Der Krieg von 1866 in Italien

  • Hallo,

    Nachdem in diesem Forum über die Kriegereignisse des Jahres1866 in Deutschland viel Interessantes und Wissenswertes berichtet worden ist, will ich den Blick südwärts über die Alpen lenken, speziell auf den Briefverkehr von Italien nach Österreich im Zeitraum 19. Juni - 19. September 1866. Bevor ich meine vier Briefe aus diesem Zeitraum zeige, einige einführende Bemerkungen: 
    Am 08. April 1866 hatten Italien und Preußen einen geheimen Bündnisvertrag abge­schlossen. Nachdem mit dem preußischen Einmarsch in Sachsen und Hannover am 16. Juni 1866 der Deutsche Krieg begonnen hatte, erklärte gemäß seiner Bündnisverpflich­tung Italien am 20 Juni 1866 Österreich den Krieg. Die italienischen Truppen überschrit­ten den Grenzfluss Mincio, erlitten aber am 24. Juni 1866 in der Schlacht bei Custozza eine schwere Niederlage und zogen sich wieder zurück. Nach dem preußischen Sieg bei Königsgrätz zogen die Österreicher ihre Truppen zur Verteidigung von Wien weitgehend aus Norditalien ab. Am 08. Juli überschritt das italienische Heer erneut die Grenze und konnte den weitaus größten Teil Venetiens mehr oder minder kampflos besetzen. Nur einige Festungen (Verona, Mantua, Peschiera, Legnago, Palma) sowie Venedig blieben mit ihrer unmittelbaren Umgebung in österreichischer Hand. Mit dem Waffenstillstand von Cormons am 12. August 1866 wurden die Kampfhandlungen beendet. Mit dem am 03. Oktober 1866 abgeschlossenen Friedensvertrag von Wien wurde ganz Venetien endgültig Bestandteil des Königreichs Italien.

    Am 19. Juni 1866 wurde der direkte Postaustausch zwischen Italien und Österreich eingestellt. Eine Woche später wurden alle italienischen Postämter darüber informiert, dass der Postverkehr mit Österreich wie bereits 1859 über die Schweiz zu erfolgen hat - Postumleitung "Via di Svizzera". Die dabei geltenden Gebühren werden angegeben.

    Mein erster Brief stammt vom nächsten Tag (25. Juni 1866). Er wurde von Mailand nach Trento (Trient) in Südtirol geschickt. Es handelt sich um einen Portobrief, die Bezahlung der Gebühr blieb dem Empfänger überlassen. Auf der Adressseite befinden sich ein Kreisstempel MILANO sowie mit Rötel zwei Taxzahlen „20“ und „10“. Auf der Siegelseite sind folgende Stempel sichtbar: schweizerischer Kreisstempel (Bahnpost) ZÜRICH – CHUR / Z 83 vom 27. Juni 1866 
    schweizerischer Zweikreisstempel CHUR vom 27.Juni 1866 
    österreichischer Zweizeilenstempel FELDKIRCH / 27. JUN. (leider sehr unsauber abgeschlagen) 
    österreichischer großer Kreisstempel TRIENT vom 29. Juni 1866 

    Trotz des erheblichen Umwegs und der den Zeitumständen geschuldeten besonders genauen Prüfungen durch die schweizerische Post gemäß Verfügung Nr. 16 vom 23. Juni 1866 hat der Brief innerhalb von 4 Tagen sein Ziel erreicht.

    Der Brief wurde in Österreich taxiert. Es ist sowohl das fremdländische Porto von 20 Nkr.. (je 10 Nkr. für Italien und für die Schweiz) als auch das österreichische Porto für die Beförderung von Feldkirch nach Trient in der 2. Entfernungszone von 10 Nkr. angegeben. Der Empfänger musste für diesen Brief also 30 Nkr. bezahlen. 
    In der Literatur werden übrigens noch zwei weitere Portobriefe aus dem gleichen Zeitraum an den gleichen Adressaten beschrieben. 

    Beste Grüße von Italienfreund 

  • Hallo Italienfreund,

    vielen Dank für das Aufgreifen des Themas "Krieg von 1866" mit Fokus auf dem italienischen Teil des Konflikts, den ich - ebenso wie den Zusammenstoss zwischen Preussen und Österreich in Böhmen - für meine Sammlung bewusst ausgelassen habe.

    Ich freue mich, einen kompetenten "Mitforscher" gefunden zu haben und wünsche mir/uns noch viele weitere Briefe (und zum Thema passende Dokumente). Der hier vorgestellte ist jedenfalls sehr interessant und stellt mit den historischen Ausführungen und der Porto-Interpretation eine absolute Bereicherung des Themas dar!

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo Sammlerfreunde,

    heute möchte ich einen Brief vom 14.9.1866 zeigen, der aus Mailand (Kgr.Italien) nach Bodenbach (Böhmen/Österreich) lief.

    Hierzu einige Fragen:

    1. der schwarze Taxstempel 26 bedeutete wohl das Porto in Bodenbach, dass der Empfänger zu bezahlen hatte, nämlich 26Nkr.. Wo wurde dieser Stempel abgeschlagen?
    2. Der S.2... bedeutet was und wo wurde gestempelt?
    3. Der Laufweg würde mich interessieren, kann dies aufgrund der Stempel rekonstruiert werden? Über Verona, Udine, Laibach, Wien nach Bodenbach oder
    evtl. über die Schweiz? Laufzeit 5 Tage!

    Viele Grüsse
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Christian

    Laut van der Linden ist der Brief in Milano abgeschlagen, und es entspricht die 26 Neukreuzer Port für den Empfänger zu bezahlen.
    (Also noch einen Beispiel wo die Portokosten vom Absenderland abgestempelt war, wenn es stimmt)

    Der andere Stempel kann ich nicht 100% bestimmen, aber es scheint entweder der S.2 (ab 1844) der in Intra, Arena, Novaya oder Vigevano abgeschlagen war. Oder der S.2.a (ab1866) der laut vdL in Firenze abgeschlagen war. Also ist der S."a von Firenze zeitlich richtiger, aber dann ist die Beschreibung bei vdc nicht ausreichend.
    Als es immer noch ein Kriegszustand war denke ich dass die Italienexperten sich auch äussern sollten.

    Sehr interessanter Brief :)

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    danke für deine Erläuterungen.

    Hab im van der Linden nichts zum 26-Stempel gefunden...welche Seite ist das denn?

    26Nkr. waren ca. 19x, 18x war das Porto für Briefe jener Zeit durch die Schweiz, zumindest aus Altdeutschland. Intra, Arona, Novara sind ja in Sardinien/Lago Maggiore...ist dieser Brief etwa durch die Schweiz gelaufen?

    Viele Grüsse
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Christian

    Der Stempel 26 ist in Addenda erwähnt, Stempelnummer 3178A.

    Ob der Brief über Schweiz gelaufen war weiss ich nicht. Der genannte Stempel aus 1844 ist es wohl nicht, weil sonst waren die mit die neuen S.1. und S.2 verwechselbar. Ich denke die Studien zu diese S.-Stempel noch nicht fertig war, so dass es sicher neues gibt über diese Stempel seit das Katalog gemacht war.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Christian,

    zunächst mein Glükwunsch zu diesem ganz außerordentlichen Brief - er stammt aus einem nur knapp 3 Wochen dauernden Zeitabschnitt in den Postbeziehungen zwischen Österreich und Italien.
    Der große Taxstempel 26 (Neukreuzer) ist ganz eindeutig österreichischer Provenienz. Der Stempel S.2A hingegen stammt von der italienischen Post. Mailand lag in der zweiten italienischen Entfernungszone. Aus ihm ergab sich der italienische Gebührenanteil (28 Cent. = 11 Neukreuzer ). Der Brief wurde von Mailand zunächst nach Verona berfördert, das zum damaligen Zeitpunkt noch von österreichischen Truppen besetzt war, Weiterbeförderung wahrscheinlich wie Du beschrieben hast.
    Beste Grüße
    Jürgen

  • Hallo Jürgen,

    die Beförderung war also über das Kriegsgebiet wieder möglich. Wäre er während der Kriegshandlungen über die Schweiz gelaufen?

    Du sprichst auch von nur knapp 3 Wochen, wann waren die genau?

    Habe gestern abend noch deine Ausführungen im Brack zu der Briefpost Italien-Österreich-Altdeutschland überflogen, da muss ich heut abend wohl nochmal genauer nachlesen. :)

    Danke nochmal für deine Hinweise zu den Stempeln, gekauft habe ich ihn wegen Bodenbach, dass dann eine Besonderheit wegen dem 1866-Krieg dazukommt, umso schöner... 8o

    Viele Grüsse
    Christian

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Christian

    Ordnungshalber. In meinem Buch (vdL) ist es so geführt:

    3178 - 26 Skilling, Ambulant P-Q
    3178A - 26 Neukreuzer, Milano

    So man muss zwischen die 3178 und 3178A unterscheiden, wenn man meinem Buch zu Grunde legt.
    Was tatsächlich richtig ist, weiss ich weniger als die meisten hier. Ich kenne auch nicht welche Quellen vdL benutzt hat.


    @Jürgen: Weiss du wo die Nummer 26 abgestempelt war? Und gibt es Quellen dazu?

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils und Christian,

    bevor ich die Besonderheit des von Christan gezeigten Briefes erläutere, will ich noch etwas zum Taxstempel "26" schreiben. Diese Stempel - es gibt auch noch "16" und "21" - wurden ab 1862 in Österreich vrwendet, an welchem Ort ist mir nicht bekannt. Ich beziehe mich auf die Veröffentlichung von Michael Amplatz als Heft 156 von "Postgeschichte und Altbriefkunde" aus 2004. Weiteres habe ich dazu bisher noch nicht gefunden.

    Nun komme ich zum Hintergrund des Briefes. Mit dem Eintritt Italiens in den Krieg gegen Österreich am 19. Juni 1866 wurde der direkte Postaustausch zwischen Italien und Österreich unterbrochen, es gab nur noch die Postumleitung über die Schweiz. (Derartige Briefe haben auf der Siegelseite immer schweizerische Durchgangsstempel!)
    Die Kampfhandlungen wurden am 12. August 1866 mit dem Waffenstillstand von Villafranca beendet. Ab Ende August gab es von Seiten der italienischen Postverwaltung Bemühungen, auf unterer Ebene zu einer Vereinbarung über die Wiederaufnahme des direkten Postaustauschs zu kommen. Die Gespräche wurden zwischen dem italienischen Bahnpostamt Desenzano-Mailand und dem österreichischen K.K. Postamt in Verona geführt. Verona war nach dem Waffenstillstand noch von österreichischen Truppen besetzt. Am 28. August wurde der Eisenbahnverkehr auf der Strecke Verona - Mailand wieder aufgenommen und die Verwaltung der Eisenbahngesellschaft für Norditalien regte an, die Verbindung auch für den Postverkehr zu nutzen. Dies geschah ab dem 31. August 1866, die entsprechenden Veröffentlichungen sind ein im Verwaltungsblatt des österreichischen Handelsministerium veröffentlichter Erlass und ein Rundschreiben der Generaldirektion der italienischen Poastverwaltung. In letzterem war ausgeführt, dass der Postaustausch zwischen Italien und dem von Italienn besetzten Teilen Venetiens unter gleichen Bedingungen wie vor dem 19. Juni erfolgen soll mit der Festlegung, dass der von italienischen Truppen besetzte Teil Venetiens als 1. Entfernungszone (Sektion) betrachtet wird. Damit wurde das Gebiet des bisherigen Königreichs Italien zur 2. Entfernungszone (Stempel "S.2A").
    Ab dem 11. September 1866 fanden offizielle Verhandlungen zwischen beiden Postverwaltungen statt, drei Tage später wurde ein "Vorläufiger Vertrag" geschlossen, mit dem am 20. September 1866 der alte Postvertrag von 1853 nochmals für ein Jahr in Kraft gesetzt wurde.

    Lieber Christian, Dein Brief stammt also aus dieser nur drei Wochen dauernden Übergangsperiode und ist eine absolute Rarität, zu der ich Dir nur gratulieren kann. Er würde natürlich sehr gut in mein Ausstellungsexponat passen. Ich besitze aus diesem Zeitraum nur einen Frankobrief nach Mantua.

    Beste Grüße
    Jürgen

  • Hallo Jürgen,

    Top-Erklärung, danke dafür.


    Nur noch eine Frage, nach diesen 3 Wochen galt wieder der Postvertrag von 1853, was hätte der Brief dann gekostet?


    Viele Gruesse
    Christian

  • Lieber Jürgen,

    nur ein Wort zu deinem Beitrag hier: Klasse! Wenn du nur einen Brief aus dem engen Zeitraum hast, sagt das schon alles.

    Lieber Christian,

    dem guten Sammler ist das Glück hold - so wie hier! Ein unspektakulärer, aber nichts desto weniger trotz wohl einmaliger Brief. Super, ihn sehen zu dürfen! :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Christian,

    darf ich hier Goethe zitieren: "Wers glaubt, ders anhält". :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Christian,

    die Gebühren blieben bis 1867 unverändert. Es wurde immer der Postvertrag zwischen Österreich und Sardinien von 1853 mit der doppelten Progession nach Gewicht und Entfernung zu Grunde gelegt, mit Anpassung an die Währungsänderung in Österreich von 1858 und die kriegsbedingten neuen Grenzen bzw. die Bildung des Königreichs Italien. Am 20. September 1866 änderten sich vor allem die Abrechnungs- und Austausch-Modalitäten. In der 3-wöchigen Übergangsperiode musste die gesamte aus Italien einschließlich der aus den von italienischen Truppen besetzten Teile Venetiens stammende und für Österreich bestimmte Korrespondenz zunächst an das Postamt in Mailand (Ufficio Concentramento) befördert werden. Anschließend wurde sie über die Bahnpost Mailand - Desenzano mit der österreichischen Post (Verona) ausgetauscht.

    Das zeigt mein Brief sehr schön. Er wurde am 13. September 1866 in Cento (gelegen zwishen Ferrara und Modena) aufgegeben und war in das noch von österreichischen Truppen besetzte Mantua adressiert. Dort kam er am 15. September an, am 14. September war er in Mailand. Ich habe den Beförderungsweg skizziert. Es ist ein ganz schöner Umweg, aber doch viel kürzer und schneller als eine Beförderung über die Schweiz. Frankiert ist der Brief mit 25 Cent. entsprechend der Gebühr für einen Brief aus der 1. italienischen Entfernungszon in die 1. österreichische.

    Beste Grüße
    Jürgen

  • Hallo Jürgen,

    danke fürs Erklären und zeigen deines Briefes, spannende Zeit. 8o

    Dann wäre, wenn ich es richtig verstehe, während der Kampfhandlungen im Juli/August dein Brief über die Schweiz gelaufen...kannst du einen aus jener Zeit mit diesem Laufweg zeigen?

    Viele Grüsse
    Christian

  • Hallo Christian,

    Dein Wunsch soll erfüllt werden. Im Anhang zeigen ich einen Brief aus den Anfangstagen des Krieges. Es ist ein Portobrief, der am 25. Juni 1866 aus Mailand nach Trient geschickt wurde. Auf der Siegelseite befinden sich ein schweizerischer Bahnpoststempel ZÜRICH - CHUR, ein Stempel von Chur sowie ein Zweizeilenstempel von Feldkirch.

    Wer den schönen Roman von Jochen Helbig gelesen hat, dem wird der Name des Adressaten bekannt vorkommen: Tambosi, auch wenn die Handlung im Roman ca. 60 Jahre früher spielt und der Herr Tambosi in Rovereto lebt.

    Viele Grüße aus Merseburg
    Jürgen

  • Lieber Jürgen,

    tolles Stück! Demnach 10 Nkr. für den offenen Transit durch die CH und 20 Nkr. als Portobrief innerhalb Österreichs über 20 Meilen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.