Registraturbüge

  • Hallo,

    ich denke jeder hat sich schon einmal über einen Brief geärgert, der eigentlich sehr schön ist, aber einen Registraturbug hat, der zu allem Überfluss auch noch durch die Marken und die Stempel geht. Leider haben recht viele Briefe, besonders aus der Korrespondenz großer Firmen, diese Büge, die wir den damaligen Archivierungssystemen zu "verdanken" haben.

    Kann jemand beschreiben wie diese Archivsysteme aussahen, oder besser noch Bilder zeigen?

    Gruss

    senziger

  • Hallo Senziger,

    die spannende Frage nach den damaligen
    Archivierungssystemen stelle ich mir auch schon lange. Lieber spät als nie
    kommt hier eine mögliche Erklärung:

    Unter Papierrestauratoren
    ist die "preußische Fadenheftung" oder auch "preußische Aktenheftung"
    ein altbekanntes Verfahren, ohne Klebstoff eine zu falzende Papierlage
    (z.B. aufgefalteter Brief) mit einem Faden auf einen
    Kartonumschlagrücken zu heften. Da der Faden am Falz anliegt und so die
    Papierlage mit dem Kartonumschlagrücken verbindet, ist der Falz
    (=Registraturbug) unvermeidbar.

    Hermann Lentfort beschreibt folgende Vorzüge dieser sog. Langstichheftung:

    zudem weist er auf interessante regionale Unterschiede im deutschen Registraturwesen hin:

    Obige Zitate stammen aus
    einem Beitrag von Hermann Lentfort zum 16. Fachgespräch der
    NRW-Papierrestauratoren am 31. März / 1. April 2003, in Detmold und
    Stapelage, S.39ff. (http://www.papierrestauratoren.de/wp-content/upl…2/03/Heft-9.pdf)
    Als Ergänzung dazu ist überdies ein Artikel der
    Historischen Gesellschaft der Deutschen Bank e.V. lesenswert. Hier wird
    anschaulich beschrieben, wie die Registratur-Abteilung der Deutschen
    Bank bis zur Mitte des 20. Jhd. arbeitete: http://www.bankgeschichte.de/de/docs/Folge_2009_2.pdf

    Viele Grüße,

    Harald

    Einmal editiert, zuletzt von Harald (8. Juli 2013 um 02:08)

  • Liebe Freunde,

    eine interessante Frage, vielen Dank fürs aufwerfen.

    Ich habe mehrere private Firmenarchive, die alle schon philatelistisch gefleddert waren, eingesehen (18. bis frühes 20. Jahrhundert). Dort gab es i. d. R. Firmenbücher im Format A2, in denen die Briefe chronologisch gefaltet lagen. Bei einigen gingen Büge durch den Brief, der der Faltbrief vom Absender her nicht haben konnte, d. h. sie müssen im Rahmen der Bearbeitung beim Empfänger mindestens 2mal so gefaltet worden sein, dass man zügig mit ihnen arbeiten konnte.

    Im Gegensatz zu uns war der Inhalt des Faltbriefes wichtig, nicht die Adressseite und schon gar nicht die Franaktur. Wenn solch ein Brief ein oder zwei Stationen der Firma durchlief, dann faltete ihn jeder so, dass das für ihn wichtige Detail sofort ersichtlich war. Oft war es so, dass die obere Hälfte auf das finanzielle Bezug nach (Rechnungswesen) und die untere Hälfte sich auf Bestellungen bezog (Auftragswesen).

    Bei kleinen Firmen dürfte das einer allein gemacht haben, bei größeren hatten wohl mehrere ihre Finger im Spiel. Wenn man sich die Korrespondenzen der großen ansieht, wird man immer stärkere und mehr Büge erkennen, als bei den "Klitschen".

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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