Baden <-> Großbritannien

  • Lieber balf_de,

    wie versprochen geht es jetzt an die Klärung der Taxen deines Briefes.

    Maßgeblich für die Behandlung war der PV Großbritanniens mit Preußen vom 1.1.1863. Was ich nun zitiere, ist die bayer. Primärquelle, die mit der badischen 1 : 1 übereinstimmen sollte, denn Preußen gab seinen Vertragstext ja an alle süddeutschen Staaten weiter und ermöglichte diesen somit, am Verhandlungserfolg zu partizipieren.

    Franko Baden - GB über Preußen und Belgien (letzteres im geschlossenen Transit via Ostende) 8x (2 1/4 Sgr.) für Baden und 10x (2 3/4 Sgr.) Weiterfranko für Belgien und GB.
    Porto Baden - GB bei gleichem Laufweg 9x (2 1/2 Sgr.) für Baden und 14x (4 Sgr.) für Belgien und GB.

    Das badische Weiterfranko war stets an Preußen zu vergüten, auch wenn Preußen bei badischen Briefen nach GB davon nichts behalten durfte.

    Prinzipiell war franko oder porto abzusenden - eine teilweise Frankatur (Teilfranko) war nicht statthaft!

    Als Gewichtsstufen waren vorgesehen: Unter 1 Loth einfach, unter 2 Loth doppelt, unter 3 Loth dreifach usw.. Das Loth von 16,66g wurde demnach exklusiv gerechnet.

    "Ungenügend frankierte Briefe können zwar nach solchen Ländern, wohin ein Frankozwang nicht besteht, Beförderung erhalten, sind jedoch der Taxe nach als unfrankiert zu behandeln und an letzterer die Werthbeträge der in Verwendung gekommenen Marken abzuziehen."

    Dieser Satz ist sehr wichtig, denn er wies die Aufnahmebeamten an, wie in den seltenen Fällen zu verfahren war, wenn die Frankatur unzureichend war.

    Demnach war ein Brief der 1. Gewichtsstufe mit 23x zu belasten, wovon das Franko von 15x abzuziehen war - blieben also 8x zu wenig. Ein unfrankierter Brief nach GB der 1. Gewichtsstufe kostete 8 Pence (= 23x). 1 Penny entsprach 2,875x, so dass 15x gleich 4,31 Pence entsprachen. Diese gerundeten 4 1/2 Pence sehen wir rechts auf dem Brief.

    Warum man später einen Penny abzog und letztlich nur 3 1/2 Pence vom Empfänger kassierte, kann ich nicht sagen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo in die Runde

    also ich kann nicht die Fahrposttaxe bestimmen, da ich fast keine Unterlagen für Belgien, geschweige England besitze.
    Allgemein finde ich nur etwas zwischen Preussen und Belgien, jedoch ist in diesem Zusammenhang nicht der DÖPV inbegriffen!

    Soweit ich gefunden habe, könnte über die Nordbahn (staatliche Eisenbahn) in Belgien versendet worden sein. Schwierig wird die Frage, wie hoch nun der DÖPV-Anteil wäre. Der Austauschpunkt ist Herbesthal! Aus Preussen wären es 8 Sgr + 8 Sgr für den Transit durch Belgien (Postamtsblatt 25 des Jahres 1861). Umgerechnet in Kreuzer wären es insgesamt 56 Kreuzer.

    Von Heidelberg bis Herbesthal sind es knapp 32 Meilen und innerhalb des DÖPV wäre der Mindestfahrposttarif 5 Sgr oder 18 Kreuzer.
    Dazu käme noch eine Werttaxe von 6 Sgr bzw. 21 Kreuzer. Damit liegen wir schon bei 39 Kreuzer, ohne Belgien und England.

    Leider kann ich dazu nicht mehr sagen, da ich nichts nach 1863 in diesem Zusammenhang habe. :(

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Lieber Magdeburger,

    danke für deinen Ansatz - ich hätte zwar die Unterlagen da, aber das Studium würde mich den Mai kosten und ob ich dann das richtige Ergebnis heraus gefunden hätte, steht noch auf einem anderen Blatt. Ich halte aber 8 - 10 Gulden für einen realistischen Wert und ob es dann einer mehr oder weniger wäre, macht den Bock auch nicht wirklich fett. Jedenfalls hat sich unser Heidelberger Lausbub einen Haufen Geld gespart. Wäre die Sendung in die Hose gegangen oder unterschlagen worden, sähe das natürlich ganz anders aus.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch, hallo zusammen!

    Meine erste Stellungnahme kennst Du schon aus vielen Beiträgen: ganz herzlichen Dank für Deine Mühe und Gratulation zu Deiner profunden Sachkenntnis, von der ich wieder einmal profitieren konnte.

    Herzlichen Dank auch an Dich, lieber Magdeburger – Dich trifft es immer am härtesten, wenn das Stichwort „Fahrpost“ fällt …. :whistling:

    Zu der ominösen Taxierung 3 ½ habe ich mir folgendes überlegt:

    Bei einer früheren Briefbesprechnung galt …

    Briefe nach GB über Preußen und Belgien waren mit 18 Kr. zu frankieren, wovon 8 Kr. Baden verblieben und 10 Kr. an Weiterfranko den preußischen Posten zu vergüten war. Diese 10 Kr. waren in 2 3/4 Sgr. zu reduzieren, wie hier richtig notiert.

    Im Sem-Handbuch finden sich im Abschnitt „Postvereinstaxe (Briefe in Länder des DÖPV bis 31.12.1867)“ zum Stichwort „unfrankierte Briefe“ die Information „+3 Kr. Zuschlag je Loth Gewicht“.Nun ist mir zwar klar, dass Großbritannien nicht zum Postverein gehörte, aber wenn ich zu den 18 Kr. nur 3 Kr. – für unfrankiert – addiere, dann komme ich auf 21 Kr. mit 13 Kr. Weiterfranko, die sich in 3 ½ Sgr. reduzieren lassen. Es könnte doch sein, dass – ähnlich wie bei den zuvor gezeigten Briefen – die Taxierung von der Preussischen Post vorgenommen wurde.
    Bitte, lieber bayern klassisch, sage mir doch bitte „schonungslos etwas Nettes“ zu dieser Überlegung …

    Liebe Grüße
    balf_de

  • Lieber balf_de,

    leider kann ich, so gerne ich es auch wollte, deiner PO - Beschreibung nicht ganz zustimmen, denn 3 1/2 Sgr. kamen zwar 13 Kr. sehr nahe, aber in GB wurden ja 3 1/2 Pence angesetzt und der Sgr. war etwas wertvoller, als der Penny und von dem Zuschlag bei Portobriefen innerhalb des Postvereins müssen wir uns leider auch trennen, denn die Differenz betrug ja 5 Kr. (ein moderner Vertrag!) und nicht deren 3.

    Leider sind unterfrankierte Briefe dieser Periode nach GB keine Massenware, selbst wenn man ganz AD überblicken würde. Vlt. kann Asmodeus etwas dazu sagen, der ja GB - Sammler ist.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo zusammen,

    ein interessantes Thema.

    Vielleicht ging der Brief über Frankreich???
    Das Porto betrug über Frankreich/Calais (aus Preussen 5 1/2 Sgr. und unfrankiert 6 1/2 Sgr.)
    Bei dem üblichen Weg über Belgien/Ostende Betrug das Porto 5 Sgr. und unfrankiert 7. Sgr.
    aber ich glaube damit lässt sich der fehlende Penny auch nicht erklären ?( ?( ?(

    noch was Interessantes.
    Wertbriefe mit Geld waren nach Belgien/England zumindest bis zum Ende der 60 Jahre nicht möglich
    Selbst als Paket schied der Weg über Belgien nach England aus.
    Nur über Frankreich Calais, Hamburg und Rotterdam konnte man Geld in Paketen versenden. Wusste ich bis heute auch nicht
    Link1
    Link2
    Link3

    schönen Gruss
    Peter

  • Hallo Peter,

    danke für deine Infos - aber der Laufweg über Frankreich scheidet definitiv aus, weil die entsprechenden Stempel Bade - Strasbourg usw. fehlen.

    Danke für die Links - vlt. hätte er besser "via France" geschrieben ... aber dann hätte unser lieber balf_de nicht solch ein hochinteressantes Stück!

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo zusammen!

    Heute haben meine Heidelberger Briefe nach Großbritannien Verstärkung bekommen: die Lücke zwischen meinem zuerst hier gezeigten Brief aus dem Jahr 1830 und den anschließenden aus der badischen Markenzeit wird hier geschlossen:

    Er lief am 1. Februar 1848 aus Heidelberg über Straßburg , das er am 2. Februar erreichte, nach London, wo er am 4. Februar ankam. Mir gefallen die hübschen bunten Sempel, die man so in der Markenzeit nicht wiederfindet ...

    Trotz „P.D.“-Stempels war er vermutlich nur bis zur französischen Küste (Calais?) freigemacht – jedenfalls lese ich unten links „frei Grenze“. Die siegelseitige Taxierung „14/8“ bedeutet wohl einen badischen Portoanteil von 8 Kr., während Frankreich die 14 Kr. beanspruchte. Damit war das Porto gegenüber dem Jahr 1830 schon deutlich günstiger, aber immer noch teurer als zur Markenzeit.

    Viele Grüße

    balf_de

  • Lieber balf_de,

    ein nettes Briefchen mit fast richtiger Beschreibung - 8x für Baden und 6x für Frankreich bis zur Küste, ab der britische Schiffe den Weitertransport übernahmen und daher 8x für GB. Dies konnte in Calais, Le Havre oder Boulogne Sur Mer von statten gegangen ein, das lässt sich ohne Stempel schwerlich nachweisen. Der P.D. - Stempel wies die ganze Frankatur hin. In der Markenzeit war es ja nicht viel günstiger, als damals schon.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber bayern klassisch!

    ein nettes Briefchen mit fast richtiger Beschreibung

    Zu Deinem Talent, einem ahnungslosen Sammlerfreund schonungslos etwas Nettes zu sagen, kann man Dir nur gratulieren: "nettes Briefchen, aber leider völlig falsch beschrieben ..." würde meinen Beitrag sicher besser klassifizieren. :thumbdown:

    Der Text "frei Gr(enze)" hat mich auf die falsche Fährte geführt. Auf jeden Fall möchte ich mich für Deine Korrektur herzlich bedanken!

    Der P.D. - Stempel wies auf die ganze Frankatur hin.

    Das werde ich mir zukünftig bestimmt merken!

    Viele Grüße

    balf_de


  • Hallo zusammen!

    Heute habe ich – quasi als vorgezogenes Weihnachtsgeschenk – Post aus München bekommen: Herr Stegmüller schickte mir heute ein Prüfsendung zurück. Darunter war auch der hier vorgestellte und ausführlich besprochene Brief aus Heidelberg nach London vom September 1867.Warum habe ich mich über das Ergebnis gefreut ? 

    ein vortrefflicher Brief, um den dich jeder Badensammler beneidet - und das bei einem Preis, der im tiefgrünen Bereich angesiedelt war - phantastisch!

    Das kann man wohl sagen! Es ist zwar postgeschichtlich nicht entscheidend, aber doch deutlich mehr als nur „nice to know“, wenn man erkennt, dass die frankierte 9-Kreuzer-Marke einen 20 mal höheren Katalogwert hat als vermutet! Auch wenn ich nicht unbedingt ein „Farben-Freak“ bin, so bin ich doch immer noch Briefmarkensammler genug, mich über meinen ersten Brief mit einer Nummer 20 c zu freuen!

    Aber auch wenn Franz Stegmüller den philatelistischen Aspekt in den Vordergrund stellt – „dunkelbraun“ ist fett gedruckt – so hat er darüber hinaus ein bemerkenswert postgeschichtlich orientiertes Attest erstellt, für das ich ihm sehr dankbar bin (und das sich auch weitgehend mit unseren hier erarbeiteten Erkenntnissen deckt).

    Es ist zwar in diesem Forum sicher überflüssig, für ihn und die Qualität seiner Arbeit als Prüfer zu werben, aber ich denke es lohnt sich, das fundierte Attest anzuschauen.

    Viele Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,

    Glückwunsch zu einem tollen und außergewöhnlichen 20c - Brief, von denen es nicht viele gibt. Als ich noch jung und hübsch war, habe ich ja ganz AD lose und auf Brief gesammelt, bis er mir zu günstig wurde. Es war schon nicht einfach, eine lose 20c in guter Erhaltung zu finden - um so mehr kann ich dir zu diesem Brief gratulieren, der bis auf den unwesentlichen Bug durch die günstige Marke traumhaft ist. Einen zweiten wird es in dieser Art wohl nicht mehr geben ...

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,

    meine „Engländer" aus der VM(Z)-Zeit haben wieder Verstärkung bekommen:

    Am 3. Dezember 1836 ging mein Brief aus Heidelberg an die bekannte Adresse Huth in London. „Single“ schreibt der Absender – das heißt wohl, dass er das damalige Gewichtslimit für einen einfachen Brief (1/2 Loth oder 1 Loth ?) nicht überschreiten wollte.

    Völlig unklar ist mir die vorderseitige Taxierung: „14“ lese ich in schwarzer Tinte. Ich stelle mir vor, es handelt sich um das vom Empfänger zu entrichtende Porto (in Pence?) für den Transport per Schiff und nach London.

    Siegelseitig wurde schon in Heidelberg (?) in rot 11 / 8 taxiert. Darüber wurde dann der saubere Londoner Ankunftstempel vom 8. Dezember 1836 abgeschlagen. Vermutlich hat der Absender 19x Porto bezahlt, wovon 8x in Baden blieben und 11x an die Transitstaaten Taxis und Preußen für den Transport bis zur Küste gingen.

    Jetzt werde ich bestimmt bald zu lesen bekommen, wie wenig meine Beschreibung der Realität entspricht. Aber ich bin auf alles gefasst …

    Viele Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,

    schön, dass er bei dir gelandet ist - ein hübsches Briefchen, "by the way". :P

    Mit den frankierten Gebühren hast du fast Recht - 8x für Baden und 31x für ?? Französische Stempel fehlen, preußische auch, niederländische oder belgische sowieso - tja, ich weiß auch nicht, welchen Weg er genau genommen hat. Mit 38x war es aber kein Billigheimer!

    In GB kostete er jedenfalls 1 Shilling 4 Pence - immer geschrieben 1/4, von daher war deine Schätzung mit 14 Pence gar nicht mal so schlecht (1 Shilling = 12 Pence). Wenn man die Parität von 1 Penny = 3x rechnet, dann zahlte der Absender 38x und der Empfänger 42x, in summa also schlappe 80x oder 1 Gulden 20x - und das für das 1. Gewicht bis 1/2 Loth bzw. die Viertelunze, was GB betrifft.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Bayern klassisch,

    ich habe es schon mehrfach geschrieben: Du hast eine unglaublich charmante Art, fehlerhafte Belegbeschreibungen anderer (insbesondere meine ...) zu korrigieren: "Gar nicht mal so schlecht" klingt ja auch viel besser als "voll daneben" :thumbdown:

    Wenn man die Parität von 1 Penny = 3x rechnet, dann zahlte der Absender 38x und der Empfänger 42x, in summa also schlappe 80x oder 1 Gulden 20x - und das für das 1. Gewicht bis 1/2 Loth bzw. die Viertelunze, was GB betrifft.


    Damit ist es vermutlich der "teuerste" Brief meiner Sammlung! Das ist natürlich in erster Linie auf die siegelseitig notierten 31 Kreuzer zurückzuführen, von denen unklar ist, welche(n) Postverwaltung(en) sie zustand(en). Natürlich hast Du recht: es ist eindeutig die Zahl "31" notiert - nur weil mir die "11" viel wahrscheinlicher erschien, habe ich es so interpretiert.

    Jedenfalls bedanke ich mich für Deine Hilfe bei diesem "teuren" Brief!

    Liebe Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,

    ich kann den Laufweg nur zeittypisch vermuten - über Frankreich würden 31x glaube ich passen, nur hätte man dann den Grenzübergangsstempel von Strasbourg vergessen, was nur ganz selten vorkommt (da sind wir im Promille - Bereich, wenn wir die Briefe nach Strasbourg selbst abziehen). Bei der Leitung über Preußen/Belgien oder Preußen/NL hätten wir eine Umrechnung des Weiterfrankos und die Grenzübergangsstempel zu gewärtigen, weswegen ich zu der Annahme tendiere, einen Brief über Frankreich vor uns zu haben. Nur beweisen kann ich es leider nicht ...

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,

    anders als bei meinem zuletzt gezeigten Brief aus England nach Heidelberg ist der Leitweg diesmal eindeutig:

    Am 24. Oktober 1849 ging das Damenbriefchen aus der Londoner Kings Road (London, damals sicher die größte Stadt der Welt, war wohl so bedeutend, dass man den Namen der Stadt auf den Poststempeln nicht extra erwähnen musste...) Richtung Süden zum Kanal, setzte am 25. Oktober über nach Calais, wurde durch Frankreich spediert und erreichte Heidelberg per Eisenbahn am 27. Oktober 1849.

    Sicher führte der Weg über die Grenze in Straßburg; der Kursstempel der Badischen Bahnpost zeigt die Beförderung nach Norden (meine Eselsbrücke: der „Polarstern“).

    Wer es nicht glaubt: ja, schon seit April 1848 wurde in Baden die Post per Eisenbahn befördert!

    Jetzt kommen wir zu dem Teil der Belegbeschreibung, wo ich mich meistens blamiere: 14 Kreuzer sind auf dem Portobrief für den Transport durch Frankreich notiert, was wohl 5 Décimes entspricht. Weitere 8 Kreuzer kassierte Baden; die (schwarz) notierten 22 Kreuzer ergeben den von Herrn Charles Graimberg ( -> http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_de_Graimberg) kassierten Betrag.

    Das Briefchen stammt übrigens von der Tochter des Grafen. Mein Französisch ist leider nur noch sehr rudimentär erhalten geblieben – ich konnte nur erkennen, dass sie schon länger auf Post ihres Vaters wartet und etwas in Sorge bezüglich seiner Gesundheit ist, denn man hat in London von Cholerafällen in Mannheim gelesen. Falls hier jemand Interesse an „Social Philately“ aus dieser Zeit hat – und über ausreichend Sprachkenntnisse verfügt -, scanne ich auf Wunsch gerne auch den Brieftext.

    Viele Grüße
    Alfred (balf_de)

  • Lieber balf_de,

    ein attraktives Briefchen mit perfekter Beschreibung - da braucht es mich doch gar nicht mehr. 3 Decimes für GB und den Schiffstransport, 2 Decimes für Frankreich und 8x für Baden = 22x.

    Schön auch, dass du die Sophy, die hinter ihm steckt, perfekt in Szene gesetzt hast. Immerhin wurde der alte Knabe 90 Jahre alt und das war früher mehr als ein biblisches Alter.

    Danke fürs zeigen und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    da braucht es mich doch gar nicht mehr.

    Danke für die Blumen!
    Ja, ja schön wär’s ...

    Für mich sind die Taxvermerke – hauptsächlich aus der badischen Vormarkenzeit – reine Glücksache. Die „14“ auf dem Brief als Kreuzer zu erkennen, hat nur damit zu tun, dass bis zu „22“ die Differenz 8 beträgt, was mir als badischer Portoanteil schon bekannt war (und zwar durch Dich, lieber BK!)

    Vermutlich hat doch ein französischer Postbeamter den roten Taxvermerk notiert. „14“ war der Betrag, den er von der badischen Postverwaltung haben wollte. War es dann eigentlich grundsätzlich so, dass in derjenigen Währung taxiert wurde, in der das Porto bezahlt wurde – bei Portobriefen also in der Empfängerwährung? Wie oder was wäre von wem notiert worden, wenn es sich um einen Francobrief gehandelt hätte?

    Wie Du siehst, wir sind noch ganz am Anfang ...
    Danke für Deine Hilfe, auch schon heute für die zukünftige!

    Viele Grüße von Alfred (balf_de)

  • Lieber balf_de,

    die Taxen der Portobriefe sind in der Lokalisierung schwieriger, als die der Frankobriefe.

    Bei frankierten Briefen (z. B. GB - F - BA) hätte man in GB das Gesamtfranko in heimischer Währung notiert und die weiter zu zahlenden Beträge als Weiterfranko in der Briefkarte vermerkt (die wir heute nicht mehr besitzen).

    Frankreich hat sich dann "seinen" vertraglich zugesicherten Anteil gut geschrieben, wie sich auch Baden gegenüber Frankreich seine Forderung in der Briefkarte bonifizierte. Bei diesem Brief wären das ca. 6 Pence für Baden gewesen. Da alle Postverwaltungen miteinander abrechneten, gab es immer ein Plus oder Minus, das am Monats- bzw. Quartalsende ausgeglichen werden musste.

    Bei deinem Portobrief hat GB die Briefe an Frankreich verkauft, wie man heute auf dem Wochenmarkt Obst und Gemüse verkauft. 1 Pfund Äpfel = 2 Euro, 1 Unze unfrankierte Briefe über Frankreich nach Baden 1 Shilling (das ist nur eine Beispielgröße, ich kenne den Vertrag nicht auswendig). Frankreich hatte sich vor dem Vertrag mit GB ausgerechnet, was die Briefe im Schnitt wogen und wie viele auf eine Unze gingen und verkaufte sie dann gewinnbringend an Baden weiter. Baden, am Ende der "Nahrungskette", konnte nur Frankreichs Postvertrag akzeptieren und für seine Vermittlung fremder Briefe danken, denn Baden brauchte Frankreich, Frankreich aber Baden nicht wirklich.

    Da nur einer bezahlen konnte, nämlich der Badener, machten Taxen in britischer oder französischer Währung keinen Sinn. Dein Brief weist sie auch nicht auf. Die badische Bahnpost (die mit dem Stern) erhielt den Brief, wog ihn (was zuvor noch keiner gemacht hatte, weil ja eh nur nach Gewicht pauschal verkauft wurde und eine individuelle Berechnung und Abwiegung nicht notwendig war) und stellte ihn als einfach fest (bis 1/2 Loth). Dann wusste man, dass er mit 14x für GB + Frankreich und nach der Entfernung mit 8x für Baden zu taxieren war.

    Die Addition nahm erst der vor, der ihn dem Briefträger gab und von dessen mathematisch - arithmetischen Künsten weniger überzeugt war, i. d. R. also der Heidelberger Posthalter. Für die bad. Bahnpost war die Trennung von 14 und 8 Kr. jedoch sinnvoll, denn sie musste ersteres an Frankreich vergüten und hatte für sich letzteres zu fordern, da durfte man nicht durcheinander kommen, sonst gab es Ärger.

    Der HD - Post war es völlig egal, wer wie viel zu bekommen hatte, denn sie hatte in der dazugehörigen Briefkarte von Kehl den Brief mit 22x angedient bekommen und nun für die Beikassierung zu sorgen.

    Wäre der Brief nicht zustellbar gewesen, hätte er sich in der Briefkarte unter den unanbringlichen Briefen / Retourbriefen mit 22x wieder gefunden. Dann hätte die badische Bahnpost ihn den Franzosen mit dem Bemerken zurück gegeben: 8x bitte an uns später gut schreiben, der Rest geht uns Badener nichts an. Durch die Zurückrechnung war die Schuld Heidelbergs erloschen und gleichzeitig die Forderung Badens von 8x an Frankreich erhoben worden.

    Frankreich hatte ihn nun mit 8x Fremdporto intern belastet an der Backe und musste seinerseits mit GB den Brief nun pauschal (er wog ja immer noch das gleiche) zurück rechnen und für die geleisteten Transitdienste seinen Teil fordern.

    GB hatte ihn dann mit der badischen und französischen Forderung zurück bekommen und den Absender gebeten, den Brief mit 1 Shilling 3 Pence auszulösen. Hätte er nicht für seinen eigenen Brief zahlen können, wäre er eingesperrt worden (Schuldenturm hieß das mal).

    Sorry für den kleinen, aber ausführlichen Exkurs, aber nur so kann man meiner Meinung nach dergleichen Briefe wirklich verstehen und die Bedeutung der Verträge, Laufwege und Taxen verinnerlichen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.