Prussian Closed Mail

  • Moin liebes Forum,

    nach dem Postvertrag zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten wurden ab 16.10.1852 einfache Briefe für 30 Cent (13 Sgr) in geschlossenen Paketen über England befördert. In Amerika waren New York und Boston die Austauschpostämter.

    Bei diesem Brief findet sich leider keine Jahreszahl, welche die Bestimmung des Laufweges bzw. der Schiffsverbindung erleichtern würde. Bei den in frage kommenden (englischen) Reedereien passen diese Daten am besten:
    die Arabia der Cunard Line fuhr am 5.11.1856 in Boston ab und erreichte Liverpool am 16.11.1856. Der Transitstempel "AACHEN 18/11" ist dann plausibel.

    Der "Haken" dabei ist, dass der Verrechnungsstempel auf dem Brief aus New York stammt (vom 4.11.).
    Daher habe ich folgende Frage:
    Die Cunard Line fuhr (abwechselnd) ab Boston und New York. Kann man davon ausgehen, dass ein in New York aufgegebener und gestempelter Brief auch zum nächsten Schiff nach Boston weitergeleitet worden sein könnte? Oder wurden Briefe mit New Yorker Verrechnungsstempel in jedem Falle auch ab New York verschifft (bzw. ein ab Boston verschiffter Brief muss auch einen Stempel aus Boston haben)?

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo nordlicht,

    der rote Stempel von New York wurde von 1853-1860 verwendet, was die Suche nicht einfacher macht.

    Wir hatten hier im Forum mal diskutiert, dass ein Stempel der British Packet nicht zwingend heissen musste, dass er auch mit einem englischen Schiff gelaufen ist. Ausnahmen gab es immer mal.

    Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es bei deinem Brief so war, dasss die Briefe in New York gestempelt wurden, da aber das nächste Schiff in Boston ablegte, dorthin gesendet wurde, nur beweisen kann ich das leider nicht.

    1856 würde dann ganz gut passen, aber auch 1857 mit der "Europa" der Cunard-Linie, ab Boston 04.11, Ankunft Liverpool 16.11.

    Viele Grüsse
    Christian

  • Guten Abend,

    vielen Dank für Eure Hilfe!

    Der rückseitig abgeschlagene Zweikreisstempel von Eisenach grenzt die Verwendungszeit des Briefes noch auf bis 1858 ein.
    Wenn ich mir dann auch andere (z.B. die amerikanischen) Schiffslinien angucke, passen in dem genannten Zeitraum keine weiteren Abfahrts- und Ankunftszeiten zu den Stempeln auf dem Brief.

    Dann könnte der Brief nur 1856 oder 1857 verschickt worden sein - und zwar in beiden Fällen über Boston.
    (1857 ist dabei vermutlich weniger wahrscheinlich, weil dann die Bearbeitung in New York und Abfahrt in Boston am gleichen Tag erfolgt sein müsste).

    Es ging mir in diesem Beitrag weniger darum, ob genau dieser Brief "100% beweisbar" über Boston lief, sondern um die grundsätzliche Frage, ob das - trotz New Yorker Stempel und ohne Boston Stempel - möglich ist. Bzw. ob es üblich war, dass auf dem schnellsten Wege zum nächsten Schiff weitergeleitet wurde - egal, wo der Brief aufgegeben wurde.

    Vermutlich bräuchten wir weitere Briefe, um das zweifelsfrei zu beantworten!?

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo nordlicht,

    ...sondern um die grundsätzliche Frage, ob das - trotz New Yorker Stempel und ohne Boston Stempel - möglich ist. Bzw. ob es üblich war, dass auf dem schnellsten Wege zum nächsten Schiff weitergeleitet wurde - egal, wo der Brief aufgegeben wurde.


    In Hubbart/Winters North American Mail Sailings 1840-75 (Ohio 1988, Seite 5) heißt es, dass der NEW YORK BRIT. oder AM PCKT immer das Datum bezeichnet, an dem das New Yorker exchange office den von ihm auf Vertragsgemäßheit hin kontrollierten und ggf. nachbehandelten Brief weiterleitete, d.h. genau nach dem von Dir angesprochenen Grundsatz der schnellstmöglichen Beförderung Folge leistend entweder zu einem im New Yorker Hafen oder im Hafen von Boston liegenden Schiff.

    Im letzteren Fall dauerte die Weiterleitung einen Tag. Dieses Procedere findest Du in der Einleitung von Hubbart/Winters North American Mail Sailings 1840-75 (Ohio 1988, Seite 5) Hier der genaue Wortlaut unter der Überschrift Postmark Dates: "If the letter was to go out by steamship from Boston, such as the Cunard Line steamship sailing from that port, the New York circular datestamp shows the date the mails were forwarded from New York to Boston, always one day earlier than the sheduled Boston sailing date".

    Viele Grüße !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    2 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (24. Februar 2016 um 23:56)

  • Lieber Pälzer,

    ich schließe mich meinem Vorredner vollumfänglich an :!:
    Klasse, vielen Dank!

    Bei diesem geballten Wissen wage ich noch eine weitere Grundsatzfrage hinterher zu schieben. Ist etwas ähnlich, aber für die umgekehrte Laufrichtung (aus Deutschland nach USA):
    m.W. lief die Prussian-Closed-Mail über Aachen, ..., über Liverpool oder Southampton (obwohl man meistens nur von ersterem liest). Vermutlich hing das auch vom schnellsten Beförderungsweg ab, d.h. wo das nächste Schiff ablegte. Ging das preußische Briefpaket dann - nachdem es den Kanal überquerte - direkt dort hin und wurde dafür in Aachen entsprechend mit Liverpool oder Southampton voradressiert? Oder ging das Paket erstmal zentral nach London und dort wurde entschieden wie es weitergeleitet wird?

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo nordlicht,

    man kann bzgl. dieser Frage...

    Zitat

    ...ging das Paket erstmal zentral nach London und dort wurde entschieden wie es weitergeleitet wird?


    ...zwei Aspekte anführen, um sie letztendlich mit einem ja zu beantworten. Zunächst sei auf die nachstehende Quelle verwiesen:

    siegelauctions.com/ph/pdf/139.pdf

    Schon auf Seite 2 dessen findest Du einen Brief aus dem Jahre 1862, welcher von Wien nach Boston adressiert worden war. Er ging am 09.01.1862 im Austauschpostamt Aachen in den PCM-Postsack und war damit vom Grundsatz her für den Transit durch Großbritannien freigegeben. Der Autor merkt nun an, dass der PCM-Postsack über London nach Queenstown (Irland) zu einem von dort am 12.01.1862 in die USA auslaufenden Überseeschiff weitergeleitet worden ist.

    Die Zwischenstation beim Londoner exchange office macht auch Sinn, denn ein wesentlicher Transit-Vertragspartner, nämlich Großbritannien selbst hatte ja auch ein Postaufkommen, das man sinnvollerweise fusioniert mit dem PCM-Postaufkommen an das für alle nächstmöglich auslaufende Schiff weiterleitete. Die Zwischenstation in London war auch kein (großer) Umweg, egal ob man nach Liverpool, Southampton oder Queenstown weiterleitete, maßgeblich war die Zuführung zum nächstmöglichen Überseeauslauf.

    Um aber jedwede Missverständnisse zu vermeiden: Das Londoner exchange office hatte die vom Aachener Austauschpostamt bereits kontrollierten und verschlossenen Briefpackete dann nicht noch einmal (zeitverzögernd) zu öffnen/ zu behandeln, nur noch weiterzuleiten. Allerdings gab es durch London auch eine Behandlung von Briefen von Nicht-PCM-Vertragsnehmern und das war bspw. Thurn & Taxis.

    Dessen Postaufkommen wurde lt. der unten stehenden Quelle zwar auch im Übersee-Austauschpostamt Aachen aufgeliefert, aber von Aachen im offenen Transit weitergeleitet und musste dementsprechend auch im Londoner exchange office als british open mail (extra) behandelt werden.

    Man hat den Postdienstleister Thurn & Taxis zwar lange Zeit versucht mit unter Vertrag zu bekommen, der hat aber auf seinen - von Preussen auf 2 Sgr reduzierten - Postvereinssatz von 3 Sgr nicht verzichten wollen und sich erst im Jahre 1859 den bereits 1852 zwischen Preußen und den USA vereinbarten Conditionen angeschlossen, wie man der nachstehenden Quelle entnehmen kann:

    chronicle.uspcs.org/pdf/Chronicle_224/13279.pdf


    ...was den Kunden dann in dieser Phase auch entsprechend mehr an Beförderungsgebühr gekostet hat.

    Schönen Gruß !

    vom Pälzer

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    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (24. Februar 2016 um 20:13)

  • Hallo dann gleich nochmal,

    diese Quelle...

    download a high-resolution PDF

    ...ein Zeitungsartikel der New York Times vom 26.10.1852 über den Beginn der PCM, welche u.a. via London bemerkt, sollte es dann eindeutig erscheinen lassen.

    + Gruß !

    vom Pälzer

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  • Hallo Leitwege,

    Meinen Respekt, sauber recherchiert!


    ...nachdem mir nordlichts Frage irgendwie keine Ruhe gelassen hat, habe ich doch noch weiter recherchiert und siehe da, doch einen Stempel von einem Boston exchange office gefunden (BOSTON AM. PCKT). Ich habe dazu aber bisher nur Übersee-Briefe gefunden die von/nach Großbritannien gelaufen sind.

    Egal wie, die von nordlicht gestellte Frage ist damit also noch nicht ganz korrekt beantwortet bzw. noch teilweise offen.

    Ich habe den Text w.o. im post5 entsprechend angepasst, damit für den Moment nichts falsches hier rausgeht. Ferner habe ich den Ratschlag von unserem gutem admin @bayern-nils umgesetzt und im Frajola-Forum um Erläuterung der Funktion des Boston exchange office ersucht. Sobald es da Neues gibt, were ich hier natürlich umgehend berichten.

    Gruß !

    vom Pälzer :thumbup:

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  • Morgen zusammen,

    Pälzer:

    von wann ist der Brief mit Boston-Stempel?

    Habe in dem Artikel von Heinrich Conzelmann "Amerika per England" gelesen, und da steht zur British Open mail:

    "...zunächst war der Zielhafen Boston, ab Januar 1848 wurde New York und Boston im Wechsel angelaufen."

    Viele Grüsse
    Christian

  • Hallo Leitwege,

    den hier hatte ich gegoogelt:

    http://images.google.de/imgres?imgurl=…YCgwQrQMIhQEwIA

    Die Sammlerfreunde in den USA haben zunächst angemerkt, dass es auch noch ein exchange office in Philadelphia gegeben hat. Ferner verweist man auf die Zuleitung zum nächstmöglkich auslaufenden Schiff. Das ist denke ich jedem klar. Aber die m.E. immer mehr berechtigte Frage von nordlicht geht ja dahin, dass wenn man auch in Boston und Philadelphia exchange offices betrieben hat und durch die Zeitungen landesweit wusste, dass dort das nächst verfügbare Schiff im Hafen lag, warum man nicht gleich in das dort zuständige exchange office hinspedierte. Die Anschlussfrage, ob das eine Art Arbeitsteilung war ist gestellt.

    Gruß !

    vom Pälzer

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  • Hallo Sammlerfreunde,

    vielleicht hat es der eine oder andere schon nachgeschaut, die Auflösung der Frage erfolgte durch Mike Ludeman im besagten Frajola Board For Philatelists. Er legt dar, dass die verschiedenen Ausgaben der offiziellen Amtspost-Regularien, welche im Jahre 1874 beginnen, im allgemeinen einen Abschnitt "Foreign Mails" enthalten, welcher primäre und sekundäre exchange-offices benennt, die bestimmten Ländern zugeordnet waren.

    Mike hat dazu auch den weiter unten abgebildeten Abschnitt der Postal Guide (Series 1 No 9) vom Oktober 1876 gepostet. Auch wenn da bereits die UPU-Zeit angebrochen war, im Prinzip lassen sich daraus dann m.E. immer noch Schlussfolgerungen für die Vergangenheit (z.B. zur Zeit der PCM) ziehen.

    Ich glaube das verdient doch jetzt wirklich mal einen Applaus an die Freude in den USA und unser guter nordlicht sollte nach meinem Dafürhalten den Wanderpokal für die Frage des Monats erhalten. ^^


    + Gruß

    vom Pälzer

  • Hello all!

    I continue to read through posts on this forum and find it to be very helpful and interesting. I try to be helpful when I can. But, it still takes me a long time to read Deutsch and I get lots of help from online translators. Maybe someday I will read better. But, I have little hope for writing. :S

    I do not know if you want to know more about this subject.

    Attached is a page from my exhibit that shows items leaving the United States via the Boston Exchange Office. The weekly schedule of mail closing times was set up based on scheduled ship departures for the lines with mail contracts. As was noted in the conversation above, the Cunard Line alternated mid-week departures from New York and Boston. If a given week's mail sailing was from New York, the Boston mails would close for departure on the Cunard Line ship the previous day. If the mail sailing was from Boston at mid-week, it would close on the same day. Usually, if the mail was received after the mail closing for the Cunard Line it would be scheduled for an American contract packet ship from New York on Saturday. However, there was even a time period during the week in the mid 1860's where the earliest ship departure would be via the Allan Line ships that would go through Quebec (top item on that page).

    The Saturday mail sailings from New York usually had multiple shipping line options. Often the shipping line would carry a subset of the mails based on destination. The Hamburg Line and the Bremen Line ships might carry the German mails while the French Line would carry French mails and perhaps Inman would carry the rest depending on the year we are looking at.

    Mail leaving Europe for the United States was often sent to the U.S. Exchange Office based on the destination. For example, in the mid 1860's New York, Boston, Philadelphia, Detroit, Chicago, Portland, San Francisco and later Baltimore all operated exchange offices. Chicago, for example, would typically receive mail for Chicago, the states of Wisconsin, Minnesota, Illinois and Iowa. But, an item headed for Iowa might actually be sent to the New York Exchange office if the shipping schedules resulted in that being the fastest way to get to the destination.

    The second page attached below illustrates mail using the Detroit Exchange Office.

    I hope this is of interest and helpful.

    Rob

  • Hello Rob

    I hope this is of interest and helpful.

    oh yes, it is. Very interesting and I´d like to see many more (all?) pages from your collection, as everybody can learn a lot from everybody. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • The kind words are appreciated. I was not expecting them, I am just happy some find these pages of interest.

    I will try to share as I can and hope to place them in the proper spots of this forum.

    Best,
    Rob