Post-Behändigungsscheine

  • Hallo zusammen,
    nachdem ich über diesen Vorläufer der Zustellurkunde im Forum noch nichts gesehen habe, will ich hier mal drei Belege zur
    Diskussion stellen, die mir Rätsel aufgeben.


    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/18.02.15/7so6ywj3chk.jpg]

    Alle drei liefen in der gleichen Angelegenheit zurück an das kgl. Bezirksgericht in Ansbach, zwei davon sogar am selben Tag,
    sie wurden aber offenbar unterschiedlich gehandhabt.
    Das überbrachte Schreiben zu Nr. 1 ging nach Dinkelsbühl, wurde wahrscheinlich vom Gericht schon vorfrankiert und am Absendetag
    in Ansbach gestempelt, Absendestempel in Dinkelsbühl einen Tag später, rückseits Ankunftsstempel Ansbach nochmal einen Tag später.
    Nr. 2 könnte auch schon vorfrankiert gewesen sein, die Marke wurde aber erst bei Rücksendung gestempelt, Ak-Stpl. Ansbach wieder
    am nächsten Tag. Schon bei diesen beiden ist mir nicht klar, warum sie unterschiedlich behandelt wurden.
    Interessant wird's aber erst bei Nr. 3. Behandlung wie bei Nr. 2, aber warum noch eine Nachtaxierung ? Könnte em Beh.schein eine
    weitere Sendung beigeheftet gewesen sein, so dass er in die 2. Gewichtsstufe fiel ? Oder war er als Portobrief dem Schreiben beigheftet,
    also nicht vorfrankiert ? Dann müsste aber eine Portomarke verwendet worden sein.
    Ich bin gespannt auf Eure Meinungen.
    Schöne Grüße von

    weite Welle

  • Liebe weite Welle,

    ein interessanter Dreier!

    Ich meine, dass sie vom Absender vorzufrankieren waren, oder man versandte unfrei und bezahlte dann erst bei der Aushändigung des Scheins.

    Die Entwertung war ja immer das Problem, weil sich m. W. die Postordnung darüber nicht ausgelassen hatte. Insofern sind die Varianten 1) und 2) nachvollziehbar.

    Beim Fall 3) könnte ich mir vorstellen, dass man die Hinsendung von der Rücksendung abgekoppelt sah und für jede Tour 10 Pfg. ansetzte - mal waren sie da (Marke), mal nicht; dann hat man sie eben notiert.

    Oder man hatte keine Portomarken und die Freimarke als Portomarke eingesetzt? Schon gewagt, ich weiß, aber ganz ausschließen kann man es nicht.

    Wenn es noch den Inhalt gibt, müsste man ja ersehen können, ob es 2 Sendungen gab, was ich aber nicht glaube.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo weite Welle,
    es gab in Bayern keine Vorfrankatur. Dies hatte einen einfachen Grund, selbst wenn der Absender des Briefes mit Behändigungsschein/Zustellurkunde alles bezahlte , die Insinuationsgebühr und das Porto für den Behändigungsschein war immer erst bei Aushändigung des Scheines fällig.
    Die blaue 10 kann ich nicht deuten, bei allen Belegen wäre das Innere der Scheine interessant.
    Beste Grüße Bernd

  • Hallo bk und BaD,
    die Inhalte sind in allen drei Scheinen gleich. Es ging bei den überbrachten Schreiben um Benachrichtigungen zu Gant-Eröffnungen
    bzw. zu Bekanntgabe des Teilungsplanes einer Gant. Dazu die Quittierung durch den Empfänger und den insinuierenden Beamten.
    Dass es in BY keine Vorfrankatur gab, kann nicht stimmen. Ich kenne 50-Pfg.-Frankaturen, bei denen alles bezahlt war: Brief
    20 Pfg., R-Gebühr 20 Pfg., Rückscheingebühr 10 Pfg.. Außerdem: wie kann im Fall 1 der Stempel des Aufgabepostamtes vom 13.6.
    auf die Marke kommen, wenn der Schein erst am 14.6. zurückgeschickt wurde ? Die blaue 10 auf Fall 3 kann ich mir eigentlich nur so
    erklären: Das Gericht hatte den BS unfrankiert beigelegt. In Dinkelsbühl wurde dann zunächst versehentlich taxiert, trotzdem frei-
    gemacht und vergessen, die Taxierung wieder zu streichen. Dass in einem relativ großen Postamt keine Portomarken vorhanden
    waren, kann ich mir nicht vorstellen.
    Grüße aus Bambärch von

    weite Welle

  • Lieber Bernd,

    toll, dass du den Text verstanden hast. Ich kenne Sammler, die haben ihn dreimal durchgelesen und immer noch nicht 100%ig verstanden; zu denen gehöre ich z. B. ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • @bayern_klassisch

    Es ist gar nicht schwer zu verstehen, wenn man einmal das Verfahren genau kennt.
    Für diese Sendungsform gibt es drei Gebühren.
    (1) Hinsendung des Briefes
    (2) Zustellgebühr
    (3) Rücksendung der Urkunde

    Es werden zwei Fälle unterschieden.
    A) Der Absender trägt alle Gebühren

    Hinsendung: (1) franko Rücksendung: (2) +(3) porto

    B) Der Empfänger trägt alle Gebühren

    Hinsendung: (1) porto Rücksendung: (2) + (3) franko

    Alles klar?

    Gruß

    wuerttemberger

    PS. Du als Contraventionsfan hättest die reinste Freude an dieser Sendungsform, da dort überproportional viele Fehler gemacht worden sind.

    @ Bernd. Könntest Du noch die Quelle der gezeigten Verordnung genauer angeben?

  • Hallo wuerttemberger,

    vielen Dank für die Aufklärung - hätte die bayer. Post mal besser auch so geschrieben. Aber in Einklang zu bringen mit den Belegen ist das nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo württemberger,
    danke für die Erläuterung.
    der obige Ausschnitt ist aus der bayrischen Postordnung von 1900. Weder 1876;1879 noch 1889 ist die mögliche volle Frankierung des Absenders erwähnt wie 1900.
    Nicht beanstandet bedeutete, es wird geduldet obwohl nicht normal. Wenn ein Absender dies machte, musste er den Behändigungsschein/ Zustellurkunde vorraus frankieren. Er konnte den gesamten Betrag nicht auf den Brief kleben. Behändigungsschein/ Zustellurkunde= frankiert oder porto. Aber wurde die Marke schon im Einlieferungspostamt wie die Marke auf dem Brief entwertet? Im Fall des ersten Briefes geschah dies wohl. Es gäbe auch die logische Möglichkeit, das die Marke auf dem vorfrankierten Behändigungsschein erst im Zustellpostamt nach erfolgter Zustellung entwertet wurde. Alles eine Spekulation über eine besondere Verfahrensweise, die aber nicht selten gewesen sein muß.
    Ab 1906 etwa wurde alles ganz anders, siehe früheren Beitrag( Postzustellurkund) in diesem Thema mit einem voll frankierten Beleg 1913.
    Allerdings würde ich die drei Behändigungsscheine anhand der Stempel auf vor 1900 datieren. Es wäre gut, wenn möglich, das Jahr der Scheine zu erfahren.
    Beste grüße Bernd

  • Zusatz zu den 3 Behändigungsscheinen von weite Welle.
    Behändigungsscheine waren vom Absender des Briefes vorzubeschriften( Pflicht). Wieso hat schon Ansbach Frei auf die Scheine geschrieben?

  • Hallo zusammen,
    die drei Scheine sind alle aus 1876.
    Der 1871 eingeführte BS wurde ja 1879 durch die PZU abgelöst. Grundsätzlicher Unterschied der Gebühren: beim BS wurde noch
    unterschieden zwischen Schreiben von Behörden/Notaren (Insinuationsgebühr 4Kr / 10 Pfg.) und solchen von Privatpersonen
    (7 Kr. / 20 Pfg.). Bei der PZU fiel diese Unterscheidung weg, die Zustellgebühr betrug dann generell 20 Pfg.
    Die Gebühren waren in beiden Fällen vom Absender oder Empfänger zu bezahlen, eine geteilte Abgeltung war nicht vorgesehen,
    geschah aber doch. Dass die Verfahrenslage bei den Postbeamten von Anfang an unklar war, zeigt die Einleitung zu VO 10635
    v. 15.9.73.

    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/22.02.15/h5xpgsfvx3b8.gif
    Auszug aus VO 12246 v. 27.9.79 zur Einführung der Zustellurkunden:
    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/22.02.15/1ccdq1pu3eke.gif]

    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/22.02.15/g63ng7pfv9ps.jpg
    Jetzt die geteilte Abgeltung: Hinsendung Porto für die Zustellung, Rücksendung Franko

    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/22.02.15/cstomor1vja.jpg
    Zweite Möglichkeit: Hinsendung und Rücksendung Porto
    [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/22.02.15/nk2s4uq2o1zm.jpg]

    Zurück zu den drei BS: Jetzt ist mir auch der Schein Nr. 3 klar. Hinsendung Porto (Insinuationsgebühr), Rücksendung Franko.
    Bei den beiden ersten Scheinen ist "Frei" notiert, weil die Zustellgebühr wahrscheinlich auf dem Schreiben mit verklebt wurde.
    Warum das "Frei" allerdings beim dritten Schein steht, ist mir auch nicht klar.
    Schönen Abend wünscht die

    weite Welle

  • Liebe weite Welle,

    leider sind alle deine Bilder hier weg - sehr schade. Kannst du das wieder in die Reihe bekommen?

    Heute zeige ich einen Post - Behändigungsschein aus Ansbach, der einer Sendung nach Dinkelsbühl anhing, dort ausgefertigt wurde und dann wieder vollzogen nach Ansbach retour lief.

    Meine Frage als Laie der Pfennigzeit: Die 10 Pfg. waren doch wohl schon in Ansbach vorfrankiert worden - warum erhob man noch einmal 10 Pfg. vom Empfänger?

  • Liebe Freunde,

    Behändigungsscheine sind offenbar ein schwieriges Gebiet, sowohl was die Erklärung, als auch was die Beschaffung angeht. Der hier gezeigte ist erst mein zweiter. Das Besondere daran ist für mich, dass die Regierung von Mittelfranken auf die Verwendung der Postvordrucke verzichtete und lieber eigene anfertigen ließ. Außerdem gefielen mir die sehr saubere Abstempelung (von Nürnberg I eher die Ausnahme) und die Verwendung im ersten Monat der neuen Mark-Währung. Ein schönes Stück auf alterungsbeständigem Papier für die Insinuationssammlung.

    Jetzt noch einen aus der Kreuzerzeit als Pendant, das wär’s. Kommt Zeit, kommt Brief.

  • Lieber Dietmar,

    ein Luxusstück, wie man es kaum besser wird finden können. Ich hatte auch geknobelt, ob ich den kaufe und auf eine Seite aufziehe, auf der ein später aus der Kreuzerzeit prangt, habe es aber dann doch gelassen und das war gut so.

    Die aus der Kreuzerzeit sind auch keine Massenware, aber ein bisserl teurer als die aus der Pfennigzeit.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe weite Welle,

    das Stück aus Lindau ist etwas ganz Besonderes (und ausnahmsweise einmal nicht aus Franken, wo sich ein besonderes Nest gehalten zu haben scheint).

    Lieber Ralph,

    danke fürs Zurückbleiben. Hab mich schon gewundert, dass es nach zwei Tagen noch da war.

    Viele Grüße

    Dietmar

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Franz,

    immer wenn ich glaube, alles an Spezialitäten mit weiter Welle gesehen zu haben, kommst du daher und zeigst Stücke, die man sich eigentlich nur Zuhause im stillen Kämmerlein ausdenken kann ... :):thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.