• Liebe Freunde,

    heute kann ich eine kleine Seltenheit vorstellen - einen Schweizer Brief NICHT über Frankreich in die USA.

    Portobrief bis 1 Loth Gewicht aus Seon (Kanton Aargau) vom 1.4.1856 nach Traverse des Sioux (Bundesstaat Minnesota). Über Lenzburg 1.4. und Aarau 1.4. lief er nach Basel 2.4.. Die CH setzte 3x für Briefe im 1. Rayon zu Baden an.

    Am 2.4. übernahm ihn Baden und wurde somit zur Vereinsaufgabepost, der 9x zustanden. Über Mannheim – Heidelberg – Frankfurt – Kassel - Köln lief er am 4.4. nach Aachen (AACHEN 4/4 Cts, van der Linden unbekannt), dem Austauschpostamt Preußens, welches als Vereinsabgabepost fungierte.

    In Aachen wurde der Brief mit anderen in einen geschlossenen Beutel gelegt und Belgien übergeben. Die belgische Bahnpost transportierte ihn nach Ostende. Dort wurde er auf ein Schiff nach Southampton geladen.

    Von Southampton ging die ARAGO der HAVRE LINE am 10.4. Richtung New York ab, wo sie am 23.4. ankam.

    Die US-Post setzte ihren Eingangsstempel NEW YORK AMERICAN PACKET in schwarz für Portobriefe auf die Vorderseite und stempelte 35 Cents für den Empfänger.

    Portoaufteilung:

    2 Cents = 3x für die CH, die Baden zurück vergüten muss.
    5 Cents = 6x für Baden, die Preußen zurück vergüten muss,
    1,5x für TT stiller Transit von Baden zu zahlen,
    nichts für Preußen,
    2 Cents = 3x für Belgien,
    20 Cents = US - Seeporto Southampton – New York und
    5 Cents US – Inlandsporto bis 300 Meilen von New York.

    Die USA kassierten aber 35 Cents, weil es keine 34 Cent Rate und Stempel gab, verdienten somit 1 Cent extra.

    Preußen verdiente insgeheim doch – denn 5 Cents entsprachen paritätisch 7,5x, von denen sie aber nur 6x an Baden vergüteten (hatte Preußen einen Überschuss an Forderungen zu Baden, bekam Baden 2 Sgr. = paritätisch 7x gutgeschrieben, so dass dann Preußen dann noch 1/2x = ¼ Sgr. Restgewinn hatte).

    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    ein interessanter Beleg und sehr schön beschrieben - danke!

    Zitat

    Dort wurde er auf ein Schiff nach Southampton geladen.


    Gab es eine direkte Schiffsverbindung Ostende-Southampton?

    Viele Grüße
    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Lieber Michael,

    da bin ich nicht sicher - er könnte auch via London nach Southampton gelaufen sein. Das Datum der Abreise aus Southampton ist aber in der Literatur genannt, daher muss er dort gewesen sein.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    in der Hoffnung, dass dieser Thread dank unserer Schweiz - Sammler bald überquillen wird, fange ich heute schon mal mit einer Besonderheit an, die sich über Monate hinweg dem Publikum in der Bucht scheinbar verschlossen hatte, sonst hätte ich ihn wohl nie bemerkt oder gar bekommen.

    In Genf am 16.09.1870 wurde er geschrieben und gerichtet war er an Mr. Edward Hickling Bradford, Care of Mr. C. E. Bradford in den Boston Highlands in Boston, USA. Der Schrift nach hat ihn auch ein Amerikaner in Genf geschrieben. Man frankierte 50 Rappen, die 15x rheinisch oder 4 1/2 Silbergroschen entsprachen.

    4 Sgr. war der Frankosatz für einfache, bis 1 Loth schwere deutsche Briefe nach den USA, in süddeutscher Währung waren dies 14x, so dass die CH nur einen geringen Anteil an den 50 Rappen gehalten haben kann. Weiß wer, wie hoch er postvertraglich war?

    Die Besonderheit liegt/lag aber nicht auf tariflicher Seite, sondern in der Tatsache begründet, dass Deutschland mit Frankreich seit dem 19.7.1870 den Krieg erklärt hatte und im September eine Leitung von der CH über Frankreich in die USA, wie sie zuvor und danach Gang und Gäbe war, riskant war. Daher leitete man ihn nach Basel, wo er im verschlossenen Briefpaket über Baden, den Norddeutschen Bund, Belgien und GB in die USA lief.

    Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass dergleichen Briefe bis 7,5g via Frankreich zuvor 60 Rappen gekostet hatten; stimmt das?

  • Lieber Bayern Klassisch,

    bei der Taxe kann ich leider nicht weiterhelfen, die Briefe CH-USA die Du uns
    zeigst sind aber wieder mal ganz großes Kino :thumbup::thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Lieber Bayern Social,

    zu viel der Ehre für einen kleinen Sammler. :rolleyes:

    Zu den CH - Taxen bin ich fündig geworden:

    Tarifperiode 1.7.1862 bis 30.6.1875 - wie ich es geschrieben habe, 60 Rappen via Frankreich mit französischen Handelsschiffen (Bateau du Commerce), mit englischen Schiffen 90 Rappen, mit Dampfschiffen bis zum Bestimmungsort aber schon 110 Rappen (das alles für nur 7,5g!).

    Da waren die Deutschen doch zurückhaltend mit ihren 50 Rappen bis zum Loth all inclusive.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    hier einige Informationen zur Blockierung der deutschen Häfen im deutsch-französischen Krieg 70/71, die von allgemeinem Interesse sein dürften.

    Die Mitte August vor der deutschen Nordseeküste erschienene und meist vor Helgoland liegende französische Flotte kehrte am 10. und 11.9.1870 nach Cherbourg zurück. Auch die französische Ostseeflotte verblieb nur noch kurze Zeit in der Ostsee und wurde am 26.9.1870 letztmalig südlich von Helgoland gesichtet.

    Am 29.9.1870 wurde die deutsche Schifffahrt wieder eröffnet. Die Hafensprerren wurden beibehalten, jedoch tagsüber geöffnet.

    Gruß

    1870/71

    Einmal editiert, zuletzt von 1870/71 (12. Dezember 2013 um 20:35)

  • Lieber 1870/71,

    vielen Dank für diese Informationen, die man kaum sonst jemals lesen konnte. Da der Brief wohl über Belgien über die Nordsee lief, hatte er also mit der franz. Okkupationsmarine nichts zu tun; trotzdem gut zu wissen, dass es da keine Briefe über Bremen/Hamburg gegeben haben sollte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Abend,

    dem lieben Ralph habe ich es zu verdanken, den unteren Brief in meiner Sammlung zu haben, der postgeschichtlich höchst interessant ist!Seit der Messe in Sindelfingen im Oktober letzten Jahres, bin ich offiziell in der ARGE-Schweiz.Um mich dort mehr zu integrieren, habe ich bei dem Schriftführer (Hans-Jürgen-Zinken) nachgefragt, ob es möglich sei einen Artikel über einen meiner Briefe zu schreiben, der dann bei der nächsten Rundsendung im März mit aufgeführt werden würde.Nachdem er bejaht hat, war es für mich keine Frage mehr gewesen über welchen Brief ich schreiben würde :)!


    Denn mit dem Deutsch-Französischen Krieg hat man ein knackiges Thema und der Brief passt eben perfekt dazu!

    Ihr seht untenstehend meinen kurzgefassten Artikel und erneut den schönen Brief!

    Liebe Grüße

    Kevin

  • Guten Abend,
    wem der Scan zu klein ist:

    Postverkehr während des Deutsch-Französischen Krieges
    In der damaligen Zeit war es üblich gewesen Briefe von der Schweiz über Frankreich nach USA zu schicken, da man sehr abhängig von ihnen war. Nach der Kriegserklärung am 19.Juli 1870 Frankreichs an Preußen, waren die süddeutschen Staaten durch die sogenannten "Schutz-und Trutzbündnisse" dazu verpflichtet gewesen Preußen beizustehen, was auch die Briefbeförderung beeinträchtigte. Nun waren die Eisenbahnen nicht mehr für die Postbeförderung benutzt worden, sondern hauptsächlich für den Transport von Kriegsgütern,Soldaten,etc. Als sich der Krieg jedoch immer mehr nach Frankreich verlagerte, konnten die Eisenbahnen ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen und eine Leitung über deutsche Gebiete konnte problemlos vollzogen werden, nicht jedoch mehr über Frankreich, da dies nur mit Risiken verantwortet werden konnte.

    Genau in diese Zeit fällt der Brief, der am 16.September 1870 in Genf aufgegeben wurde und dann per geschlossenes Briefpaket über Baden und den Norddeutschen Bund geleitet wurde.
    Nun hätte man den Brief einfach über Hamburg bzw. Bremen direkt nach USA verschicken können, dies war jedoch ebenfalls kriegsbedingt nicht möglich, da der letzte Dampfer der HAPAG, die Hammonia II, am 20.Juli 1870 in Hamburg abfuhr und bereits am 01.August in New York anlandete. Infolgedessen fuhr das nächste Schiff über Hamburg/Bremen erst wieder am 07.Oktober in Richtung New York ab.
    Aufgrund dieser Umstände wurde der Brief über das im Krieg neutrale Belgien nach Liverpool verschickt und von dort am 23.September mit dem Dampfschiff "City of Paris" nach Queenstown, Irland weitergeleitet. Von dem zuletzt genannten Ort konnte es dann ohne weitere Umwege nach New York verschickt werden, wo der Brief dann am 03.Oktober 1870 angekommen ist.

    Zur Taxierung lässt sich sagen, dass laut dem Postvertrag vom 01.September 1869 einfache Briefe (15g) nach USA mit 50 Rappen frankiert werden mussten (abgesehen von einer Ausnahme-Regelung vom 01.August bis zum 19.August).

    LG

    Kevin

  • Lieber Kevin,

    meinen Glückwunsch zu der Oberrosine!!!!! :thumbup:

    Nun weiss ich nur nicht was mir besser gefällt, der tolle Brief oder Deine ausgezeichnete Beschreibung....!?

    Ach naja, am besten einfach beides :thumbup::thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo Kevin,

    sieht sehr gut aus. :P

    Auch dass du in der ARGE Schweiz bist, ist eine tolle Sache. In den nächsten Rundbriefen dort wirst du einen dreiteiligen Artikel von mir studieren dürfen, von dem ich hoffe, dass er dir gefällt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Kevin,

    meinen Glückwunsch zu der Oberrosine!!!!! :thumbup:

    Nun weiss ich nur nicht was mir besser gefällt, der tolle Brief oder Deine ausgezeichnete Beschreibung....!?

    Ach naja, am besten einfach beides :thumbup: :thumbup:

    Lieber Bayern-Social,

    vielen Dank für deine sehr netten Worte :)  8o !
    Ich bin auch schon gespannt auf den Artikel 8) !


    Liebe Grüße


    Kevin

  • Hallo Kevin,

    sieht sehr gut aus. :P

    Auch dass du in der ARGE Schweiz bist, ist eine tolle Sache. In den nächsten Rundbriefen dort wirst du einen dreiteiligen Artikel von mir studieren dürfen, von dem ich hoffe, dass er dir gefällt.

    Guten Abend Ralph,

    ich bin sehr gespannt auf deinen Artikel, denn mit so viel Fachwissen und Material, wie du es besitzt, muss ja einfach ein toller Artikel bei rauskommen :P  :D !
    Na dann kann die Rundsendung ja kommen :D


    Liebe Grüße


    Kevin

  • Hallo Kevin,

    Glückwunsch zu dem Brief und dem sehr interessanten Artikel. :thumbup:

    Eine Frage hätte ich noch:

    Nun hätte man den Brief einfach über Hamburg bzw. Bremen direkt nach USA

    verschicken können, dies war jedoch ebenfalls kriegsbedingt nicht möglich


    ...wieso war dies nicht möglich, könntest Du dies bitte noch näher erklären.

    Vielen Dank und viele Grüsse
    Christian

  • Hallo Christian,

    die französische Flotte lag im Sommer und im Herbst 1870 in der Nordsee!
    Preußen unternahm keinen Angriff dagegen, weil sie der Meinung waren, dass Frankreich diese nicht sehr lange dort halten konnte, was sich auch später bewahrheitete.
    Die daraus resultierenden Folgen für den Postverkehr über Hamburg/Bremen kannst du dann in der Beschreibung herauskristallisieren! :rolleyes:  :D


    Liebe Grüße


    Kevin

  • Hallo Sammlerfreunde,

    ich möchte einen Brief einer Regierungsbehörde aus St. Gallen an das Schweizer Konsulat in New York zeigen. Rückseitig ist ein Teil des Kantonswappen von St. Gallen zu sehen - Respublica Helvetiorum Foederata Pagus Sangallensis.

    Frankiert mit 110 Rappen für einen einfachen Brief. Am 6.9.1866 in St. Gallen abgeschickt, über Zürich nach Basel. In Frakreich am 7.9. mit dem Grenzstempel Suisse - St. Louis (nur schwach zu sehen) gestempelt und mit 18 Cent für die Vereinigten Staaten. Das war aber die Taxe für die zweite Gewichtsstufe, für einen einfachen Brief wären es nur 9 Cent gewesen.

    Mit der City of London (Inman Line), die am 12.9. in Liverpool abfuhr, kam der Brief am 26.9. in New York an.

    Viele Grüsse, kantonal

  • Hallo kantonal,

    ohne es nachgeprüft zu haben: In der CH galten 15g, die einfache Gewichtsstufe in den USA war aber nur die halbe Unze, also ca. 14,2g. Lag ein Brief dazwischen, war er einfach in der CH und doppelt in den Staaten, was sehr, sehr selten wäre.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bayern-klassisch,

    danke für die Erklärung, so einen plausiblen Grund hatte ich gar nicht erwartet. Bin von einem Fehler auf der einen oder anderen Seite ausgegangen. Umso mehr freue ich mich nun, dass ich den Brief bekommen habe.

    Übrigens gibt es bei Gärtner unter Los-Nr. 9220A im Nachverkauf einen Brief von Anfang 1868 Basel nach New York mit Taxen genau andersrum. 220 Rappen für die 2. Gewichtsstufe in der Schweiz und 9 Cent einfach für die Staaten.
    In der Beschreibung des Loses steht zwar 6, aber für mich ist das eine kopfstehende 9.

    Viele Grüsse, kantonal