Österreich - Bayern im Postverein

  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich einen gewöhnlichen Portobrief aus Salzburg vom 24.3.1852 nach Annweiler in der Pfalz. Außer der Tatsache, dass Briefe von Österreich in die Pfalz eh keine Massenware sind, weist der Brief noch 2 Besonderheiten auf, die hier diskutiert werden sollen.

    1. Der Absender, ein Herr Zwanziger, notierte eben seinen Namenszug unten links auf der Adressseite des Briefes. Warum nur?

    2. Die Aufgabepost, hier mit kopfstehendem Abschlag des Stempels wie so oft, notierte völlig korrekt 12x rheinisch an Porto für den Empfänger. Diese wurden in Bayern gestrichen und durch "pro 12 Xr" ersetzt, was ja völlig identisch war mit der 1. Notierung.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    es kommt nicht so häufig vor, dass ich nach über 30 Jahren internationaler PO mit einem Beleg sehr wenig anfangen kann, aber bei dem hier ist es so.

    Er trägt eine 5 Neukreuzer Stempelmarke Österreichs und wurde in Grulich am 22.8.1872 damit frankiert (konnte man denn das mit einer Stempel- statt Freimarke überhaupt?).

    Anbei 1 Paket mit 75 Reichsthaler P. L. in Silber

    Herrn
    Birkner & Hartmann in Nürnberg

    3 Pfund 289 Gramm D(resden?) BHF (Bahnhof)
    3 Pfund 300 Gramm.

    Die obere Rötel kann ich nicht sicher lesen, unten lese ich 3 Pfund 15 Loth (?).

    77 in Blaustift, 32x schwarz udn eine gestrichene 8, die durch eine 9 ersetzt wurde, entsetzen mich weiterhin.

    Die Siegelseite verblüfft mit der P 9 = 9. Progressionsstufe (bitte nachrechnen!), dem Vermerk Dresden frey und einem Stempel von Mittenwalde 22.8.1872. Welches?

    Für Hinweise, die zur Ergreifung der damaligen Täter führen, ist ein feuchtwarmer Händedruck (nicht zu unterschätzen in dieser Jahreszeit) und ein kalter Kaffee ausgesetzt.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • Lieber bk,


    es ist zwar so gar nicht mehr meine Zeit, aber einen Hinweis kann ich doch geben: Es handelt sich bei diesem Dokument um keinen eigentlichen Brief, sondern um einen Paketbegleitschein, für die es später eigene Formulare gab. Diese mussten mit einer 5 Kr-Stempelmarke versehen werden und wurden dann gemeinsam mit den Paketen versandt.

    Die Gebühren, die darauf vermerkt sind, beziehen sich selbstverständlich auf das Paket.

    Der Weg, den dieses Schreiben mit seinem schweren Anhang nahm, ist interessant: In Mittelwalde/Hzgt. Glatz (nicht: Mitten...) dürfte er die Grenze zu Deutschland überschritten haben und lief dann via Dresden nach Nürnberg.

    Sehr interessant und grenzüberschreitend überhaupt nicht häufig!
    Mehr kann ich dazu leider nicht bieten. Ich hoffe aber, ein warmer Händedruck im Herbst (Sindelfingen) geht sich aus. (Kann Ende Oktober auch sehr nützlich sein).

    Liebe Grüße
    Ö-Transit

  • Lieber Ö-Transit,

    vielen Dank für die Anmerkungen zu meinem sonderbaren Beleg. Wie ich ergoogled habe, liegt Mittelwalde (habe es mit Mittenwalde verwechselt) nur wenige Kilometer westlich vom Aufgabeort, war also wohl lokal über die Grenze gebracht worden.

    Solch ein Stück habe ich noch nie gesehen und ich würde mich freuen, wenn hier, mit oder ohne bayer. Relevanz, noch das ein oder andere gezeigt werden könnte.

    Ein warmer Händedruck ist dir immer gewiß - ob in Sindelfingen, oder anderswo. :)

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Bayern Klassisch

    eigentlich ist es nicht mehr meine Zeit. Sollten die Bestimmungen des Norddeutschen Bundes hier noch stimmen, dann paßt einiges.

    Die Entfernung Grulich - Nürnberg beträgt etwa 56 Meilen und entspricht tatsächlich der Progressionsstufe 9.
    Das Paket wird mit 4 Pfund berechnet, also 7/12 Kreuzer * 4 Pfund * 9 PS = 21 Kreuzer, was auch der Mindestfahrposttarif ist. In der Declarartion des Wertes würde ich meinen, dass der Wert mit 75 Thaler P(reussisch) C(ourant) angegeben wurde. Die Werttaxe bei über 50 Meilen und bei den ersten über 50 - 100 Thaler betrug 3 Sgr = 11 Kreuzer. Addiert man die Werte, also Pakettaxe 21 Kreuzer + Werttaxe 11 Kreuzer erhält man 32 Kreuzer.

    Bei der 8 und 9, glaube ich, dass dies Silbergroschen-Taxen sind. 8 Sgr sind falsch und wurden auch mehrfach gestrichen. Vielleicht irritierte die Wertdeclaration.

    Theoretisch wären auch 9 Sgr richtig gewesen, wenn die Sendung im Thalergebiet zugestellt worden wäre, Mindestfahrposttarif 6 Sgr (2 Pfennige * 4 Pfund * 9 PS = 72 Pfennige = 6 Sgr, nach Gewicht) + Werttaxe von 3 Sgr.

    Die 77 könnte eine Kartierungsnummer sein.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Lieber Magdeburger,

    vielen Dank für deine plausiblen Erklärungen. Ich glaube, dass es keine (wesentlichen) Änderungen zwischen der Post des NDB und dem Reich gab, von daher passt das gut.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich ein Kuriosum mit durchaus humoriger Attitüde.

    Ein Österreicher in Häselgehr schrieb am 18.10.1857 an den "Bewohnher Brinzing Haus Nr. 1 zu Gereths - Gerets Post Kempten":

    "Werthe Freunde! Anmit ersuche ich Sie, daß Sie die Güte haben wollen den schuldigen Zins am 9ten November dies Jahres zu meinem eigenen Handen beim Engelwirth Sonthofen bezahlen sollen in deren Erwartung mit Gruß Euer ergebenster Joahn Anton Schwarz".

    Er lief offenbar von Häselgehr nach Immenstadt ca. 70 km, was im Alpenraum des Novembers 1857 (Postaufgabe am 8.11.!) sicher kein Zuckerschlecken war. Dort gab er den Brief unfrankiert auf. Die Immenstadter Post las Kempten und taxierte ihn mit 3x Porto und 3x Portozuschlag = 6x mit Rötel, wie dort üblich. Gerats, Post Kempten, lag bei Waltenhofen, also zwischen Immenstadt und Kempten selbst.

    Am 8.11. kam er auch in Kempten an, konnte jedoch nicht zugestellt werden bzw. war niemand willens und in der Lage, 6x für einen Brief zu zahlen. Vorne links lesen wir: " Haltstelle Oberdorf unbekannt".

    9 Tage später (sic!) leitete man ihn zurück nach Kempten und notierte, jetzt korrekt in blauer Tinte, 6x als Entlastung. Am 17.11. kam er in Immenstadt an und wurde weiter geschickt nach Sonthofen, wo er am 18.11. eintraf, denn man hatte hinten notiert: "Retour an Ant(on) Schwarz Abl(age) beim Engelwirth in Sonthofen".

    Das hatte er nun davon, dass er nicht gleich 6x CM für seinen Brief zahlte, denn er dürfte ja zum Engelwirt später gelaufen sein, um seine Zinsen abzuholen - in dem Fall durfte er aber seinen eigenen Brief für 6x auslösen, was ihm sicher nicht gepasst haben dürfte.

    Der Kartenausschnitt stammt von den vorzüglichen google.maps.

  • Hallo Nils,

    Zitat

    Mit Inhalt mindestens drei mal so interessant als einen ohne :) :)

    so ist es - ohne Inhalt hätte ich ihn aber auch genommen. ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Freunde,

    der geneigte Pfalz - Incoming Mail Sammler wird lange, sehr lange suchen müssen, bis ihm eine Drucksache (DS) aus Österreich in die Pfalz in die Finger bekommt. Sind schon gewöhnliche Briefe von dort nach da schwer zu finden, so kannte ich bisher überhaupt keine DS und hatte den Glauben an eine schon (fast) aufgegeben. Aber eben nur fast ... :D

    Im Jahre 1853 trug es sich im wunderschönen Salzburg zu, dass man eine DS an Herrn Frank in Annweiler schickte, die über das Berchtesgadener Land (Bayern!), Innsbruck, München, Ulm, Karlsruhe, Mannheim und Landau / Pfalz ihren Adressaten erreichte. Nach dem Postvereinsvertrag waren DS entfernungsunabhängig mit 1 Kr. Conventionsmünze zu frankieren, was man auch tat. Ein Transit durch Württemberg und Baden war, um die Pfalz zu erreichen, notwendig, führte jedoch zu keinen Transitvergütungen, denn dann wäre von dem einen Kreuzer nichts mehr übrig geblieben.

    Um es ländermässig aufzuschlüsseln: Österreich, Bayern, Österreich, Bayern, Württemberg, Baden, Bayern.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Nils,

    ja, hatte ich so beschrieben und hat mich ein wenig verwundert.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Nils,

    da hast du recht - aber ich bin etwas in Eile und will die Sachen einstellen, die hier aufgelaufen sind. Nach Sifi wird wieder eine andere Sau durchs Dorf getrieben und dann würde ich diese Strecke hier vergessen. Ich gelobe aber Besserung!

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Sammlerfreunde,

    ganz gut passend zu @bk`s 1A-Österreich-Sahne-Drucksache von Salzburg in die Pfalz darf ich heute einen von der Portostufe mit 9 Kr (CM) her größeren, von der postgeschichtlichen Bedeutung her wohl aber "etwas kleineren Bruder" präsentieren. Er lief Ende August 1856 aus der an der oberen Adria gelegenen Hafenstadt Trieste nach Speyer.

    Absender war das Unternehmen Wessely & Fesce bzw. Wessely & Fesch, welches im Jahre 1832 von mährischen Kaufmann Joseph bzw. Giuseppe Wessely (1781-1861) und dem ursprünglich aus Lahr (Großherzogtum Baden) stammenden Kaufmann Gustav Adolf Fesch (1804-1853) gegründet worden war. Wessely war Manager der Triester Zuckerfabrik Privilegiata Raffineria di Zuccheri Zeiche, Dutilh Tichy & Company.

    Des Weiteren war er Partner des Handelshauses Stainer, Wessely & Heller. Nach dem Tod von Stainer und dem altersbedingten Rückzug von Heller schloss er sich der 52-jährige Wessely im Jahre 1832 mit dem damals 27-jährigen Gustav Adolf Fesch zur Wessely & Fesch Company zusammen. Deren Schwerpunkt lag im Import/Export von Gummi Arabicum und div. Kolonialwaren.

    Das Anlagevermögen war unterteilt zu 65% auf Wessely und zu 35% auf Fesch. Nachfolger des in Folge einer Pockenepedemie verfrüht im Jahre 1853 verstorbenen Gustav Adolf Fesch wurde dessen damals erst 17-jähriger Sohn Emil Eudard Fesch (1836-1904 - siehe Foto). Dem im Jahre 1861 verstorbenen Joseph bzw. Giuseppe Wessely folgte dessen Sohn Enrico Wessely (1827-1896).

    Die Firma konnte sich allerdings nur noch kurze Zeit halten und musste am 28.02.1865 die Geschäfte auflösen. Ein wirklich sehr schöner Beleg von dort, bei dem ich mir allerdings - ganz zugegebenermaßen - nicht den vorderseitig angebrachten Abschlag - NACH ABGANG DER POST - erklären kann. Das dürfte aber für den einen oder anderen Sammlerfreund bestimmt ein Klacks sein... :rolleyes:


    Schönen Gruß

    vom Pälzer


    Vewendete Quellen:
    http://www.rizes.altervista.org/index.php?opti…emid=16&lang=en
    http://www.rizes.altervista.org/index.php?opti…temid=8&lang=en

  • Hallo Pälzer,

    vom Mittelmeer in die Pfalz - ja, so etwas kann man nehmen. :)

    "Nach Abgang der Post" = wurde ein Poststück so kurz vor dem Postabgang eingeliefert, dass es nicht mehr bearbeitet und dem Briefpaket beigeschlossen werden konnte, erhielt die Marke zwar den Datumsstempel des betreffenden Tages, aber abgeschickt wurde er später (in der Regel am folgenden Tag, früher auch mal 1 oder 2 Tage später).

    Dies zeigte dem Empfänger an, dass der Absender seinen Brief (vor allem dann, wenn es um Fristen ging) nicht rechtzeitig aufgegeben hatte, so dass eine Verzögerung nicht zu Lasen der Aufgabepost, sondern zu Lasten des zu spät bei der Post eingeschlagenen Absenders ging.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Sammlerfreunde,

    warum dieser Dienstbrief aus Feldkirch (Österreich) vom 21. April 1860 nicht den kürzeren und damit schnelleren Weg über Lindau nach Immenstadt (Bayern) nahm, kann ich nicht sagen. So dauerte es 4 Tage, denn er lief über Innsbruck (22.4.), Reutte in Tirol (24.4.) nach Immenstadt (25. April).

    Beste Grüße von VorphilaBayern