Sardinien über Österreich in den Kirchenstaat

  • Gewichtsbriefe sind immer eine schöne Sache, so auch dieser hier. Er stammt aus Turin 30.4.1820 nach Bologna. Er lief über Österreich und wurde daher dem Kirchenstaat aufgrund des provisorischen Postvertrages vom 7.10.1815 übergeben. Nun der Reihe nach.

    Stempel und Route: Turin - Novara - Mailand - Mantua - Ferrara - Bologna. Mailand stempelte MILANO / L.T., recht nett, doppelt genäht hält besser, auch wenn einmal kopfstehend. Der Stempel SVIZZERA wurde offensichtlich falsch aufgesetzt, denn der Brief stammt eindeutig aus Turin (schöner roter Absenderstempel). Das hatte aber Auswirkungen auf die Taxierung. Ich kenne mehrere Briefe, wo der SVIZZERA falsch angebracht worden ist; ob dies dann systematisch war oder wirklich ein Fehler, steht offen.

    Taxierung: hier wird es nun spannend. Der Brief war gemäss PV Kirchenstaat-Österreich bis zur sardisch-lombardischen Grenze zu frankieren, Österreich beförderte den Brief zum Kirchenstaat und erhielt 50 bajocchi für 30 g, die allerdings nicht auf dem Brief angeschrieben wurden, sondern im Buch abgerechnet wurden.

    Sardinien: rückseitig finden wir den Gewichtsvermerk 115, was bedeutet, dass der Brief zwischen 115 und 120 g Gewicht hatte. Aufgrund des innersardischen Tarifs von 1818 hatte der Absender dafür wie folgt zu bezahlen: Turin - Novara lag zwischen 100 / 125 sardischen Meilen, daher 10 soldi Gebühr. 115-120 g bedeutet, dass die 10 soldi mit dem Faktor 12 1/2 zu multiplizieren sind (die Einheiten sind: bis 6 g, 6-8 g, 8-10 g, und dann ab 10 g je 5 g). Das ergibt 125 soldi. 20 soldi sind 1 Lira, also 6 Lire und 5 soldi, und genau das finden wir auch auf der Rückseite angeschrieben. Ein teuerer Brief!

    Kirchenstaat: taxiert wurden 2 scudi 55 bajocchi. Das Gewicht im Kirchenstaat war denari, zwischen 6,5 und 7 g. Wenn man von 115-120 g Gewicht ausgehen, wie das Absenderpostamt gewogen hat, dann kommen wir auf aufgerundet 17 Gewichtsstufen im Kirchenstaat. Nachdem der Bologneser Postbeamte SVIZZERA gestempelt hatte, kam der entsprechende Tarif von 15 bajocchi zur Anwendung (das Piemont wäre laut Vertragsdurchführung eigentlich mit 16 zu taxieren gewesen; eigentlich unsinnig, wieso soll ein Brief aus der weiteren Schweiz billiger sein wie das nähere Sardinien). 17 x 15 = 255, stimmt also genau.

    Was kostete also der Brief insgesamt: 6 Lire 5 soldi wären umgerechnet 625 centesimi, 2 scudi 55 bajocchi wären umgerechnet 1370 centesimi, ergibt insgesamt die gewaltige Summe von knapp 20 Lire (1995 centesimi), das wären, rechnete man dies in österreichische Währung um, 23 Gulden.

  • Hallo Altitalien,

    ein unglaubliches Stück - 23 Gulden war ein Monatslohn eines einfachen Postbeamten; das wird sich der Empfänger aber gefreut haben.

    Eine Frage hätte ich dazu: Wenn man bei inneritalienischen Briefen seitens der Aufgabepost nicht sicher wusste, was er an Gebühren kostete, war es dann möglich, wie bei Altdeutschland auch, den Brief mit einem Frankozettel abzuspedieren, um nach dem Versand dem Absender die richtige Gebührenhöhe mitzuteilen und die Gebühren zu erheben?

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Also so etwas kenne ich überhaupt nicht in Altitalienischen Staaten ... Der Empfänger war ja der Erzbischof von Bologna (bzw sein Sekretariat), daher traf es ja keinen armen ... LG

  • Dieser Brief von 1846 lief nicht über die Lombardei in den Kirchenstaat, sondern über Parma und Modena im geschlossenen Paket. Liefen sie über Mailand, wurden sie im offenen Transit geliefert (Österreich wollte ja mitlesen... hmm) und hatten entweder einen der diversen L.T. Stempel oder ab und zu auch den SVIZZERA. Die Gebühr war identisch, in jener Zeit für den einfachen Brief 6 soldi. Aufgrund des Tosti-Tarifs wurde er mit 12 bajocchi taxiert. Vor allem nach dem Vertrag Sardinien-Österreich von 1844 sind Briefe über Mailand weit häufiger.

  • Hallo Altitalien,

    wog der Brief dann über 6 - 12 Denari?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.