Liebe Freunde,
die meisten Sammler dieser Postgebiete wissen gar nicht, dass die Involvierung von Taxis, der Pfalz und Frankreich überhaupt möglich war. Das liegt daran, dass Taxis mit Frankreich stets eigene Postverträge geschlossen hatte und daher Bayern erst gar nicht brauchte. So liefen 99,99% der taxischen Briefe über Strasbourg (via Baden), Forbach (via Preußen) oder weiter nördlich über Valenciennes, Givet usw., somit gänzlich ohne bayerische oder gar pfälzische Beteiligung.
Nur wenn die Briefe in den kleinen Rayon um Wissembourg (Weißenburg) im Elsaß einlangten, war eine Leitung über die Pfalz im geschlossenen Transit nach Wissembourg möglich.
Ich möchte heuer einen Brief zeigen, der dreifach interessant ist.
1. Aus Mainz nach Strasbourg via Wissembourg und damit die Pfalz, was unüblich war, weil man mit Strasbourg direkt kartierte und gar nicht über die Pfalz hätte schicken müssen.
2. Auf die Problematik der Datierung von Briefen. Der Stempel Tour - T(assis) - Weissemb(ourg) weist klar den 29. Avril 38 aus. Der Inhalt spricht aber klar vom Jahr 1839. Sowohl der Stempel von Mainz vorn, als auch der von Strasbourg hinten zeigen das Jahr nur fragmentarisch an, so dass wir nicht sicher wissen, von wann er tatsächlich stammt. Ich tippe auf 1839 ...
3. Auf den interessanten Inhalt, der zeigt, wie man sich vor über 170 Jahren grenzübergreifende Polizeifahndungen vorzustellen hat. Er lautet:
"An eine wohllöbliche Polizei - Direction in Strasburg:
Am 26ten dieses Monats hat sich der Kaufmann David Hamburg von hier, dessen Signalement anbei folgt, aus Mainz entfernt, nach dem es ihm vorher gelungen war, sich betrügerischerweise einen Sak fünf Hundert Friedrichsd´or enthaltend, und dem Kaufmann Judas Simon Hamburg von hier gehörend anzueignen.
Wohllöbliche Stelle wird daher sub ablatione receproci ersucht, den genannten Hamburg, falls er sich auf dem dortigen Platze zeigen sollte, festzunehmen, das bei ihm noch vorfindliche Geld in Beschlag zu nehmen, und von dem Geschehenen Nachricht anher mit zu theilen.
Hochachtungsvoll verharre ... Unterschrift".
Offensichtlich hat also ein Familienmitglied - David Hamburg - einem anderen - Judas Simon Hamburg - 500 Goldstücke gestohlen, was nicht eben wenig war. Ein Blick in die Wertlisten dieser Zeit sagt uns aus, dass der Wert eines Friedrichsd´or (Gewicht 6.032g als 21 Karat geprägt) 5 Thaler = 8 Gulden 45 Kreuzer. Goldstücke wurden meist mit einem geringen (unter 5%) Agio (= Aufpreis) zum Silber gehandelt, so dass wir von einem tatsächlichen Wert von mindestens 9 Gulden ausgehen können.
Bei 500 Münzen kommen wir daher auf einen Wert an kurrenter Münze von 4.500 Gulden (das war 500 Gulden weniger, als der Speyerer Dom als Steinbruch wert war). Rechnen wir einen Gulden mit 30 Euro, hätten wir es mit einen heutigen Betrag von 135.000 Euro zu tun - also nicht eben wenig.
Liebe Grüsse von bayern klassisch