Postkarten allgemein

  • Koblenz - Neustadt a.d.Haardt 22.06.1906

    Hallo Sammlerfreunde,

    manchmal muss man weite Wege fahren, um einmal etwas neues zu sehen. Das betrifft auch Großtauschtage. Es ist allerdings bedauerlich und erschreckend zugleich, wenn man in der einen oder anderen Gegend die Philatelie auf einem sehr deutlich absterbenden Ast sitzen sieht. Insofern läßt sich dann auch schlecht etwas finden. Wie man nachstehend sieht, kann trotz alledem auch eine Kleinigkeit hoch entzückend sein.

    Ich frage mich allerdings schon wie der nachstehenden Poka mit dem Motiv des oberbayerisch humoristischen Schrammel-Quintetts die Ehre zu Teil wurde, aus Koblenz aufgegeben zu werden. Vielleicht gastierte dort gerade das besagte Quintett und verkaufte noch Postkarten als "merchandise" oder der Absender trug die Poka mit sich.

    Wie auch immer: Die Schrammelmusik wurde nach den österreichischen Waldviertler-Musikern, Geigern/Komponisten Johann Schrammel (1850–1893) und Josef Schrammel (1852–1895) benannt. Typische Besetzung einer Schrammel-Kapelle: Zwei Geigen, eine Kla­ri­nette, eine Kontragitarre (dieses auch Schrammelgitarre genannte Instru­ment hat zusätzlich zum normalen Gitarrenhals einen zweiten Hals mit bis zu neun Basssaiten), später auch eine Knopfharmonika (Schrammelharmonika).

    Der besondere Charme der Schrammelmusik liegt darin, dass sie einerseits lebhaft und beschwingt ist, zugleich aber zuckersüß bis melancholisch und wei­nerlich ("raunzend") anmutend. In sieben Jahren komponierten die Gebrüder Schrammel über 200 Lieder und Musikstücke, Unterstützung kam sogar von Größen wie Johann Strauss und Johannes Brahms. Wie man das Schrammeln dann noch humoristischer Weise ausgebaut hat, das würde mich live ja wirklich schon mal interessieren.


    + Gruß

    vom Pälzer

  • Liebe Freunde,

    das folgende Stück fiel mir auf, weil ich denke, dass die bayer. Post hier etwas geschlampert hat.

    Geschrieben wurde sie am 12.5.1876 im oberfränkischen Hof von einer dortigen Firma an Herrn M. A. Mayer in Bamberg. Als Grundlage zur Übermittlung von Aufträgen diente aber keine 5 Pfg. Postkarte Bayerns, wie man annehmen würde, sondern eine Reichspostkarte 5 Pfg. lila. Warum man in Hof Reichspostkarte für innerbayerische Versendungen benutzte, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben.

    Jedenfalls wurde die Karte in Hof gestempelt und in Bamberg ankunftsgestempelt, ohne dass man ein Nachporto von 10 Pfg. wegen Benutzung ungültiger Postwertzeichen erhoben hätte. Da ich kein Pfennigzeitsammler bin, kenne ich mich nicht sonderlich gut mit den Vorschriften dieser Zeit in Bayern aus, glaube aber zu wissen, dass nichtbayerische Postwertzeichen in Bayern keine Frankaturkraft besaßen.

    Liebe ich da richtig? Eine "Spielerei" schließe ich hier 100%ig aus, daher auch der Scan der Rückseite.

  • Lieber bayern klassisch,

    Das kann man so nicht sagen, dass die Karte in Hof abgestempelt wurde, denn die Frankatur blieb ja unberührt. Das war in der Reichszeit normal, wenn eine ungültige auf einem Beleg klebte. Als nächster Arbeitsschritt hätte dann die ungültige Marke blau umrandet und damit als ungültig gekennzeichnet werden müssen. Dies unterblieb hier wohl tatsächlich aus Schludrigkeit. Und bei der Ausgabepost fiel die Karte dann überhaupt nicht mehr auf und wurde so ohne Nachporto zugestellt.

    Auch ich bin kein Kenner dieser Zeit, aber Belege aus der Reichspostzeit mit eben diesem nebengesetzten Stempel, dann dem blauen Rahmen und dem ausgewiesenen Nachporto habe ich hunderte gesehen. Von daher nehme ich mal an, dass meine Darstellung stimmt.

    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber maunzerle,

    das deckt sich ja mit meiner Vermutung - schlampert im Hof des Jahres 1876.

    Die Frage ist auch, ob man den Werteindruck hätte ausschneiden und im Reichsgebiet wieder verwenden können? Wer kann dazu eine dezidierte Aussage treffen?

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    Was Du alles wissen willst!

    Auch da versuche ich jetzt mal in meinem Gedächtnis zu kramen. Wenn ich mich recht an die Zeit erinnere, als ich mich noch mit jüngerer Philatelie beschäftigte, dann waren ausgeschnittene und wieder aufgeklebte Ganzsachenausschnitte in Deutschland etwa bis in die 1970er-Jahre erlaubt. Das begann ganz, ganz früh, vielleicht schon 1876 oder noch früher. Dann war es etwa 20 Jahre lang verboten und dann wieder für einen Zeitraum von vielleicht 5 Jahren (also etwa zwischen 1995 und 2000) erlaubt. Und jetzt geht das gar nicht mehr, ja jetzt dürfte man nicht mal mehr ungestempelte Marken mit Kleber neu befestigen. Unterlagen und Belege dazu hätte ich freilich auch, aber in welcher meiner gefühlten 1000 Schachteln sich diese befinden, ist leider ein Mysterium. Das ist nun leider alles sehr vage, was ich da von mir gebe, und ich bin sicher, dass es da Leute im Forum gibt, die das alles viel genauer wissen. Ich denke da z.B. an einen sehr angesehen Philatelisten aus dem Oberland, der schon von Berufs wegen über all diese Dinge genauestens Bescheid wissen sollte.

    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber maunzerle,

    ich danke dir für diese Infos - eine spannende Sache. Hoffen wir auf gemeinsame Hilfe, woher auch immer sie kommen mag.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... dann sind wir schon zu dritt mit unserer These!

    Danke für den Link.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,
    die Verwendung von Ausschnitten der Wertstempel von Ganzsachen als Frankatur war ab 1879 bis zum 1.10.1922 nicht gestattet.
    Ich vermute ab dem 1.1.1875 , kann es aber nicht belegen.
    Wiederverbot ab dem 30.9.1923
    1924 fraglich, da zum 1.1.1925 per Amtsblatt verboten.
    DDR erlaubt ab 1959
    BRD erlaubt ab 1981
    Gruß Bernd
    Anhang Postordnung 1879

  • Hallo Bernd,

    vielen Dank für die angezogene Verordnung - dann vermuten wir alle das gleiche.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bayern klassisch,
    leider sind mir die bayrischen Verordnungen nicht bekannt. Im Reichspostgebiet war ob 1874 oder 1879 eindeutig festgelegt:
    Postkarten unterliegen dem Frankierungszwang, sie werden unfrankiert an den Absender zurückgegeben. Eine Nachtaxierung war im Gegensatz zu Briefen und sogar bei Drucksachen ( Nachtaxe zum Brieftarif) nicht vorgesehen.
    IV Postkarten müssen frankirt werden. Unfrankirte oder unzureichend frankirte Postkarten werden nicht befördert. ( Postordnung 1874)
    Ob in Bayern gleichlautend ?, wenn ja, hätte der Beamte in Hof bei Nichtanerkennung des Reichspostwerteindruckes die Karte zurückgeben müssen , zumal der Absender bekannt war.
    Gruß Bernd

  • Hallo Bernd,

    wenn im Reich die Aktenlage vage ist, kannst du dir vorstellen, wie sie in Bayern ausgesehen hat ...

    So weit ich weiß, war, maunzerle hat es schon geschrieben, der Wertstempel blau zu umranden, "ungiltig" oder "ungültig" daneben zu vermerken und die Taxe eines unfrankierten Briefes zu fordern.

    Eine Rückgabe an Absender kann man in Bayern nur selten belegen - Adresse hin, oder her.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo weite Welle,

    nach diesem Material darf man sich die Füße wund laufen - klasse (mir gefällt der beschlagnahmte am besten, weil man so etwas so gut wie nie findet). :P:P:P

    Danke fürs zeigen!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Weite Welle,

    Ganz toll finde ich den Beleg an den "lieben Schatz", weil uns der Inhalt genau erzählt, wie es zu einer Fremdverwendung kommen kann.

    Danke für's Zeigen und viele Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Hier eine Postkarte mit noch anhängender Antwortkarte (1889) aus Berlin nach Kolberg im heutigen Polen. Karten, die noch zusammenhängen, sind zwar nicht selten, aber auch nicht gerade oft zu finden. Dazu sind alle 4 Stempel sauber abgeschlagen.
    Die Stempel bezeugen die Schnelligkeit der damaligen Post: Die Karte erreichte das ca. 270 km entfernte Kolberg am gleichen Tag und bei der Rücksendung (10.9.1889) wurde der Zielort Berlin trotz Aufgabe am späten Vormittag am gleichen Tag erreicht.
    Außergewöhnlich ist der Firmen-Stempel des Absenders. Da steht: Buchhändler und Briefmarken.... Nein, nicht ...händler - wie man erwarten würde - sondern ...sammler. Damit erreichte er als Händler, der sicherlich viel Korrespondenz hatte, auch ohne viel Aufwand eine große Zahl von potenziellen Tauschpartnern. Das habe ich so noch nie gesehen und wegen der Gesamtheit der Merkmale ging die Antwort-Postkarte in meinen Besitz über.

    Dieter