2. Die Zustellung an den Absender erfolgte offensichtlich ohne Absenderangabe (kein Stempel, kein Siegel). Das bedeutet, dass die Würzburger Post den Absender a) entweder über seine Handschrift, oder b) über seine Korrespondenz kannte. Alternativ wäre auch c) möglich, dass man den Brief im Postlokal von Würzburg "aussteckte" in einem Schaukasten. Kam dann der Absender vorbei, konnte er ihn wieder mitnehmen, wenn man nachprüfen konnte, dass er von ihm war.
Aus der Postordnung:
Rücksendung unbestellbarer Briefpostsendungen.
Briefpostsendungen, deren Adressat nicht zu ermitteln ist, gehen unter Angabe des Grundes und ohne Anrechnung einer eigenen Rücksendungsgebühr an den ursprünglichen Aufgabeort zurück, und werden daselbst, falls der Absender unbekannt ist, 4 Wochen lang vor dem Expeditionsbureau ausgestellt. __ Nach Ablauf dieser Frist werden sie von einer Commission des Oberamtes der Aufgaberost geöffnet, und dem Absender zurückgegeben. Alle für die Hinsendung darauf baftenden Porto- und andern Auslagen ist der Absender zu zahlen verpflichtet. Bei Postanweisungen wird der einbezahlte Betrag, nicht aber die Beförderungsgebühr dem Absender zurückerstattet.
Zu Molitor: In Würzburg bestand das Schnitt- und Modewarenhandelshaus Molitor, August bzw. Joseph Molitor, bis in die 1870er-Jahre (Spezereiwaren gab es dort ebenfalls).
Da ein Alfred Molitor in den Adressbüchern von Würzburg nicht genannt wird, ist davon auszugehen, dass Alfred ein Sohn von August bzw. Joseph Molitor war. So findet sich in Schulverzeichnissen ein Alfred Molitor geb. 11. Dez. 1843. Leider ist dieser bereits am 15. Jan. 1872 zu Heidelberg mit 28 Jahren verstorben. Da nach dieser Todesanzeige keine "Treffer" mehr zu Alfred Molitor in google books gibt, wird das wohl der Adressat gewesen sein.
Demnach gehe ich davon aus, dass - was damals üblich war - der Sohn den Kaufmannsberuf seines Vaters erlernte und als Reisender für die Vatersfirma unterwegs war. Molitor war also in Würzburg bekannt, sicherlich auch auf der Post.
Im nachfolgenden Brief(umschlag) ist eine Hotel-Adresse in Frankreich * angegeben. Besonders interessant ist die Briefaufgabe im Stadtpostamt Würzburg, was am Mühlradstempel (kl. Type 598) und dem Aufgabestempel - Zweikreisstempel mit Zierstücken (bekannt seit 1848) erkennbar ist.
Sicher wird es weitere Briefe an Alfred Molitor geben.
Luitpold
* Saint-Jean-de-Luzv https://de.wikipedia.org/wiki/Saint-Jean-de-Luz
aus Brockhaus 1894
Saint Jean de Luz (spr. ßäng schang d' lühß), Hafenstadt im Arrondissement Bayonne des franz. Depart. Niederpyrenäen, in der Landschaft Labourd, an der Bai von S. J. d. L. des Golfs von Gascogne, an der Mündung der Nivelle und der Linie Bayonne-Jrun der Südbahn, hat (1891) 2844, als Gemeinde 3856 E.,
aus "Südfrankreich und seine Kurorte" (1869)
St.-Jean de Luz. Die Station ist von der Station Biarritz 13 Kilom. entfernt und wird von der Bahn in 22 Min. (Express) oder 30 Min. zurückgelegt. Eine Fahrstrasse führt an Bidart vorbei (wo sie mit der Fahrstrasse von Bayonne zusammentrifft), über (10 Kilom.) Guéttary, ein ächt baskisches Dorf, hauptsächlich von Seeleuten bewohnt; nach (16 Kilom.) St.-Jean.
Gasthöfe: *Hótel de France, *de la Poste. Viele Maisons meublées und ein Casino. Zur Badestelle ein Omnibus.
Ach ja, die Adresse ist in französischer Sprache abgefasst, was soweit ich gelesen habe, nur bei Paketsendungen Vorschrift war.