zur Handhabung von Eingangs- und Kontrollstempeln

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    die Diskussion über den V.C.-Stempel nehme ich zum Anlass, mal nach der prinzipiellen Vorgehensweise bei Taxierungs- und Kontrollvorgängen im Postamt zu fragen. In meinem Sammelgebiet gibt es ebenfalls zwei Stempel, "R" und "P", die sporadisch auf eingehender Post nach Preußen zu finden sind und in der Literatur als Kontrollstempel interpretiert werden.

    Wie habe ich mir die Durchführung eines solchen Kontrollvorgangs vorzustellen?
    Wie war überhaupt die Reihenfolge der Bearbeitung von eingehender Auslandspost?

    Um etwas kontrollieren zu können, muss ja die Taxierung und evtl. Gewichtskontrolle durch einen Postbeamten schon vor der Kontrolle durchgeführt worden sein.
    Erfolgte die Stempelung mit Orts- und ggf. Auslagestempel ebenfalls direkt durch diesen Beamten?
    Wurde ein Vertragsstempel, wie "via di Svizerra" oder "Aus Bayern" o.ä., ebenfalls hier vorgenommen?

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    hier ein Versuch, deine Fragen halbwegs hinreichend zu beantworten:

    Wie habe ich mir die Durchführung eines solchen Kontrollvorgangs vorzustellen?

    Wenn das Ausland vortaxieren durfte, hätte man diese Taxe überprüfen können. Das galt nur für Portobriefe. An eine solche Bearbeitungsweise glaube ich nur bei Gemeinschaftstaxen, nicht bei Separartaxen.

    Bei eingehenden Frankobriefen wurde kontrolliert - ich kenne 3 Belege nach Bayern in der VMZ, die von der Aufgabepost im Ausland als voll frankiert angesehen wurden, bei denen das Franko in Bayern aber als zu gering angesehen wurde. Die bayer. "Tatorte" waren Augsburg und Nürnberg in den 1840er Jahren.

    Wie war überhaupt die Reihenfolge der Bearbeitung von eingehender Auslandspost?

    Öffnung des Postsacks, Entnahme der einzelnen Bündel, Öffnung der Bündel, bei Portobriefen Nachberechnung der Taxen, Addition derselben, Überprüfung von eigener Rechnung mit den Angaben in der Briefkarte, Rücksendung der Duplo - Briefkarte mit Unterschrift und Datum als Bestätigung des Erhalts und der rechnerischen Richtigkeit.

    Gleich war es bei Frankobriefen - es wurde alles in der selben Briefkarte / Duplokarte notiert.

    Rückrechnung von Retour - und unbestellbaren Briefen.

    Verteilung der eingehenden Post an weiter hinten gelegene Posten und Entnahme der Loco - Poststücke mit Übergabe an die Stempler bzw. die Briefpostübernahmebeamten. Bei kleineren Expeditionen erfolgte die direkte Übergabe an die Briefträger sortiert nach Bestellgang.

    Um etwas kontrollieren zu können, muss ja die Taxierung und evtl. Gewichtskontrolle durch einen Postbeamten schon vor der Kontrolle durchgeführt worden sein.

    Bei größeren Ämtern öffnete einer, fertigte ab und klärte die Briefkartenangaben. Ein anderer taxierte weiter für das Inland bzw. für nachfolgende Postgebiete, notierte die Taxen nach Entfernung und Gewicht auf den Briefen, schlug auf dem fremden Porto den Auslagestempel ab und addierte es mit dem von ihm errechneten Inlandsporto zu einem Betrag und trug dieses in der neuen Briefkarte vor.

    Dann waren die unterschiedlichen Briefpakete zu fertigen und nach Vorschrift in bekannter Reihenfolge aufeinander zu legen und im Postsack zu verschließen. Nun notierte man auf einer Oblate oder Beutelfahne die Zielpost und übergab den Postsack der nächst folgenden Eisenbahn bzw. Kutsche für die Tour / Retour.

    Erfolgte die Stempelung mit Orts- und ggf. Auslagestempel ebenfalls direkt durch diesen Beamten?

    Das wurde offensichtlich unterschiedlich gehandhabt - je nach Größe des Amtes und des Arbeitsanfalls. In Nürnberg z. B. hätte das nicht einer allein gepackt, in Augsburg wohl auch nicht. Als Eingangsstempel vorgesehen waren, erhielten sie diese entweder vom Briefestempler und erst dann kamen sie zum Beamten zur Be- und Verrechnung, oder einer machte das alles selbst.

    Wurde ein Vertragsstempel, wie "via di Svizerra" oder "Aus Bayern" o.ä., ebenfalls hier vorgenommen?

    Diese Stempel waren nicht bayerisch - sie wurden von fremden Postverwaltungen abgeschlagen an den Orten, an denen der Postvertrag ihren Einsatz vorschrieb. In Mailand z. B. sassen mehrere Beamte, die für "ihren Bereich" mit dem Stempelgerät ausgestattet waren und auch eine Kontrolle durchführten (kenne ich aus den 1840er und 1850er Jahren). Daher gab es auch Doppelabstempelungen und Doppeltaxierungen.

    Der Kontrollfaktor dürfte als gering angesehen werden, zumindest dann, wenn das Abrechnungsverfahren seit geraumer Zeit lief. In den 1810er Jahren war Bayern, um wieder auf deine Ausgangsfrage zurück zu kommen, ängstlich und wollte auf keinen Fall, dass seiner Postverwaltung Gelder verloren gingen. Eine Kontrolle in dieser frühen Phase ist sicher, dürfte sich aber mit der Zeit erübrigt haben (zu hohes Aufkommen, Personalnot, zu wenige Fälle von Fehltaxierungen oder anderes mag der Grund dafür gewesen sein).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    vielen Dank für die schnelle und umfassende Antwort.

    Wichtig, und zumindest für mein Verständnis der Briefe mit Kontrollstempel entscheidend, ist die Trennung in Taxierung/Briefkartenbearbeitung durch einen Beamten und anschließender Stempelung durch einen zweiten Beamten. Wenn man jetzt davon ausgeht, dass dieser zweite Beamte dann neben seiner Stempelaufgabe auch den Kontrollvorgang durchführen konnte, erklärt sich, warum auf keinem der kontrollierten und mit einem entsprechenden Stempel gekennzeichneten Briefe ein Vertragsstempel zu finden ist.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael

    wenn die Ausstellung hinter mir liegt, werde ich mich mit den "Aufgaben" der einzelnen Expedition des Magdeburger Postamtes um 1851 auseinander setzen. Die entsprechenden Kopien der Akte habe ich, jedoch kann ich sie aus rechtlichen Gründen hier nicht eingescannt zeigen! Allerdings kann ich die Transkription einstellen - Bitte ein wenig Geduld.

    Grob kann ich Dir sagen, dass es bei großen Postämter sogenannte Decartierungs-Expedtionen gab. Über diese liefen alle Sendungen. Ein Aufgabebereich bei Eingang von Posten war das Öffnen der Briefbeutel, das Zuschreiben in die entsprechenden Bücher usw.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf