• Hallo Schlacki,

    man wird nicht jeden Brief der Klassik klären können, wenn er aus dem vertraglichen Rahmen fällt (wie es bei deinem aussieht). Oft hat man sich in der Rubrik des Frankos geirrt, oder die Gebühr eines Altvertrages weiter verklebt, oder in der Firma selbst schon den Fehler begangen, oder, oder, oder.

    Ich halte Briefe, die nicht konventionell frankiert wurden, für etwas besonderes, waren sie nun über-, oder unterfrankiert. Eine gepflegte Sammlung sollte auf das Zeigen solcher Stücke nicht verzichten. Von daher sage ich nur: Schön, dass du so etwas hast. :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier ein Portobrief von 1866. Aufgegeben in Warschau, adressiert an die bekannte Adresse Isler in Wohlen.

    Rückseitig ist der Leitweg schön dokumentiert:
    Eingang nach Preußen über die Bahnlinie Warschau-Breslau.
    Im Südwesten dann im offenen Transit durch Baden, Kursstempel Heidelberg-Basel.
    In der Schweiz dann über die Bahnstrecke Basel-Constanz bis Aarau, Zustellung in Wohlen am 28.4. (Gesamtlaufzeit 2 Tage).

    Portobelastung von Baden mit 20 Kreuzer für den russischen(polnischen) und den Postvereinsanteil.
    Gesamtporto für den Empfänger 80 Rappen.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    ein Traumstück und mit den vielen, klaren Stempeln gut zu dokumentieren. Kleine Korrektur: Die 20x schrieb Preußen an, nicht Baden (Bahnpost in Baden üblicherweise in blauer Tinte).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • @ bayern klassisch: du hast sicherlich Recht, dass nicht jeder Brief bis ins Detail erklärt werden kann. Ich hatte auch nur mal eine Vermutung angestellt zumal ich einen weiteren Brief habe, der das gleiche Porto aufweist. Dieser Brief wurde in Gomel am 20. Juli gleichen Jahres aufgegeben und lief per Bahnpost über Warschau. Ankunft in Amrisweil war der 7.8.1872. Diesmal kassierte Preussen nur noch 2½ anstatt wie zuvor 3 Silbergroschen.

  • Hallo Schlacki,

    wenn aber zwei Briefe unterschiedlichen Datums und anderer Aufgabe gleich "falsch" frankiert vorliegen, klingen schon etwas die Alarmglocken. Es mag auch sein, dass man in Russland einen anderen Tarif hatte, als den richtigen? Ich weiß es halt leider auch nicht ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Einen Schweizer habe ich noch: Faltbrief vom 26.6. 1873 von Kiew nach Langnau. Bezahlt wurden 17 Kopeken für den teurere Rate über Österreich. Weitergeleitet wurde der Brief per Bahnpost Strecke Smerinka-Woloczyska Postwaggon Nr.47-48 (im Kiryushkin / Robinson erst ab 5.10.73 bekannt) und deutsche Bahnpost Breslau - Odersberg. Das deutsche Weiterfranko vorderseitig mit 2½ Sgr. notiert.
    Für diesen Weg wäre der Brief also überfrankiert. Wer kassierte dann eigentlich das zu viel bezahlte Porto - das Absender- oder das Empfängerland?

  • Hallo Schlacki,

    ein sehr adretter Brief! :P

    Zitat

    Für diesen Weg wäre der Brief also überfrankiert. Wer kassierte dann eigentlich das zu viel bezahlte Porto - das Absender- oder das Empfängerland?

    Weder, noch. Die Aufgabepost in Russland kassierte vom Absender, was sie kassieren zu müssen glaubte. Diese Geld war also unwiederbringlich weg.

    Stellte sich im Verlauf des Posttransportos heraus, dass zu viel frankiert worden war, blieb bei Auslandsbriefen demjenigen das Geld, der es physisch oder via Briefkarte auf seinem Konto hatte. Das war hier Russland.

    Wenn das Reich nur Routinemässig 2 1/2 Sgr. wie bei jedem normalen Brief gutgeschrieben bekam, dann konnten sie auch nicht mehr von Russland beanspruchen. Die CH war eh ausßen vor, weil sie am Ende der philatelistischen Nahrungskette stand.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier mal ein Reco-Brief nach Neuveville, Kanton Bern.

    Aufgegeben am 13.8.1865 in St. Petersburg, erreichte der Brief am 14.8. preußisches Gebiet und erhielt hier neben dem FRANCO AUS RUSSLAND ... -Stempel auch den preußischen Zackenstempel Recomandirt.
    Am 16.8. übernahm ihn die badische Bahnpost, weiter ging es dann über die Strecken Basel-Olten und Aarau-Bern.
    Die Zustellung in Neuveville erfolgte am 17.8. - schneller geht es heute auch nicht ...

    Reco-Briefe durften nur voll franco aufgegeben werden. Neben der doppelten russischen Briefgebühr fielen noch 5 Sgr. Weiterfranko für Preußen an (rs. f 5 neben der russischen Reco-Nummer). Nach Abzug des eigenen Anteils verblieben 2 Sgr. für die Schweiz (vs. 2 Wf.), die daneben noch als 6 Kr. notiert wurden.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    tolles Stück und unter Recommandation über mehrere Länder immer ein Genuß.

    Der Absender zahlte also total 11 Groschen - war ja auch nicht gerade wenig ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    danke für euere Kommentare. Russische Einschreiben in nicht-DÖPV-Staaten findet man nicht so oft. Umso schöner, wenn sie dann so informativ sind und attraktiv aussehen.

    Zitat

    Der Absender zahlte also total 11 Groschen - war ja auch nicht gerade wenig ...

    In der Tat, aber es wurde noch teurer, wenn ein Einschreiben nach Russland aufgegeben wurde. Dann durfte neben der "eigenen" Reco-Gebühr auch die russische in Form der doppelten Brieftaxe entrichtet werden (änderte sich mit dem PV von 1866).

    Viele Grüße
    Michael

  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich einen Portobrief von 1865 der 2. Gewichtsstufe aus Russland in die Schweiz, der 2 mal 10 Kopeken für Russland und 2 mal 9 Kr. für Preußen bis zur CH - Grenze kostete.
    Hierbei waren die 20 Kopeken in 6 Silbergroschen zu reduzieren und 6 mal 3,5 entsprach 21 Kreuzern. Mit dem 18 Kr., die Preußen als Vereinsaufgabepost bekam, errechnete sich ein fremdes Porto i. H. v. 39 Kr., die links in blau notiert wurden. In Kreuzern deshalb, weil die Rechnungslegung bei Portobriefen dem Auswechselpostamt mit der Schweiz oblag und hier war dies Baden.

    Die CH rechneten für sich 2 mal 10 Rappen für den Brief in den 1. Rayon, so dass 135 Rappen (= 39 Kr.) plus 20 Rappen = 155 Rappen an Gesamtporto anfielen.

    Briefe der 2. Gewichtsstufe aus Russland in die CH sind nicht häufig und dürfen bedenkenlos genommen werden.

    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    Die CH rechneten für sich 2 mal 10 Rappen für den Brief in den 1. Rayon, so dass 115 Rappen (= 39 Kr.) plus 20 Rappen = 135 Rappen an Gesamtporto anfielen.

    Stimmt die Umrechnung? Entsprechen die 39 Kreuzer nicht 135 Rappen?
    Als Gesamtporto lese ich auch 155 Rappen.

    Ansonsten hast Du natürlich Recht: Briefe der 2. Gewichtsstufe Russl.-Schweiz sind rar.
    Glückwunsch dazu!

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    danke für deinen natürlich berechtigten Hinweis (schon geändert - man soll halt im Hintergrund keine Rede von Prof. Dr. Schachtschneider über die Souveränität der Staaten hören und gleichzeitig multitransitäre Postgeschichte eintippen).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Morgen,

    nachdem ich euch den Brief von Preußen bereits vorgestellt habe, nun ein Brief von Russland, der meine Sammlung sicherlich um einiges bereichert 8o !
    Aufgegeben wurde dieser am 28.Februar 1872 in St.Petersburg von Jozef Kleinadel und wurde adressiert nach Langnau an Herrn Lehmann Kiernzle(r).
    Siegelseitig finden wir den Transitstempel von Bern und den Ankunftsstempel von Langnau, beide vom 14.März 1872, jetzt könnte man meinen, dass der Brief 2 Wochen lang unterwegs war, bevor er dem Empfänger zugestellt werden konnte. Jedoch wurden in Russland bzw. in der Schweiz unterschiedliche Kalender benutzt, nämlich in Russland der Julianische und in der Schweiz der Gregorianische Kalender. Die Umrechnung hierfür ist, dass man das Aufgabedatum nimmt + 12 Tage dazurechnet.
    Also:
    28.02.1872 (julianisch) + 12 Tage = 11.03.1872 (gregorianisch)

    Geschrieben wurde der Brief am 09.März, hierbei notierte der Absender das Datum mit dem gregorianischen Kalender und schickte ihn erst zwei Tage später ab, also am 11.März (greg.).
    Der Laufweg dürfte in etwa gewesen sein: Russland-Preußen-Heidelberg-Karlsruhe-Freiburg-Basel-Bern-Langenau

    Jetzt kommt die Frage der Taxierung, da ich keine Literatur von Russland besitze, bin ich hier auf eure Hilfe angewiesen. Wenn ich den Thread durchlese, stellen sich mir ein paar Fragen:
    Laut dem Postvertrag zwischen Preußen und Russland von 1866 mussten Briefe in den 2.Schweizer Rayon mit 26 Kopeken frankiert werden.
    Laut dem Postvertrag zwischen dem NDP und der Schweiz hätte ein Brief bis zum 01.07.1872 18 Kopeken gekostet.
    Wieso ist meiner dann mit 26 Kopeken frankiert worden?
    Alles nicht so einfach... ?
    Liebe Grüße

    Kevin

  • Hallo Kevin,

    mit 5 kg Kätzin auf der Wampe ohne Literatur:

    So weit mir bekannt, kostete es 2 Sgr. für RU und 2 Sgr. für das Reich bis zur CH - Grenze, dann 10 Rappen = 3 Kr., die rot notiert wurden, als Weiterfranko für die CH.

    Das wären dann 18 Kopeken, aber keine 26.

    Umgekehrt kostete ein Brief ab 1.8.1868 50 Rappen - 10 für die CH, 20 für die Aufgabepost (Baden - Württemberg - Bayern) und 20 für Russland.

    Ab 1.8.1872 ging man auf 45 Rappen herunter.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    vielen Dank erst einmal für die Anmerkungen.
    Allerdings ist dies ja noch nicht des Rätsels Lösung.
    Kann Michael oder Schlacki weiteres zu meinem Brief sagen?

    Liebe Grüße

    Kevin

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Kevin,

    nach meinen Unterlagen müsste ein frankierter Brief über Preußen 18 Kopeken gekostet haben.
    Den Tarif von 26 Kopeken kenne ich in diesen Jahren nur für unfrankierte Schweiz-Briefe, die über Österreich liefen.

    Da es eine Reihe von nicht befriedigend erklärbaren Frankobriefen aus Russland Richtung Schweiz und Italien gibt und zwar speziell aus dieser NDP-Zeit, sehe ich 2 Erklärungsmöglichkeiten:
    - Es gab uns unbekannte Bestimmungen, die eine solche Frankatur erforderten (halte ich für unwahrscheinlich).
    - Es gab eine große Unsicherheit bei den russischen Korrespondenten bzw. diese erhielten nicht die neuesten Tarifinformationen. 26 Kreuzer waren bis 1868 der Tarif für einen frankierten Brief in den 2. Schweizer Rayon. Wenn ein Briefschreiber hier nicht auf dem Laufenden war, frankierte er halt zu viel.
    (Diese zweite Möglichkeit würde ich für die Briefbeschreibung heranziehen)

    Gruß
    Michael

  • Hallo Michael,

    vielen Dank für deine Hilfestellung!
    Den 2.Vorschlag habe ich schon fast selbst vermutet nachdem ich den Thread las und merkte, dass einige andere Briefe ebenfalls nicht ganz eindeutig zuzuordnen waren.
    Wenn man Bayern als Vergleich nimmt, aber auch gerne die Schweiz, dann sind überfrankierte Briefe ja kleine Seltenheiten, ist dies bei Russland also nicht der Fall?

    Liebe Grüße

    Kevin