die Gäste noch kommen, gerade unterwegs sind, schon gegangen sind usw.. Der Postbote wird seine Poststücke abgeladen und schnell das Weite gesucht haben und wenn etwas krumm lief, dann durfte sich später die Postexpedition darum kümmern

    alles klar, alles verständlich, aber ich komme immer wieder darauf zurück: Die PE hat sich vorliegend nicht darum kümmern können, weil sie gar nicht mehr involviert war. Der Bote schnuddelt seine Briefe weg, der Portier steht, als der längst weg ist, weil`s der Adressat auch ist dumm da, kann den Brief nicht mehr ordnungsgemäß retournieren lassen. Was macht er ? Geht er auf die PE in Neustadt, um das richtigzustellen ? Nein, er tappt auf den Bahnhof und schmeißt die Nummer einfach in den Bahnpostwagen. Ebenso: Aus den Augen, aus dem Sinn. Alles gut für ihn, der "schwarze Peter" outet sich jetzt unter Plandampf Richtung Ludwigshafen beim Bahnpostler. Ein Retourebrief ohne Retourevermerk, na Klasse. Hat er, so wie ersichtlich und ganz präzise daraufhin gefragt dann vorschriftsgemäß gehandelt ? Wozu schlägt er die längst entwertete Marke nochmals ab ?

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (14. April 2023 um 01:15)

  • Hallo Herrmann,

    dann ist das Gasthaus "Zum Löwen" zum Zeitpunkt der Briefaufgabe offensichtlich nicht mehr - wie ich zuvor recherchiert hatte - in der Nähe vom Rathausplatz (Kuby`scher Hof) gewesen. Der liegt jetzt zwar mit ca. 750 m nicht weit weg vom Bahnhof, damit aber nicht so wie in der Anzeige steht "unmittelbar". Dann war es in dem schon besagten "Szenario" natürlich reichlich einfach, sich der Sache zu entledigen. Unabhängig davon bleibt die Frage, ob die dann erfolgte Weiterbehandlung durch die Bahnpost als vorschriftsgemäß angesehen werden kann noch offen.

    Besten Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Morsche Tim,

    genau so wars!

    Aus der Sicht eines Pfälzer Bahnpostbediensteten warfen die Postkunden in NW sicher ein paar Dutzend Sendungen durch den Schlitz in den Wagen - üblicherweise 08/15 Post. Stempel drauf und wegsortieren, das wars..

    Bei deinem Retourbrief war die Adresse sauber geändert worden, alles gut leserlich, selbst in einem dunklen Bahnwaggon - der violettblaue Stempel auf der Marke war vlt. nicht gut zu erkennen und man entwertete die Marke nochmals mit dem Halbkreiser ("sicher ist sicher!) und ab dafür Richtung Ludwigshafen nach Nürnberg.

    Ich kenne sicher ein Dutzend vergleichbarer Briefe aus dieser Zeit (späte 1860er bis frühe 1870er Jahre), die vom Wesen und der Optik her genau deinem Brief entsprechen - sie wurden auch so behandelt, also mit "neuem" Aufgabestempel versehen und liefen kostenlos zurück. Der Schorsch hat glaube ich sogar so etwas in seinem Angebot, nur markenlos, wenn ich nicht irre.

    Da die Rücksendung von Briefen, die nicht geöffnet worden waren (konnte man ja anhand des Siegels erkennen) kostenlos war, gab es keinen Grund für eine andere Behandlungsweise der Bahnpost und wenn einem der Waggon-Chef (waren meist 3 Beamte dortherinnen) immer wieder eingebläut hatte, alle eingeworfenen Sendungen 2 mal abzustempeln, dann hat das auch unser Bahnpostler hier auch so gemacht.

    Die Vorschrift der Angabe der Rücksendungsgrundes durch einen Briefträger war sicher sinnvoll, aber der Gesetzgeber konnte nicht auf solch schwierige und seltene Umstände in seinem Verordnungstext eingehen, wie wir sie hier hatten und wenn, wie der liebe Hermann schreibt, der Bahnhof kurz vor Ort war, warum sich dann bei der PE Neustadt lange anstellen, nur um einen Brief zurück zu geben, der in NW eh keinen mehr interessierte? Evtl. wäre sogar durch die Warterei dort der Zug abgefahren, in den man ihn so noch schnell einwerfen konnte und wohl auch sollte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    Die Vorschrift der Angabe der Rücksendungsgrundes durch einen Briefträger war sicher sinnvoll, aber der Gesetzgeber konnte nicht auf solch schwierige und seltene Umstände in seinem Verordnungstext eingehen, wie wir sie hier hatten und wenn, wie der liebe Hermann schreibt, der Bahnhof kurz vor Ort war, warum sich dann bei der PE Neustadt lange anstellen, nur um einen Brief zurück zu geben, der in NW eh keinen mehr interessierte? Evtl. wäre sogar durch die Warterei dort der Zug abgefahren, in den man ihn so noch schnell einwerfen konnte und wohl auch sollte.

    ich sehe das anders. Die in der PTO klar als muss formulierte Vorschrift der Rücksendevormerkung mit i.d.R. erfolgter Unterschrift des Briefträgers ist nicht einfach nur "sicherlich sinnvoll" gewesen. Warum ist sie das denn dann überhaupt ? Sie hat m.E. vielmehr richtig Sinn gemacht, nämlich schlicht um Mißbrauch zu vermeiden. Ohne deren strikte Anwendung hätte im Grunde jeder, jeden außer Kurs geratenen Brief als Empfänger öffnen, das Schreiben beantworten, mit irgend einem nichtssagenden Wachssiegel wieder verschließen und wie hier simpelst umadressiert retour schicken können. Dies dann ohne jedwedes Absender/Empfänger belastendes Porto und damit zum Schaden der Post. Der Bahnpostler hat sich damit m.E. im Prinzip vorschriftswidrig verhalten, auch wenn er in eine unglückliche Lage geraten ist. Aber darüber kulant zu entscheiden stand auch ihm nicht zu.

    Schönen Gruß

    Tim

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  • Morsche Tim,

    hier etwas Vergleichbares, wohl um 1870: Brief aus Solnhofen vom 3.9.187? nach Neufraunhofen, Post Velden, wo er noch am selben Tag ankam.

    Dann tat sich 2 Tage lang nichts mehr, ehe man ihn mit korrigierter Anschrift "Haidenburg Post Aidenbach" - ohne Angaben von Gründen - weiter sandte.

    Allein schon vom Datum her müsste er in Neufraunhofen ausgeliefert worden sein. Alternativ lag er im Postfach von Velden, dann kam ein Schreiben, oder eine Depesche, dass er sich seine Post nach Haidenburg nachschicken lassen wollte und auf der Post hat man dann die Adresse des Briefes schnell geändert und ihn weitergeleitet. Zumindest sieht er sehr adrett aus, auch wenn ich nicht weiß, warum die Siegelseite so aussieht, wie sie aussieht ...

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • ...Junge, Junge, Junge !

    Hast Du eigentlich mal getscheckt, wer der Adressat war, do leggst di nieada! :P

    Der wird als nun wahrhaftig vielbeschäftigter Mensch munter durch die Gegend gereist sein, so dass man an seinem Stammsitz in Neufraunhofen nicht immer sogleich gewusst hat, wo er gerade durch die Gegend huft. Das war dann wohl erst einmal zu recherichieren.

    Aus der Quelle oben geht hervor, dass Maximilian von Soden-Fraunhofen (1844-1922) seit 1869 mit Franziska von Aretin auf Haidenburg verheiratet war, das liegt ca. 80 km östlich von Neufraunhofen. Ergo wird er dann wohl bei seinem Schwiegervater...

    Peter Karl von Aretin – Wikipedia

    ...auf Schloss Haidenburg zugegen gewesen sein, wo der Brief dann hin umgeleitet worden ist.

    Gratulation auch zu dem schönen Ziereinkreiser von Velden.

    LG

    Tim :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Tim,

    sauber und vielen Dank für die perfekte Recherche (hätte ich auch in 2 Jahren hinbekommen). ;( ;(

    Ich hatte nur kurz Zeit, weil die Katze abgesessen war und während dieser Sedisvakanz blieb nicht viel Zeit.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.