Russland - Österreich - Frankreich

  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich einen Portobrief aus Odessa, welcher über Wien. München, Augsburg, Stuttgart und Kehl/Strasbourg nach Marseille lief.

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    Am 26.1.1870 ging er auf die Reise. Am 1.2.1870 landete er in Wien, wo er den "A" - Stempel für Austria bzw. Autriche erhielt. Mit den Bahnposten der Vertragsstaaten wurde er erst in Paris aus dem Wiener Briefpaket genommen und erhielt den AUTR. 3 STRASBOURG - Stempel dort. Am 5.2. wurde er für 20 Decimes ausgeliefert. Das erhöhte Gewicht wurde mit der Rötel "2" für zweifach notiert. Einfache Briefe kosteten 10 Decimes, dieser hier folglich 20 Decimes bei linearer Progression. Nicht schlüssig bin ich mir wegen der 15 Neukreuzer. Wer schrieb hier wem was gut?

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,
    diesen Brief hab ich heute vom lieben Nils erhalten:
    Gesandt von der Fa. Raffalovich in Odessa am 23. Mai 1866, lief er via Wien (29.5.), Strassburg (1.6.) über Paris (1.6.) nach Marseille, wo er am 2. Juni ankam.
    Habe dazu einige Fragen:
    1. Wie setzt sich das Porto zusammen? Wer erhielt wieviel?
    2. War das der normale Leitweg, also über Wien und Strassburg - dann vermutlich im geschlossenen Briefbeutel über die Südstaaten Bayern, Württemberg und Baden (München, Ulm, Baden-Baden, Kehl)?
    3. Wäre der Leitweg über Polen (Warschau?) und Preussen (Berlin-Kassel-Bingerbrück-Forbach) der Normalfall gewesen, sodass man im Vorfeld des 66er Krieges hier über Wien und den Süden Deutschlands kartiert hat? Aber warum? Anfang Juni 1866 hatte es noch nicht mal einen Kriegszustand gegeben, der erst am 9. Juni mit dem Einmarsch preussischer Truppen in Holstein begann. Russland hatte mit der Leitung über Preussen nach Frankreich sicher auch zu Zeiten politischer Spannungen in Deutschland kein Problem, oder?

    Für Antworten auf diese Fragen wäre ich sehr dankbar!

  • Lieber mikrokern,

    da hat dir der gute Nils ein feines Stück zukommen lassen. 15 Neukreuzer erhielt Russland von Österreich vergütet, zu denen 15 Neukreuzer für Österreich als Vereinsaufgabepost kamen. Die Summe von 30 Nkr. wurde als Gesamtforderung an Frankreich in Wien ausgeworfen. Dazu der "A" - Stempel für Autriche oder Austria, das kannst du dir aussuchen.

    Frankreich fasste diese 30 Nkr. mit dem französischen Porto für einfache Briefe bis 10g in 10 Decimes zusammen.

    Da der Zielort Marseille ganz im Süden der Republik bzw. des Kaiserreiches lag, war die Leitung über Strasbourg keine Ausnahme. Man hätte ihn genauso gut über Forbach leiten können, was es auch gab. Auch Erquellines kenne ich bei diesen Briefen, allerdings liefen diese eher nach Zentral- bzw. Nordfrankreich.

    Ich würde es aber nicht völlig ausschließen, dass die Post von/über Österreich ab Juni 1866 generell über Strasbourg geleitet wurde, weil die politischen Beziehungen schon im Mai belastet waren und man im Juni auch ohne intensive Nutzung einer Kristallkugel wußte, dass der Frieden nicht mehr lange währen würde.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber bayern klassisch,
    vielen Dank für Deine Antwort.
    Was heisst "man hätte ihn genauso gut über Forbach leiten können"? Also doch via Preussen? Wer entscheidet das - in Wien?
    Und wenn der Leitweg optional bzw. gleichwertig war (vielleicht abhängig vom nächsten Anschlusszug), dann war's wohl keine Entscheidung aufgrund eventueller politischer Widrigkeiten?
    Und last not least: m. Wissens war Russland im Mai 1866 politisch nicht auf seiten des Bundes (hier Österreich), sondern neutral. Warum hätte man in Odessa nach Wien statt Polen/Preussen kartieren sollen?

    Beste Grüsse vom
    µkern

    • Offizieller Beitrag

    Hallo mikrokern,

    es gab beide Leitwege parallel.
    Der Leitweg über Preußen nach Frankreich kostete 11 Decimes, bei Leitung über Österreich fielen nur 10 Decimes an.
    Dafür war die Leitung durch Preußen dank des ausgebauten Schienennetzes schneller.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber mikrokern,

    neben dem, was Michael richtig geschrieben hat, dürfte es von der Tagesform abhängig gewesen sein, ob man Route A oder Route B wählte. Schnelligkeit war Trumpf. Nur bei Südbriefen liefen sie in der überwiegenden Masse via Strasbourg (aber auch dann oft via Paris Richtung Lyon und weiter). Von Wien aus hätte er auch über Bodenbach - Sachsen - Preußen laufen können. Wenn man Dutzende Briefe hätte, könnte man vlt. ein System erkennen.

    Für Absender in Russland war es völlig egal, ob die Briefe über Österreich oder Preußen liefen (es gibt ja auch viele Odessabriefe via Preußen). Die eine Decime machte den Bock nicht fett, wenn er einen Tag früher ankam, war das für alle Seiten in Ordnung. Österreich hatte mit Frankreich geschlossene Briefpakete vereinbart, daher wirst du auf dergleichen Briefen auch keine Transitstempel finden können, die eine Route sicher belegen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • neben dem, was Michael richtig geschrieben hat, dürfte es von der Tagesform abhängig gewesen sein, ob man Route A oder Route B wählte...

    Lieber Michael und bk,
    vielen Dank!
    Aus euren Antworten schliesse ich, dass es keinen deutlichen Unterschied bei der Beförderung via Preussen gegenüber Österreich nach Frankreich gab.
    Weshalb man - Anfang Juni 1866, vor dem Krieg - wohl auch nicht auf irgendeinen politsch motivierten Einfluss auf die Wahl des Leitwegs schliessen kann.
    Also nix mit "66er Krieg".

    Beste Grüsse vom
    µkern

    • Offizieller Beitrag

    Hallo mikrokern

    Obwohl der Brief nicht direkt mit dem Krieg zu tun hat, also dass der Leitweg direkt nicht vom Krieg bestimmt war, ist der Brief so wie so in dieser Zusammenhang von Interesse. Doch geringer als von ein dem Krieg bestimmten Leitweg.
    Wie bk schreibt könnte es sein dass dieser Leitweg wegen die Unruhen gewählt war. Es wird aber eine Hypothese die man niemals als richtig oder falsch sagen kann. Zusammen mit einem Brief über Preussen/Forbach wäre es ein perfektes Pärchen um die zwei Möglichkeiten zu zeigen, und somit zeigen dass der Krieg NICHT UNBEDINGT ein Nachteil sein musste.

    Somit geht man ein Schritt weiter in der Behandlung der Postgeschichte.

    Und ob nicht früher erwähnt ist der Portostempel aus Odessa nur in 1866 verwendet (wenn ich mich nicht jetzt ganz irre).

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,
    ja, der Brief ist zweifellos auch ohne Kriegseinfluss sehr interessant!
    Kann jemand die Annahme von Nils, dass der Portostempel aus Odessa nur in 1866 verwendet wurde, bestätigen?
    Und kann jemand - möglichst zeitnah Mitte der 60er Jahre - einen ähnlichen Brief aus dem Süden des russ. Reiches nach Frankreich zeigen, der über Polen/Preussen/Forbach geleitet wurde?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber Michael,

    der Forbach - Stempel stammt von Paris - was für ein Umweg damals ...

    Danke fürs zeigen und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Freunde

    Ich habe Heute ein interessanter Brief bekommen der mich auch eine Antwort gegeben hat.

    Der Brief lief von Odessa nach Marseille in April/Mai 1866. Es war ein einfacher Brief der Porto an der Empfänger abgeschickt war. Der Empfänger musste 10 Decimes bezahlen wovon 15 Neukreuzer an Österreich ging und 15 NKr an Russland vergütet war. (Somit hast du eine Antwort bk an deine Frage).

    Dieser Brief zeigt für mich zum ersten mal eine Blaue Aufgabe- und Portostempel aus Odessa.

    Die Antwort die ich bekommen habe, ist der Laufweg. Meine Vermutung war dass der Laufweg über Österreich nicht wegen der 1866 Krieg entstanden war, was dieser Brief auch zeigen kann. Hier liegt es andere Ursachen vor, zum Beispiel die Taxierung. Es war 1 Decimes günstiger als die über Preussen.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    schöner Brief - aber er beantwortet meine Frage nicht: Meiner war im 2. Gewicht, demnach müssten 30 Nkr. dort stehen - es stehen aber nur 15 Nkr. da ...

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Nils,

    so weit ich weiß, war die Gewichtsstufe 10g für alle 3 Postgebiete (war auch für Bayern so gültig). Das musste so sein, sonst hätte man ja nicht mit 20, 30 oder mehr Decimes stempeln können, weil man krumme Beträge generiert hätte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch

    Dann habe ich keine besseren Antwort, welche ich von irgendwo her habe.

    Aber ich kann auch zwei ähnliche Briefe zeigen :)

    Hoffentlich kommt mal später eine bessere Antwort ;)

    Viele Grüsse
    Nils

    • Offizieller Beitrag

    Hallo ihr beiden,

    gemäß dem russisch-österreichischen Vertrag von 1866 betrug die Taxe für einen einfach schweren Porto-Brief bis zur Postvereinsgrenze 30 NKr., die hälftig zwischen Russland und Österreich geteilt wurden.
    Als einfach schwer galten Briefe bis 15 Gramm, entsprechend 1 Loth excl. Zollgewicht bzw. 1 1/4 russ. Loth.

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    das bedeutete ja, dass Österreich bei Briefen über 10 bis 15g Russland "billig" mit 15 Nkr. abgefunden hatte, während man gegenüber Frankreich auf der 2. Gewichtsstufe beharrte und dann wohl 60 Nkr. ansetzte? Diese entsprachen etwa 42x rheinisch bei der 2. Gewichtstufe, wobei dann bei 20 Decimes Porto in Frankreich, die etwa 57x rheinisch gleich kamen, die Differenz von 15x rheinisch für Frankreich verblieb.

    Gebührenteilung also: Russland 15 Nkr. = 11x rh., Österreich 45 Nkr. = 31x rh. und Frankreich 15x rh.. Dann war Österreich aber der große Gewinner ...

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    ich weiß nicht, ob der österreichisch-französische Vertrag vom September 1857 hier noch greift.
    In diesem war eine Vergütung von 70 Centimes je 15 Gramm für Portobriefe aus Russland von der französischen an die österreichische Postverwaltung festgelegt worden.

    Viele Grüße
    Michael