Der Österreichische Lloyd in Ancona

  • Bis vor kurzem ging die Literatur (Del Bianco) davon aus, dass die Agentur des Lloyd in Ancona 1841 eröffnet wurde. Dass dies wohl zu spät sei habe ich immer schon vermutet. Ich ging davon aus, dass dies eigentlich im Jahre 1837 mit dem Beginn der Fahrten in die Levante war. Die Frage ist, ab wann die Geschichte wirklich "offiziell" wurde, zumal mit ziemlichen Widerständen seitens der dort noch stationierten Franzosen zu rechnen gewesen sein musste, die sicherlich kein Interesse an den österreichischen Tätigkeiten hatten. Nun ja, unter der Hand wird der Lloyd sicher aktiv gewesen sein. Da müssen die Archive in Ancona Aufschluss geben. Was mich nun hier interessiert, ob jemand den entsprechenden Stempel AGENZIA DEL LLOYD AUSTRIACO/ANCONA vor Mai 1838 gesehen hat, denn dies ist das früheste Datum, welches ich auf einem Brief verzeichnen konnte. Danke für eueren Hinweis.

  • Hallo Altitalien,

    spannendes Thema. Gibt es zur österreichischen Schiffspost, evtl. auch zur französischen Schiffspost in Italien Literatur in deutsch. Die von Del Bianco ist ja
    auf italienisch, dem ich leider nicht mächtig bin. ^^

    Viele Grüsse
    Christian

  • Leider nein, jedenfalls ist mir keine bekannt. Zur französischen Schiffspost in Italien gibt es ein aktuelles Buch von Alessandro Arseni "Storia della Navigazione a Vapore e dei Servizi Postali sul Mediterraneo" das ich sehr empfehlen kann, auch wenn man Italienisch nicht versteht, denn es enthält enorm viele Informationen, Tabellen mit Schiffen, Zeiten usw. und sehr gute Erklärungen. Es ist bislang Band 1 erschienen, es sollen aber noch mehrere folgen. Ich denke auch die Lloyd-Schifffahrt wird behandelt werden.

  • Die Postbeförderung durch den österreichischen Lloyd wurde durch eine Postkonvention zwischen der k.k. Staatsverwaltung und der Dampfschifffahrtsunternehmung des österreichichen Lloyd am 9. Juli 1851 beschlossen. Die vertraglichen Bedingungen sahen vor, daß das Dampfschifffahrtsunternehmen verpflichtet wurde, bei jeder regelmäßigen oder außerordentlichen Fahrt an den Haltestellen Postsendungen unentgeldlich oder gegen Vergütung mitzunehmen, bzw. abzugeben. Die unentgeldliche Beförderung auf den Fahrten im In- und Ausland war auf die amtlichen Brief- und Fahrpostsendungen der k. k. Behörden beschränkt. Auf den Fahrten zwischen allen österreichischen Seehäfen bezog sich diese unentgeldliche Beförderung aber auch auf die geschlossenen Briefpakete, die nichtamtliche Korrespondenzen und Zeitungen enthielten. Für alle nichtamtlichen Sendungen nach und von ausländischen Seehäfen waren die festgelegten Portosätze zu entrichten.

    In wieweit Postbeförderungen vor dem 9.7.1851 durch vertragliche Vereinbarungen geregelt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Der bei eBay angebotenen Brief wird auf jedenfall von der o.a. Regelung erfaßt.

    Gruß
    Postarchiv

    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.

    Ernst Freiherr von Feuchtersleben

  • Hallo Postarchiv,

    danke für Deine Erläuterungen. :thumbup:

    Dann ist der Brief in Ancona aufgegeben worden, und wurde mit den Lloyd-Stempel gestempelt. Da er an einen ausländischen Hafen ging, musste der Empfänger die vorne notierte Taxe bezahlen.

    Es reizt mich, diesen Brief zu kaufen...bisschen teuer, oder?

    Viele Grüsse
    Christian

  • Es reizt mich, diesen Brief zu kaufen...bisschen teuer, oder?

    Hallo Christian,

    ja, ein stolzer Preis, wobei ich aber die Seltenheit überhaupt nicht beurteilen kann. Vielleicht lässt ja der Verkäufer mit sich handeln.

    Gruß
    Postarchiv

    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.

    Ernst Freiherr von Feuchtersleben

  • Diese Bedingungen, die Postarchiv von 1851 nennt, hatte der Lloyd mit der österreichischen Regierung bereits viel früher ausgehandelt. Dieser angebotene Brief wurde vermutlich in Ancona geschrieben und direkt am Hafen beim Lloydagenten abgegeben, ohne direkt das Kirchenstaatspostamt zu berühren. Der Empfänger hat 40 Lepta bezahlt. Solche Briefe sind nicht sehr selten, aber auch nicht gerade häufig. Der Preis ist meiner Ansicht nach absolut zu hoch.

  • Hallo Altitalien,

    hab im Netz mal geschaut, Du hast absolut recht, die gibt es deutlich günstiger.

    Hat mich nur gereizt, den Laufweg mit dem österreichischen Lloyd nach Italien für meine Sammlung zu dokumentieren, aus Süddeutschland wird es wahrscheinlich ein Traum bleiben, darum wäre dieser Brief aus Ancona eine Alternative gewesen.

    Viele Grüsse
    Christian

  • Der hier gezeigte Brief stellt die früheste mir bekannte Verwendung des Agenturstempels von Ancona dar. Kennt jemand einen früheren? Ich glaube, dass die Verwendung gegen Ende 1837 begann, jedenfalls ist das auch ein Beweis dafür, dass die mittlerweile schwache Präsenz der Franzosen in Ancona bereits im Laufe des Jahres 1838 (sie zogen ja erst im Dezember völlig ab) die Österreicher mutig werden liess. Bemerkenswert: dieser Brief lief am Kirchenstaats-Postamt vorbei (der Absender bestätigte diese Praxis sogar im Inhalt), und es wurde 12 Kr CM Lloydgebühr bezahlt, wie der Vermerk rückseitig belegt. Jedenfalls wollte Corfu für den Auslandsbrief 6 d, und dann dazu die ionische Gebühr 5 d dazu weil der Brief nach Zakynthos ging. Übrigens war der Empfänger Guglielmo Neroni einer der berühmtesten Violinisten seiner Zeit und gerade auf Konzerttour in der Levante, die er in den Ionischen Inseln begann, und dann weiter nach Athen und Konstantinopel...

  • Wieder ein Brieflein aus der Zeit vor dem Lloyd, aber ich denke er passt in diese Rubrik. Von Korfu nach Ancona, 1834, der Lloyd war also noch nicht aktiv, aber lange war es nicht mehr hin. Ich finde diese Vorläuferzeit besonders faszinierend, da sie einen Abschnit der Schiffspost im Mittelmeer betrifft, der noch sehr wenig erforscht ist. Nun, aus der spärlichen Literatur wissen wir, dass es Kaufleute gab, welche einen Postkurs von den Ionischen Inseln nach Ancona und weiter nach Triest betrieben, der als "Vapore Ionio oder Ionico" bekannt ist, das "Flaggschiff" war die "Eptaissos". Dieser Brief trägt den Vermerk "Col Vapore Ionio", Beförderungszeit 4 Tage. Während er in den Ionischen Inseln 9 pence bezahlt hat, einschliesslich Schiff, wurde er im Kirchenstaat nur mit 2 bajocchi taxiert. Die 9 d deuten darauf hin, dass er schwerer war, denn der einfache Brief kostete in jener Zeit 6 d. Darauf weist auch der Gewichtsvermerk in der linken oberen Ecke hin, in derselben roten Tinte wie der Taxvermerk. Wieso allerdings Ancona "nur" 2 bajocchi belastete, bleibt noch etwas ungewiss. Quellen dazu hab ich noch keine gesehen. Hier meine (vorläufigen) Schlüsse. Offensichtlich gab es eine Vorzugsbehandlung für diese Briefe aus den Ionischen Inseln, denn andere Grenzfrankobriefe in den Kirchenstaat wurden mit sehr hohen Gebühren belastet, die manchmal an Piraterie grenzten. Ich kenne Briefe nach Ancona mit 1, 2 und 5 baj Porto. Das heisst für mich, dass das Kirchenstaatspostamt nur die Ortsgebühr verlangt hat.

  • Hallo Altitalien,

    ein faszinierender Brief und mit deiner Beschreibung einleuchtend behandelt. Leider kann ich den Vermerk oben links gar nicht lesen - heißt es vlt. 9 Denari?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,
    Briefe aus Altitalienischen Staaten in die Ionischen Inseln, welche über Ancona und den Österreichischen lloyd gelaufen sind, haben durchaus Seltenheitswert. Aus Neapel ist dies der erste, den ich sehe. Der Kirchenstaat hat mit dem Königreich der beiden Sizilien 1840 eine Übereinkunft für den Transit von Briefen nach Griechenland/Ionische Inseln abgeschlossen, und verlangte für den Transit 1 scudo pro Unze, wobei er auch den Lloyd vergüten musste. Hier sehen wir einen Brief vom 8. Juli 1845. Er wurde dem Forwarder Codiert Iggulden & Co. übergeben, ursprünglich via Malta instradiert, dann aber über Ancona geschickt. Es wurden 39 grana bezahlt, einschliesslich 32 grana Weiterfranko an Rom. Ancona vergütete an den Lloyd 10 baj (12 Kr CM) rückseitig. In Korfu wurden dann 4 d (3 ionische Inlandsgebühr + 1 für Ancona) berechnet. Frage: wieso aber wollten die Ionischen Inseln einen zusätzlichen penny, der Brief war ja bis zur Grenze inklusive Schiff voll bezahlt?