Wegegeld-Scheine, Brückenzölle, Fährgelder usw.

  • Hallo zusammen,
    eigentlich bin ich gestern zur 36. Vereinsauktion der Briefmarkenfreunde Philippsburg gefahren, weil dort einige Heidelberger Uhrradstempel zu erwerben waren, die ich lange vergeblich gesucht habe. Trotz unerwartetem Andrang (wobei ich auch einige gute Freunde - und Heidelberg-Sammler :huh: aus der Baden-ArGe begrüßen konnte) war Zeit, die fraglichen Lose zu besichtigen - meist ordentliche Diesnstbriefe mit wenig aufegendem Inhalt.
    Aber vor den Stempeln waren unter anderem fat 70 badische Wegegeld-Scheine dabei, von denen bei Ausrufpreisen von 10-17 Euro fast alle verkauft wurden und zwar zu Preisen bis über 30 Euro. Da auch ein Heidelberger dabei war, konnte ich nicht widerstehen, hier "blind" mitzubieten. Auch für meinen Schein gab es mehrere Interessenten, aber jetzt habe ich ihn ...

    Hier ist die Losbeschreibung, die von meinem guten Freund und erfahrenem Baden-Kenner Franz Willhuber stammt , der die Auktion wie gewohnt souverän durchführte:

    Los 56 - Wegegeldquittung HEIDELBERG 1773, Kabinett-Prägedruck Ortsschein über 2 Kreuzer.

    kann jemand von euch diese Beschreibung bestätigen? ich habe jedenfalls große Probleme, das Datum zu lesen - auch die 2 Kreuzer erschließen sich mir nicht ...

    Ganz allgemein habe ich die Frage, ob hier jemand etwas über solche Quittungen - wohl von Landbriefträgern - weiß ? Oder sind es doch eher Qittungen irgendwelcher Zollbehörden ?

    Viele Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,

    22. May 1773 ist das Datum - diese Scheine sind Zoll - Quittungen. Pflasterzoll war eine einträgliche Regalie, die alle zu entrichten hatten, die Waren und Güter auf befestigten Stassen (Zollstrassen) ein-, durch- oder ausführten. 2 Kreuzer current entsprachen etwa 2 Euro heute, war also nicht die Welt.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch !

    Vielen Dank für Deine wie gewohnt schnelle und kompetente Auskunft! Da war ich mit meiner Assoziation von „Wegegeld“ zu „Bestellgeld für Landbriefträger“ auf einem völlig falschen Dampfer.

    Mit Deiner Information erschließt sich mir auch der Sinn des Dokuments – das waren ja noch Zustände wie bei den Raubrittern im Mittelalter! Ich könnte mir vorstellen, dass derartige Zölle am Anfang des 19. Jahrhunderts von Napoleon abgeschafft wurden.

    Mir ist auch klar, dass wir es hier mit einem Randgebiet der Philatelie zu tun haben, aber ich habe – vorgestern – die Erfahrung gemacht, dass es mehr als einen Sammler gibt, die solche Dinge mit einbeziehen.

    Und postgeschichtlich ist das auch nachvollziehbar: man könnte solche Quittungen ja auch im weiteren Sinne als Vorläufer von Briefmarken sehen – die transportierten Waren wurden durch diese kleinen Zettel ja quasi frankiert.

    Was meinst Du: kann man das so sehen?

    Liebe Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,

    ich würde es etwas anders formulieren - es waren Quittungen für Leistungen, die im Vorfeld erbracht worden waren (auch "Pflastergeld" genannt). Der Bau und Unterhalt von Straßen war teuer und über die Qualität derselben hat uns Goethe, der ja bekanntlich viel herum reiste, einiges hinterlassen. Die Straßen damals waren eine einzige Katastrophe (in der Pfalz gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts übrigens 3 Straßen, das nur mal am Rande). Da jede Benutzung zu einer Verschlechterung des status quo führte, und die Straße quasi dem Herrscher gehörte, nicht den Bürgern, konnte dieser jedem erlauben oder verbieten, sie zu nutzen.

    Mit der Post hat es nicht direkt etwas zu tun, aber man kann natürlich auch die Versendung von Waren und den Transport von Menschen der Fahrpost zuordnen und so eine argumentative Brücke bauen.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    Mit der Post hat es nicht direkt etwas zu tun, aber man kann natürlich auch die Versendung von Waren und den Transport von Menschen der Fahrpost zuordnen und so eine argumentative Brücke bauen.

    o.k. - danke für den "Brückenbau" - das war mir schon klar, dass der "Briefmarkenvorläufer" etwas hinkt :S

    Aber Deine geradezu unglaublichen Detailkenntnisse der damaligen Verhältnisse machen mir Mut, hier noch einen weiteren Spontankauf bei der oben angesprochenen Vereinsauktion zu zeigen. Zwar müssen wir dann eigentlich den Titel dieses Threads von "Wegegeld-Scheine" in "Quittungen" ändern, aber die Sammlerfreunde, die sich - neben Dir, lieber bayern klassisch - für meine Heidelberger Sachen interessieren, die finden diesen Beitrag auch unter der falschen Überschrift.

    Es handelt sich hier immerhin um ein Dokument, das mit der Post direkt zu tun hatte. Und es stammt aus einer Zeit, die nicht noch halbwegs im Mittelalter liegt wie meine Zoll-Quittung aus der Kurpfalz.

    Ich sehe es so: eine Empfangsquittung des Postillons für vier Postpferde, die die Kutsche auf der nächsten Etappe nach Wiesenbach ziehen sollten. (Und jetzt weiß ich auch endlich, was man unter "Schmiergeld" zu verstehen hat 8o )

    Viele Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,

    das gehört m. E. alles zur Postgeschichte eines Ortes - wer weitläufig denkt, kommt einfach weiter. :)

    Der Quittung entnehme ich, dass 40x je Station für die Pferde zu zahlen war (also 10x je Pferd je Station) und bei 7/8 Stationen Entfernung hat man korrekt 4 Gulden 40 Kr. gefordert.

    Man hatte wohl eine eigene Kutsche und sich 4 Pferde als Vorspann geholt, weil die Steigungen dort nicht unerheblich gewesen waren? Leider sind mir die Isohypsen in und um HD nicht geläufig.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    ich wusste, Du lässt mich nicht im Stich - danke!

    Der Quittung entnehme ich, dass 40x je Station für die Pferde zu zahlen war (also 10x je Pferd je Station) und bei 7/8 Stationen Entfernung hat man korrekt 4 Gulden 40 Kr. gefordert.

    ich habe die 4 Gulden 40 Kreuzer durch 40 Kreuzer geteilt = 7 Stationen. Wie muss ich die "sieben achtel" lesen? Ich will den Beleg doch perfekt beschreiben können.

    Liebe Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,

    eine "Post" war eine Entfernung für die Fahrpost (Menschen und Waren). 7/8 Post = 7/8 Poststationen war also die Entfernung, die ein oder mehrere Pferde in 7/8 Stunden zurückgelegt haben.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Sammelfreunde

    eine Torquittung vom 02.Juli 1789 von Magdeburg möchte ich hier zeigen. Die Erhaltung ist sicher nicht so toll, aber bisher habe ich sowas noch nie gesehen. Das es inetwa sowas geben wird, war mir schon klar.
    Lesen kann ich hier so gut wie nichts, also für was, welches Thor, auch die siegelseitige Notierung erschliesst sich mir nicht.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Lieber Magdeburger,

    mir gefällt dein Schein und wenn man bedenkt, was er alles mitgemacht hat im Lauf der Jahre, ist er vergleichsweise gut erhalten.

    Text: Thor - Accise = Eingangszoll in die Stadt

    Marschthor (wo das lag, musst du wissen)

    Bezahlt hatter Herr Gersch

    bezahlt hat er 3 Gutegroschen und 9 Pfennige für ein Fuder Heu & 3 Stah. Pferd.

    3 Gutegroschen Pfand hat man gestrochen, warum auch immer.

    Der umseitige Vermerk erschließt sich mir nicht.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bayern Klassisch

    dieser Schein war in einem Los Magdeburg in der Bucht dabei.
    Leider kenne ich bis heute nicht alle Stadttore und in meiner bisherigen Liste ist auch ein solches genanntes nicht dabei. Versuche natürlich dies noch in Erfahrung zu bringen.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Liebe Sammlerfreunde,

    bei der Sichtung der Bestände unserer postgeschichtlichen Heimatsammlung bin ich auf drei Bescheinigungen für "Vorspann-Fuhren" gestoßen. Sicherlich sind sie wegen der darauf befindlichen Kreisstempel in unsere Sammlung geraten. Allerdings gab es nach meinem Kenntnisstand zumindest in den kleinen Dörfern Wiedenbach und Knapendorf um diese Zeit kein Postamt.

    Für mich erschließt sich nicht, wofür in diesen Fällen "Vorspann" geleistet werden musste. Allerdings kan ich die handschriftlichen Eintragungen auf den Vorderseiten der Belege nicht vollständig lesen. Die Rückseiten sind klar - Bestätigung der Ankunft in Merseburg, Quittierung der Bezahlung)

    Ich bitte um Hilfe. Besonders interessiert mich natürlich, ob ein Bezug zur Post besteht.

    Besten Dank und freundliche Grüße
    Jürgen

  • Hallo Italienfreund,
    ich sehe deine Scheine folgend:
    hier würden die Fahrdienste für ein Amt geleistet. Ob die Aufträge von Fuhrleuten – beruflich oder Privaten Personen erledigt wahren, kann ich leider nicht sagen.
    Bei beiden Scheinen steht ¾7 Uhr am Freimarkt.
    Auf dem ersten Schein steht 1 Mann, auf zweitem 7 Führen.

    (Nebenbei: In Internet ist zum finden das Postgebäude auf dem Freimarkt in Querfurt in Jahr 1895 gebaut wahr.)
    LG F

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Lieber Italienfreund,

    die Post gliederte sich ja in Brief- und Fahrpost auf - deine beiden herrlichen Quittungen waren von der dortigen Fahrpost ausgefertigt worden, wie man schon anhand der Poststempel sehen kann.

    Solche Belege taugen allemal dazu, die lokale Postgeschichte bestens zu dokumentieren. Gelegentlich kam es vor, dass Pferde extra gemietet werden mussten von der Post, um Sendungen gewisser Größe oder hohen Gewichts von A nach B zu transportieren - dazu musste dann, je nach Gegebenheit, ein gewissen Anzahl von Vorspannpferden hinzu gezogen werden. Bei großen Höhenunterschieden war dies eine gute Einnahme der lokalen Posthalter, denn wenn es zügig voran gehen sollte, bedurfte es oft mehrerer Pferde und jedes Einzelne wurde pro Entfernungsstufe teuer bezahlt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Hallo Freunde

    Ich zeige hier ein Waageschein wo Cramer in Lindau an königliche bayerische Waageamt 2 Kreuzer bezahlt hat. An die Wage lag 189 Pfund Seiden. Dato war 24. Februar 1810.

    Viele Grüsse
    Nils

    • Offizieller Beitrag

    Und schon wieder Hallo

    Jetzt zeige ich ein Designations-Schein für Seidenware der von Chur nach Kemtpen lief. Der Schein ist in Chur 8. Februar 1808 geschrieben und in Lindau 12. Februar bestätigt und wieder war Cramer der Spediteur diese Waren der an Zumstein geschickt waren. Wenn die Waren in Kempten eintraf kann ich hieraus nicht lesen.

    Und wer sich wundert warum ich auch so etwas in meine Sammlung habe - es ist für meine kleine wirtschaftsgeschichtliche Sammlung.


    Viele Grüsse
    Nils

    • Offizieller Beitrag

    Und jetzt ist der dritte Schein gescannt.

    Diesmal ein Mautpolette der in Ulm gemacht ist. Es ist für eine Sendung von Basel nach Ulm. Und wenn 5. Juni 1810 geschrieben ist es auch richtig mit ein Ausgabe von königlich bayerische Hallamt in Bayern, das Ulm erst später in 1810 württembergisch geworden ist. Ja, nicht zu vergessen - der Empfänger der Güter war Zumstein.

    Und das war's

    Viele Grüsse
    Nils

  • Und wer sich wundert warum ich auch so etwas in meine Sammlung habe - es ist für meine kleine wirtschaftsgeschichtliche Sammlung

    Hallo Nils,

    ich wundere mich nicht, denn letztlich griff ja immer auch das eine ins andere, von daher ist ein Blick über den Tellerrand genau richtig. :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Abend Nils,
    Post 15: … und die Kiste wahr mit Initialen NZS/18 gekennzeichnet, also hab man hier Zumsteins Kiste gewogen.
    Post 16: Lindau – Kempten Fahr dauerte circa 12 Stunden. Die Firma Maßner hab ich auch ein bisschen in Auge weil sie mit Verbindung zur Firma A. Crammers Erben steht.

    Lindau – Chur ??. 10.1759 (32x Zoll)
    LG A

  • Hallo,
    anbei ein Landesacciseschein von 1721 und ein Generalacciseschein von 1792.
    August der Starke, Churfürst von Sachsen, begründete die Einführung der Accise 1708 wie folgt und warum bei den meisten sächsischen Scheine eine Ecke fehlt.
    Beste Grüße Bernd