• Gummierung der ersten Quadratausgaben

    Vielleicht mag die folgende Notiz aus den Akten der OPD München anregend sein (Schachtel 2 a, Nr 614b Nr. 292 Postwertzeichen)

    München 25. April 1850
    Auf die neuerliche Anzeige über angebliche Mangelhaftigkeit des bei den Frankomarken verwendeten Klebstoffes wird den k. Oberpostämtern
    unter Bezugnahme auf die Ausschreibung vom 14. 11. v. Js. Nr 15834 hiedurch eröffnet, dass bei der in Ausführung befindlichen neuen Auflage
    von Frankomarken auf tunlichste Verstärkung des Klebstoffes Bedacht genommen ist."

    Offensichtlich unterscheiden sich also die Auflagen am Gummi. Wie weit das heute noch nachvollziehbar ist, mögen die Spezialisten feststellen.
    Beste Grüße Achim

  • Lieber Achim,

    damit der Inhalt der (alten) Schachtel mit einem Briefchen untermauert wird, zeige ich dir mal einen schmucken Brief aus Bamberg vom 9.8.1850, bei dem man dem bayerischen Gummi nicht traute und mit der Versiegelung des Krieges nicht sparsam umging, sondern auch gleich noch die 2I befestigte.

    Dass mir das Briefchen letzte Woche bei Köhler verkauft werden konnte, spricht ganz klar für diese Technik, denn 166 Jahre Haftung schafft nicht einmal das beste Produkt aus dem Hause Kukident. :D

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo kreuzer,

    ja, zwar andere Handschrift / Absender, aber die Probleme waren wohl dieselben, die Achim schon ansprach.

    Vlt. machen wir mal einen eigenen Thread auf, der diese Besonderheit(en) aufzeigt? Du bist doch Moderator, da geht das doch einfach. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Guten Abend zusammen,

    ich habe mal eine echte Dusseltierfrage zur Herstellungstechnik: Wurden die ungezähnten Kreuzerausgaben vor oder nach dem Druck gummiert ?

    Schönen Gruß

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Tim,

    da ich noch nicht zuhause bin, weiß ich nicht, was im RB 66 steht.

    Aber die Frage, ob vor dem Druck gummiert wurde, beschäftigt mich auch schon längere Zeit.

    Da es damals üblich war, nass (in feuchtes Papier) zu drucken, frage ich mich, wieso

    vorgummierte Bögen nicht zusammenklebten.

    Aber offensichtlich wurde vor dem Druck gummiert, denn im „Nachweis über den Verbrauch des Papiers zum Druck der Francomarken“ (abgebildet im Buch von Helbig/Vogel über den Schwarzen Einser) werden 14570 Halbe Bogen „gummiert unbedruckt“ aufgeführt.

    Auch die erste Auflage der „Sitzenden Helvetia“ (1854) wurde in der Druckerei Weiß in München gedruckt und ich erinnere mich, dass aus einem Dokument in einem Schweizer Archiv hervorgeht, dass vor dem Druck gummiert wurde.

    Ich suche Dir das Zitat am Wochenende heraus.

    Hilft das?

    Beste Grüße

    Will

  • Lieber Will,

    ich habe mich jetzt wirklich gestreckt... ^^ ...und den RB 66 aus dem Regal gezogen, aber aus dem von Dietmar - angegebenen Artikel geht das leider leider nicht hervor. Zuerst wird beschrieben, dass eine Druckpresse 300 Bögen täglich drucken konnte, dass man dazu 2 Drucker, 1 Gummierer, 1 Buchbinder zum Aufspannen und 2 Gehilfen brauchte.

    Die Gummierungsmasse bestand aus 6 Pfd Gummi arabica + 1 Pfd Zucker, welche bei gelinder Wärme in 12 bayer. Mass Wasser innerhalb von 24 h aufgelöst und dann mit 6 Zoll langen und 2 Zoll breiten Sammtbürsten auf die Bögen aufgestrichen und dann zum Trocken aufgespannt wurden. Von vor oder nach dem Druck ist da leider keine Rede.

    Ich stelle die Frage deswegen, ob es so wie bei späteren BY-Ausgaben zu sog. Leimflecken gekommen sein kann, die nach dem Druck keine Farbe angenommen haben. Habe da gerade eine interne Diskussion mit unserem Plattenfehler in der wir uns mittlerweile etwas im Kreis drehen. Danke auf jeden Fall für den Hinweis im Dr. Helbig/Vogel, das hatte ich auch durchgeblättert, die von Dir zitierte Stelle aber übersehen. Aber so richtig klar scheint mir die Sache nicht zu sein.

    Schönen Gruß!

    Tim

    ...und nochmals recht herzlichen Dank für Deinen äußerst erhellenden Beitrag zur 18 Kr rot in Straubing, ist doch immer wieder schön, wie`s in unserem Sammelgebiet einen noch 180 Jahre später stutzig machen kann 8o

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (5. Juni 2023 um 21:48)

  • Ein sonniges Hallo in die Runde!

    Nur mal so ein spontaner Gedanke....:

    Die Bayern waren ja doch eher sparsam damals ;) Würde man das Papier vorher kostenaufwändig gummieren und eventuelle Ausschussproduktion verteuern....

    Oder gummiert man nur die gelungenen Drucke?

    Von der 1Kr-schwarz gibt es doch diese Ausschuss-Drucke.... haben die Gummierung?

    Grüße

    Andreas

    Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (Lenin nachgesagt)

  • Lieber Tim,

    … Auch die erste Auflage der „Sitzenden Helvetia“ (1854) wurde in der Druckerei Weiß in München gedruckt und ich erinnere mich, dass aus einem Dokument in einem Schweizer Archiv hervorgeht, dass vor dem Druck gummiert wurde.

    Ich suche Dir das Zitat am Wochenende heraus.…

    hat jetzt etwas länger gedauert, aber ich bin fündig geworden.

    Urs Hermann zitiert in seinem Buch über die Sitzende Helvetia aus einem Brief von Weiss an das eidgenössische Postdepartement vom 01. Juli 1852:

    „Der Klebstoff muss vor dem Drucke aufgetragen seyn, theils wegen der Fäden im Papiere, theils weil, wenn nach dem Drucke aufgetragen, sich sonst die ganze Prägung verzogen hätte.“

    Das ist doch eine eindeutige Aussage, oder?

    Es war wohl auch effizienter, ganze Bögen vor dem Druck zu gummieren, als nach dem Druck die halben Bögen.

    Beste Grüße

    Will

  • Guten Morgen lieber Will,

    vielen Dank für die Mühewaltung, und genau so ist es: Es ist nicht wie leider so oft in der Philatelie einfach so dahergesagt, sondern eine klar nachvollziehbare fachtechnische Begründung. Vorliegend on top sogar noch aus der "Echtzeit".

    Ich sende an anderer Stelle dann die Tage einmal die Marke, wo ich mit Plattenfehler die - somit denkbare - Option "Leimfleck" jetzt weiter diskutieren kann, evtl. kann ja jemand in der Zwischenzeit ein in diese Richtung interpretierbares Stück im Forum zeigen.

    Vielen Dank Dir mal wieder und besten Gruß

    Tim :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Tim,

    die Frage, ob vor oder nach dem Druck gummiert wurde, hat mich ein Jahr lang beschäftigt, aber aus einem anderen Grund.

    Bei Marken mit vorne liegendem Seidenfaden musste ich im Forum und in der Literatur immer wieder lesen, dass Drucker hier den Bogen verkehrt herum eingelegt haben.

    Ich habe schon im Beitrag #422 im Thread Mi4I geschrieben, dass ich das für falsch halte.

    Mit dem Papiernachweis und dem Brief von Weiß an das Postdepartement der Schweiz ist wohl jetzt eindeutig geklärt, dass vor dem Druck gummiert wurde.

    Damit ist auch geklärt, dass

    1. ein Drucker sofort erkannt hätte, dass die falsche (gummierte) Seite oben liegt,

    2. eine in die Gummierung gedruckte Marke nicht beständig gewesen wäre. Bei abgelöstes Marken wäre der Farbdruck verschwunden (siehe Leimflecken) und

    3. es zudem ein Probleme beim Verkleben der Marke gegeben hätte.

    Die Mähr vom falsch eingelegten Druckbogen durch Drucker sollten wir also ad acta legen.

    Bei der Herstellung des Seidenfadenpiers (bei einer Dicke von 0,04 bis 0,1 mm) kam es prozessbedingt immer wieder dazu, dass der Seidenfaden auch vorne zu liegen kam (in einem Bogen ist er evtl. mehrmals von hinten nach vorne und zurück gewandert).

    Ein vorne liegender Seidenfaden ist daher wie bei der Bayernbrüchigkeit mMn weder wertmindernd noch wertsteigernd. Er ist einfach prozessbedingt.

    Beste Grüße

    Will

    Einmal editiert, zuletzt von Bayern-WB (15. Juni 2023 um 22:09)