• Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    der folgende Brief von 1860 weist Eigentümlichkeiten auf, deren Entstehung mir etwas schleierhaft ist. Vielleicht hat jemand Ideen dazu?

    Ortsbrief aus Düsseldorf, frankiert mit 6 Pfg.
    1860 war ein 2. Stempelabschlag neben dem Abschlag zur Markenentwertung nicht vorgeschrieben. Hier wurde anscheinend der 1. Abschlag knapp neben die Marke gesetzt. Da die Uhrzeit falsch war, wurde dieser Abschlag durchgestrichen und einer mit einer anderen Uhrzeit auf die Marke gesetzt.
    War der Beamte so abgelenkt/müde/betrunken/ ... , dass er die Uhrzeitumstellung im Stempel vergessen hatte, die Marke beim Stempeln knapp verfehlte und dann erst wach wurde?
    Stempelabschläge zur Kontrolle der richtigen Stempeleinstellung wurden üblicherweise nicht auf einem Poststück gemacht.
    NB: Die rechts oben klebende Marke wäre eine weitere Contravention, vorgeschrieben war links oben. Rechts oben waren erst die Wappenmarken zu kleben.

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    §1 aller Contraventionssammler: Briefe, die man nicht versteht, kauft man immer. :D

    Wäre es möglich, dass es eine andere Marke mit höherer Nominale (1 Sgr.?) vlt. vorher in der rechten oberen Ecke verklebt worden war? Der gestrichene Stempel könnte auf die jetzt nicht mehr vorhandene Marke leicht übergegangen sein.

    Dann als Brief der 1. Gewichtsstufe erkannt, die Marke abgenommen und die neue Marke mit 1/2 Sgr. aktuell abgestempelt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    Klebespuren oder Papierreste einer anderen Marke sind auch in der Durchsicht nicht auszumachen. Der leichte Übergang des durchgestrichenen Stempels auf eine hypothetisch zuvor verklebte Marke, also die Entwertung durch die Rahmenspitze, hätte man beim besten Willen aber auch nicht als vorgeschriebene Stempelung ansehen können. ;)
    Der Brief ist skurril.

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    das hatte ich mir fast schon gedacht - bei Bayern gibt es dieses Phänomen hier und da mal, bei den akkuraten Preußen halt weniger/nicht.

    Dann bleibt der Brief tatsächlich merkwürdig - aber wenn man jeden Brief knacken könnte, wäre es uns ja bald langweilig ... :D

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen,

    Langeweile sehe ich noch nicht am Horizont ^^

    Bei dem Brief kann man noch folgendes spekulieren:
    Es fehlt ein frei-Vermerk, vielleicht sollte er zunächst porto aufgegeben werden. Nachdem der erste Stempel schon abgeschlagen war, überlegte es sich der Absender anders. Nach Entwertung des Stempels nahm er diesen noch mal an sich, frankierte ihn und gab ihn etwas später dann wieder auf.
    Ist jetzt natürlich fabuliert ... :rolleyes:

    Gruß
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier eine 3 Sgr.-Ganzsachenumschlag (U10), recommandiert von Duisburg nach Crefeld aufgegeben.

    1 Sgr. hätte für die Entfernung von < 3 Meilen gereicht + 2 Sgr. Reco-Gebühr = 3 Sgr.

    Alles prima, wenn der Brief nich 1 3/10 Loth gewogen hätte ...

    Der Postbeamte notierte reicht nicht und taxierte mit 1 Sgr. nach.

    Es gibt 2 Möglichkeiten für den Ablauf:

    - der Brief wurde am Schalter aufgegeben, aber fälschlicherweise nicht direkt bei Aufgabe gewogen. Wiegung und Nachtaxierung erfolgten später

    - der Brief wurde in einen Briefkasten geworfen, dann hätte eigentlich aus dem Briefkasten o.ä. notiert werden müssen

    Rückseitig findet sich noch ein Ausgabestempel vom gleichen Tag, 4. Bestellgang.

    Gruß

    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Erwin,

    man konnte Einschreiben auch (vorschriftswidrig) in den Briefkasten werfen, dann verzichtete man auf den Beleg. Wenn der Absender dann später unsicher war, ob das Einschreiben angekommen war, konnte er zur Post gehen und nachfragen. Wenn dort keine Empfangsbestätigung vorlag, wurde ein Laufzettel zwecks Nachverfolgung losgeschickt. Wenn alles korrekt gelaufen war, musste er das Porto für den Laufzettel tragen.

    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,

    ein Traumstück! Interessant sind die beiden Hände, die hier involviert waren - eine notierte das hohe Gewicht, die andere die Nachtaxe. Das lässt den Schluß zu, dass es eine Kontrolle gab bei der Aufgabe.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    man könnte sogar vermuten, dass die Tinte der Gewichtsangabe und des Recommandirt-Vermerks die gleiche ist. Dann wäre der Brief tatsächlich am Schalter aufgegeben worden und das Gewicht direkt notiert worden. Als Erklärung bliebe dann, dass der Absender kein Geld dabei hatte, der Brief aber jetzt aufgegeben werden musste und der Postbeamte die Unterfrankatur akzeptierte.

    Das wäre dann die 3. Möglichkeit, wie dieser Beleg zustandekam ...

    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,

    das ist einer von den Briefen, bei dem auch der erfahrene Postgeschichtler nicht sicher weiß, wie es abgelaufen ist - aber das macht den Brief nur noch spannender, von daher ist das doch eine kurzweilige Sache. :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo in die Runde

    von allen Möglichkeiten, halte ich es für am wahrscheinlichsten, dass es ein Briefkastenbeleg ist. Auch das fehlenden der Reko-Nummer spricht dafür.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Lieber Michael

    die Reko-Nummer habe ich trotz deines Hinweises erst beim dritten Male gesehen...

    Die Vorgehensweise bei Briefkastenbriefen, (ich gehe mal von Magdeburg aus - welche sich aus den von 1849 beschlossenen Expeditionsvorschriften ergeben), dürfte so sein:

    Die Briefträger, welche auch die Briefkästen leerten, unterstanden der Decartierung. Diese Expedition ihrerseits kümmerte sich um den gesamten Postein- und abgang. Dazu zählte das packen und wiegen der Briefbeutel für die abgebenden Post, die eingehende Post wurde gewogen, die Beutel zu öffnen und ausgabezustempelt, in die Ausgabebücher zu vermerkt und den Briefträgern übergeben. Nicht zustellbare Post kam ebenfalls zur Decartierung zurück.

    Die Briefkastenbelege wurden somit bei der Decartierung abgegeben, wo sie auch gewogen wurden. Allerdings erfolgte dort i.d.R. keine Taxierung, sondern bei der zuständigen Briefannahme, wo sie auch aufgabegestempelt wurde. Auch die Aufnahme in die entsprechenden Bücher erfolgte dort. Dies würde die unterschiedliche Hand begründen.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier ein Beispiel aus dem Bereich der Fahrpost, bei dem man auch spekulieren könnte, ob es ein versuchter Postbetrug war.

    In Preußen gab es gesonderte Taxen für Schriften und Akten. Der Tarif war zunächst günstiger als bei schweren Briefen, aber höher als die Pakettaxe. Mit den Tarifreformen 1848/50 wurde die Schriftentaxe dem Tarif für schwere Briefe angeglichen. Zum 1.5.1861 entfiel der separate Tarif für Schriften und Akten.

    Aus dem Bescheid No. 20 vom 9. März 1852

    Da Acten auch in Packetform, der Natur der Sache nach zu den Schriften=Sendungen gehören, so sind solche bei der Versendung durch die Posten, ohne Rücksicht auf ihr Gewicht, in allen Fällen nach den Bestimmungen des gedachten Gesetzes zu taxieren. … Die frühere Bestimmung, wonach das doppelte Packetporto für Actensendungen zu erheben war, sobald dasselbe mehr betrug, als das vierfache Briefporto, ist gleichzeitig mit der alten Briefporto=Taxe außer Kraft getreten.

    16.10.(1857) Begleitbrief zu einem Paket von Königszelt an die Kreis Gerichts Commission in Charlottenburg

    Als Paketsendung vom Absender mit 6 Sgr. bar frankiert aufgegeben:

    Progressionsstufe 8 (35-40 Meilen) x 2 Spfg. x 1 (Pfd.) = 1 1/3 Sgr., daher Minimumtarif der doppelten Brieftaxe von 6 Sgr.

    Die Post vermutete den Versand von Akten und notierte

    Das Paket ist im Posteingang zu öffnen Bis zum Erkennen, ob der Inhalt aus Schriften besteht.

    Gleichzeitig wurde das Paket nach dem Schriftentarif taxiert:

    3 Sgr. (Brieftaxe >20 Meilen) x 5 (Gewichtsstufe 4-8 Loth) = 15 Sgr.

    Die bereits bezahlten 6 Sgr. wurden angerechnet und gestrichen sowie die noch zu zahlenden 9 Sgr. notiert.

    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,

    was für ein Brief! :love:

    Ich weiß nicht, ob der Absender den gleichen Kenntnisstand hatte, den du hast - dies unterstellt, wäre es ein Versuch des Postbetrugs bei Vorsatz. Als solches kann man das sicher so sehen - und wer würde dir widersprechen wollen?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    schön, dass er gefällt.

    Einer der Belege, auf die man hofft, sie irgendwann zu finden, aber bis zum Moment des Fundes nicht wirklich dran glaubt.

    Natürlich ist der mögliche Postbetrug spekulativ, nehme ich auch nicht in die Beschreibung auf. In der Regel kannten die Postkunden die möglichen Versendungsformen, Tarife und Möglichkeiten, hieran zu sparen aber schon und es finden sich hier im Forum etliche Belege - nicht zuletzt aus dem bayerischen Raum - die dieses Wissen dokumentieren. Bei diesem Päckchen ging es immerhin um 9 Sgr. Dafür wären manche im Raum Ulm mehrfach über die Brücke nach Neu-Ulm gelaufen ;)

    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,

    schöner und treffender kann man es nicht beschreiben. Solche Stücke kommen nicht zufällig zu ihren Besitzern, da steckt schon mehr dahinter.. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • liebe Sammlerfreunde,

    bei folgendem Brief weiß ich nicht, ob es

    1. eine durchgegangene Unterfrankatur

    2. eine Verfälschung

    3. ein Fehler von mir ist

    Die 1-Sgr. Ganzsache ging von Pleschen nach Gotha. Das waren 66 Meilen. Das Franko betrug also 3 Sgr. Es sind aber nur der 1 Sgr. Umschlag und die 1 Sgr. Marke. Auf der Rückseite befindet sich nur der Ankunftstempel von Gotha.

    Was stimmt nicht?

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan