bestens recommendirt - Andreaskreuz - nota bene

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Sammlerfreunde,

    in diesem Thema soll es um Kennzeichnungen auf Altbriefen gehen, die den Begriffen recommendirt , zur besten Bestellung, N(ota) B(ene) u.ä. im weiteren Sinne zugeordnet werden können. (Weitere Themen zu anderen Kennzeichnungen werden folgen)
    Dabei bezieht sich der Begriff recommendirt nicht auf das mit Beginn des 19. Jahrhunderts bei den verschiedenen deutschen Postverwaltungen eingeführten Einschreibverfahren. Dieser Begriff, wie auch damit üblicherweise verbundene Kennzeichnungen in Form von Kreuzen, Gittern u.ä., wurde meines Wissens vom Absender für den Adressaten notiert und hatte für die postalische Beförderung vermutlich keine Bedeutung.

    Genau diese Kennzeichnungen sollen hier nun gezeigt und ihre möglichen Interpretationen diskutiert werden.

    Der folgende Beleg wurde von mir schon in einem anderen Thread vorgestellt, dort ging es aber hauptsächlich um die postalische Behandlung.
    Der Brief wurde im Jahre 1801 in Mitau, Russland, geschrieben und lief über Preußen franco Wesel in das damals französische Hodimont. Die russische Taxierung entspricht der eines einfachen Briefes.
    Interessant - und auf vergleichbaren Briefen, dieser Jahre an den bekannten Adressaten, nicht zu sehen - ist das schwarze Doppelkreuz links, das man vielleicht auch als rudimentäres (Charge-)Gitter ansehen kann. Um ein Einschreiben kann es sich in diesem Fall nicht handeln, da es zwischen Russland und Preußen keinerlei derartige Übereinkunft gab und sowohl die russische, wie auch die preußische Post diese Versendungsform noch nicht anboten.
    Auffällig ist auch die deutlich andersfarbige Tinte im Vergleich zur Anschrift. Hieraus könnte man die Möglichkeit ableiten, dass es sich um ein von einer der beteiligten Postanstalten angebrachtes Kennzeichen handelt - was aber in diesem Fall wohl nicht zutrifft.
    Der 2.Scan zeigt die Rückseite und bestätigt mit der Notierung der russsichen Post (teilweise mit der Datumszeile überschrieben) die Originalfaltung des Briefes.
    Bei dem Briefinhalt fällt dann auf, dass er mit 2 unterschiedlichen Tinten geschrieben wurde: Der Haupttext mit der gleichen verblassten Tinte wie die Adressseite, während die Unterschrift und die beigefügte Fussnote (3.Scan) mit einer deutlich schwärzeren Tinte notiert wurde.
    Inhalt der Fussnote: Um ??? Beförderung der Einlage bittet ergebenst. Die Unterschrift des Absenders J.D. Klever steht rechts daneben.
    Wenn man ausgehend vom 2.Scan, die Rückseite und eine Seite aufklappt, sieht man den 4.Scan: Eine Versiegelung innerhalb des Briefes.

    Interpretationsversuch: Der Brief enthielt eindeutig eine Einlage, die der Empfänger weiterleiten sollte. Möglicherweise war dieser Einlagebrief mit den innen befindlichen Siegeln fixiert worden. Der Haupttext des Briefes war zuvor geschrieben worden. Einlage, Fussnote und Unterschrift kamen später hinzu (andere Tintenfarbe). Möglicherweise stammt das schwarze Kreuz auf der Adressseite von dieser 2.Bearbeitung des Briefes und weist deshalb die andere Tintenfarbe auf.
    Bleibt die Frage, warum dieses Kennzeichen überhaupt verwendet wurde. Bestand tatsächlich das Risiko, dass die Einlage ansonsten übersehen werden konnte?

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    hochinteressantes Thema - danke fürs Anschneiden!

    Das fehlende Wort lautet "prompte".

    Wäre es möglich, dass der Absender bei Briefen mit Einlage diese Kennzeichnung so vornahm, aber bei Briefen ohne Einlage weg ließ, so dass der Empfänger schon von außen erkennen konnte, dass ein Teil des Inhalts direkt ("prompt") weiter zu spedieren war?

    Oder könnte es ein Zeichen der Aufgabepost sein, weil man anhand der Mehrfachversiegelung darauf schließen konnte, dass sich eine oder mehrere Einlagen darin befanden? Hier hat dieses Handeln aber keine anderen/höheren Gebühren nach sich gezogen, als die üblichen für einfache Briefe, wenn ich nicht irre. Möglich wäre auch eine statistische Aufzeichnung von Briefen mit vermuteter Einlage.

    Eventuell könnte es auch ein Empfängerzeichen sein, so dass dieser später ohne Öffnung des Briefes ersehen konnte, dass in ihm eine Einlage zu besorgen war.

    Oder wäre es möglich, dass es eine frühe Zensurmaßnahme war und man dergleichen Briefe so kennzeichnete?

    Das einfach so aus dem Bauch heraus - es muss ja nichts von alledem zugetroffen haben.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Aus dem Jahr 1794 kann ich ebenfalls zwei deratige Briefe beisteuern. Sie haben allerdings keine Anzeichen von Beilagen.
    In meiner Naivität hab ich mir bisher gedacht, dass diese Zeichen vom Empfänger angebracht worden sind, zumal sie mit derselben Tinte geschrieben scheinen, wie die vom Empfängers geschriebenen Angaben zum Absender im Innenfalz.
    Ich kenne solche Kreuze allerdings in roter Tinte auch auf nahezu allen Briefen an die Thuret (Paris)
    Ich dachte mir also die Firma Thier kennzeichnete auf diese Weise die Briefe, sobald sie beantwortet wurden.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo miteinander,

    schön, dass das Thema interessiert.

    Das fehlende Wort lautet "prompte".

    Danke für die Übersetzung.

    Wäre es möglich, dass der Absender bei Briefen mit Einlage diese Kennzeichnung so vornahm, aber bei Briefen ohne Einlage weg ließ, so dass der Empfänger schon von außen erkennen konnte, dass ein Teil des Inhalts direkt ("prompt") weiter zu spedieren war?

    In diese Richtung geht auch meine momentane Hypothese, wenngleich sich mir der Sinn nicht wirklich erschliesst.
    Blieben normale Briefe - also ohne Kennzeichnung - in Firmen längere Zeit unbearbeitet liegen?
    Stieß man durch eine solche Kennzeichnung nicht die Post genau auf diese Art der Post-Umgehung?

    Oder könnte es ein Zeichen der Aufgabepost sein, weil man anhand der Mehrfachversiegelung darauf schließen konnte, dass sich eine oder mehrere Einlagen darin befanden? Hier hat dieses Handeln aber keine anderen/höheren Gebühren nach sich gezogen, als die üblichen für einfache Briefe, wenn ich nicht irre. Möglich wäre auch eine statistische Aufzeichnung von Briefen mit vermuteter Einlage.

    Die Mehrfachversiegelung war von außen nicht zu sehen!
    Allerdings war der Brief auf - für diese Zeit - relativ leichtem Papier geschrieben.
    Wenn die Post die Einlage entdeckte: Hätte sie nicht Sanktionen ergriffen? Was ich in der Tat nicht ausschließen kann. Was die russische Post kassierte, ist nicht notiert, nur das einfache preußische Weiterfranko.

    Eventuell könnte es auch ein Empfängerzeichen sein, so dass dieser später ohne Öffnung des Briefes ersehen konnte, dass in ihm eine Einlage zu besorgen war.

    Hmm. Öffnen, eine Einlage sehen, den Brief wieder verschließen und kennzeichnen, dass eine eilige Einlage enthalten ist?

    Oder wäre es möglich, dass es eine frühe Zensurmaßnahme war und man dergleichen Briefe so kennzeichnete?

    Interessante Idee. Kann ich aber nichts weiter zu beisteuern, da ich darüber nichts weiß.

    Das einfach so aus dem Bauch heraus - es muss ja nichts von alledem zugetroffen haben.

    Diese letzte Option ist auch möglich.

    Aus dem Jahr 1794 kann ich ebenfalls zwei deratige Briefe beisteuern. Sie haben allerdings keine Anzeichen von Beilagen.
    In meiner Naivität hab ich mir bisher gedacht, dass diese Zeichen vom Empfänger angebracht worden sind, zumal sie mit derselben Tinte geschrieben scheinen, wie die vom Empfängers geschriebenen Angaben zum Absender im Innenfalz.
    Ich kenne solche Kreuze allerdings in roter Tinte auch auf nahezu allen Briefen an die Thuret (Paris)
    Ich dachte mir also die Firma Thier kennzeichnete auf diese Weise die Briefe, sobald sie beantwortet wurden.

    Im Anhang 2 Briefe aus den Jahren 1797 und 1798, die keine derartige Kennzeichnung haben.
    Das ist das (mein) Problem der kleinen Menge: Aus den mir vorliegenden/bekannten Briefen an die Firma Thier ergibt sich für mich der Schluß, dass diese Kennzeichnung die Ausnahme und nicht die Regel ist.
    Eine Markierung von Seiten des Empfängers zur Kennzeichnung des Bearbeitungsstatus erscheint mir daher nicht plausibel. Ich gehe davon aus, dass die meisten (warum nicht alle?) Briefe dann ein solches Kennzeichen aufweisen müssten.
    Eine individuelle Kennzeichnung von einem einzelnen Angestellten der Fa. Thier scheint auch nicht wahrscheinlich, da die beiden letzten Briefe zeitlich zwischen den vorher gezeigten liegen.

    Viele Grüße
    Michael

  • Liebe Freunde,

    dieser Brief wird gerade in der Bucht angeboten. Ich datiere ihn auf die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts in den süddeutschen Raum der Schrift nach.

    Er hat einen frühen Recommandirt - Vermerk und lief mit der Post für 2 Batzen. Häufig ist so etwas nicht ...

    Liebe Grüsse von bayern klassisch