aus Russland 1866

  • Hallo,
    dieser Brief (ohne Inhalt) vom Lübeckischen Konsulat in Taganrog nach Stuttgart wirft etliche Fragen auf, bei deren Beantwortung ich auf eure Hilfe hoffe:
    - kann jemand die erste (in russischer Sprache verfasste) Zeile lesen und übersetzen?
    - stammt der Rautenstempel aus Odessa?
    - wenn ja: warum erhält der Brief einen Aufgabestempel aus Odessa, wenn er (vermutlich) im viel weiter östlich gelegenen Taganrog aufgegeeben wurde?
    - wenn ich das richtig lese, wurde in Taganrog am 4. Juli 1866 gestempelt (julianischer Kalender). Welchem Datum entsprach das in Deutschland?
    - kann jemand etwas zum vorderseitig abgeschlagenen Stempel "Aus Russland. Eisenb. Post Bür. V" sagen?
    - hat jemand eine Hypothese zum Leitweg?

  • - kann jemand die erste (in russischer Sprache verfasste) Zeile lesen und übersetzen?

    Hallo,
    Nach Deutschland Württemberg G. (Gorod) – Stadt Stuttgart
    LG A.

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

    • Offizieller Beitrag

    Hallo µkern,

    - stammt der Rautenstempel aus Odessa?
    - wenn ja: warum erhält der Brief einen Aufgabestempel aus Odessa, wenn er (vermutlich) im viel weiter östlich gelegenen Taganrog aufgegeeben wurde?
    - wenn ich das richtig lese, wurde in Taganrog am 4. Juli 1866 gestempelt (julianischer Kalender). Welchem Datum entsprach das in Deutschland?
    - kann jemand etwas zum vorderseitig abgeschlagenen Stempel "Aus Russland. Eisenb. Post Bür. V" sagen?
    - hat jemand eine Hypothese zum Leitweg?

    Ja. Der Stempel fungierte als Aufgabe- und Transitstempel.
    Weil Odessa einen Kartenschluß mit Preußen hatte. Der Franco-Stempel stammt auch aus Odessa (Taganrog hatte einen mit Doppelkreis). Der Aufgabestempel von Taganrog ist rückseitig zu sehen.
    Der 4.Juli entsprach unserem 16. Juli (im 19. Jhdt. 12 Tage hinzuzählen).
    Dieser Ra3-Stempel - ein kombinerter Eingangs- und Leitstempel - wurde ab 1860 vom Eisenbahnpostamt V auf den Strecken Myslowitz-Breslau und Myslowitz-Kandrzin geführt.
    Der Leitweg war Taganrog - Odessa - geschlossener Transit durch Österreich - Eingang in Preußen über Myslowitz - und dann Breslau - Berlin

    Gruß
    Michael

  • Lieber mikrokern,

    ein schönes Stück, das den Absender 2 Sgr. kostete und für das er 2 Sgr. an Preußen als Vereinsaufgabepost zu zahlen hatte, also eine 14 Kr. Frankatur. Das Weiterfranko wurde unten links notiert und man hat hier den PV Preußens mit Russland vom 13.1.1866 vor sich.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Der 4.Juli entsprach unserem 16. Juli (im 19. Jhdt. 12 Tage hinzuzählen).

    Hallo,
    vielen Dank an Filigrana, Michael und bk, die meinen Brief kommentiert haben! Sehr aufschlussreich, und in der Diversität der Antworten ergibt sich ein konsistenteres Bild!
    Nur Michaels Aussage zum Datum (16.7.) erschließt sich mir nicht, wenn ich mir den rückseitigen Stempel der württemb. Bahnpost vom 8.7.66 ansehe...
    Kann man das Datum im Odessa-Stempel eindeutig lesen?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Vielen Dank, Michael,

    dann machts Sinn: abgegangen in Taganrog am 4.6., Odessa 9.6., Ankunft Stuttgart (bzw. württemb. Bahn) 8.7.

    Wie lange wäre denn ein derartiger Brief in Friedenszeiten von Odessa nach Stuttgart unterwegs gewesen?

    Und: auch nicht uninteressant, ein Brief im Transit durch Österreich nach Preussen, und von dort nach Württemberg. Quasi "Leitung" durch Feindesland...

    Beste Grüsse vom
    µkern

    • Offizieller Beitrag

    Hallo µkern,

    Zitat

    Wie lange wäre denn ein derartiger Brief in Friedenszeiten von Odessa nach Stuttgart unterwegs gewesen?

    entscheidend ist hier die Strecke ab Preußen durch die deutschen Staaten. Ältere Briefe (1857) brauchten bis Württemberg 2 Tage, deiner 3 Tage.

    Zitat

    Und: auch nicht uninteressant, ein Brief im Transit durch Österreich
    nach Preussen, und von dort nach Württemberg. Quasi "Leitung" durch
    Feindesland...

    Alternativ ist auch eine Leitung durch Polen möglich. Die Laufzeit Odessa-Preußen ist bei deinem Brief schon auffällig.
    Bisher habe ich aber noch keine diesbezügliche preußische Bekanntmachung gesehen.

    Gruß
    Michael

  • Ältere Briefe (1857) brauchten bis Württemberg 2 Tage, deiner 3 Tage.


    Hallo Michael,

    3 Tage? Verstehe ich jetzt nicht. Der Brief war doch 4 Wochen unterwegs (Abgang Odessa 9.6.66, Ankunft Württemberg 8.7.66)??

    Beste Grüsse vom
    µkern

    • Offizieller Beitrag

    Hallo µkern,

    Entschuldigung, habe mich wohl unklar ausgedrückt.
    Den potentiellen Kriegseinfluss bezog ich auf die Leitung durch die deutschen Staaten, hier war mit kriegsbedingten Umleitungen/Verzögerungen zu rechnen. Wenn man sich deshalb die Zeit vom Eintritt russischer Briefe nach Preußen (hier 5.7.) bis zur Übergabe an die württembergische Post (hier 8.7.) anschaut, kommt man auf 3 Tage. Vergleichbare Briefe nach Württemberg brauchten 2 Tage.

    Inwieweit die Beförderungsstrecke und -dauer Odessa - Myslowitz durch den Krieg beeinflusst wurde, ist spekulativ. Da in Odessa das Briefpaket mit der preußischen Korrespondenz verschnürt und erst in Preußen weiter bearbeitet wurde, gibt es keinen Beweis für den Leitweg. Die Dauer für die Strecke Odessa - Myslowitz ist mit 19 Tagen (21.6. - 5.7) auffällig hoch.
    Ob diese Verzögerung durch den Krieg im Westen verursacht wurde ... ?

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    vielen Dank für die Verdeutlichung. Der "Eisenbahn-Postbüro"-Stempel wurde also in Berlin abgeschlagen, weshalb man den 5.7. als Ankunftsdatum für Berlin annehmen muss?

    Dachte, es könne sich um einen Streckenstempel handeln, sodass man kein genaues Ankunftsdatum für Berlin hätte.

    Übrigens: sind die kreisförmigen Distributionsstempel ("D") lesbar/verwendbar?

    Beste Grüsse vom
    µkern

    • Offizieller Beitrag

    Hallo µkern,

    der Eingangsstempel wurde nicht in Berlin verwendet! Er wurde auf der Strecke benutzt. Ein "Eingangsdatum" für Berlin müsste man anhand von Zugfahrplänen ermitteln.
    Mein Vergleich von 3 gegenüber 2 Tagen bezog sich auf die Eingangsstempelung beim mobilen Bahnpostamt.

    Beim Distributionsstempel meine ich den 8.7. zu erkennen.

    NB: Wieso kommst Du auf 4 Wochen Beförderungsdauer? Der Abgangsstempel 9.6. von Odessa enstpricht dem 21.6. unseres Kalenders.

    Gruß
    Michael

  • ... antworte mir selbst (nach Durchsicht anderer threads): aus Stuttgart. Fungierte hier wohl auch als Ankunftsstempel.
    War das in Stuttgart immer so - Distributionsstempel statt Ortsstempel für eingegangene Briefe?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    ja, war immer so.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.