Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Liebe Freunde,

    auch wenn ich nicht so nett, formvollendet und beharrlich auf die Vorstellung des von Bayern Social noch zu zeigenden Briefes hingearbeitet habe, wäre ich über eine solche entzückt. :P:P

    Bis aber die nächsten Wochen und Monate ins Land gehen, möchte ich eine Correspondenzkarte zeigen, die sich (hoffentlich auch) sehen lassen kann, denn es ist m. E. kein Allerweltsstück.

    Aufgegeben wurde sie frankiert in Maximiliansau am 17.8.1870, in einer noch recht frühen Zeit des Krieges. Dieses Örtchen gehört heute zur Gemeinde Wörth am Rhein gegenüber von Karlsruhe, also an der Bahnlinie Richtung Schaidt - Landau - Wissembourg.

    Vorne steht zu lesen:

    Maxhausen Morgens 6 - 7 Uhr beim herrlichsten Wetter

    An Frau Emilie Adam in Bergen über München & Rosenheim in Baiern bei Herrn Dr. L. Zaubzer

    Hinten lese ich folgendes:

    Durch Stuttgart Abends 10 Uhr und dort im Bahnhof jubelnd empfangen vom Erfrischungskommitee bestens gefüttert, gings die Nacht durch weiter über Carlsruh & Morgens 5 über den Rhein nach Maxhausen, hier zum ersten mahl Chocolade gemacht gefrühstückt und --- und dann lustig und wohlauf mit Trommelgewirbel weiter zu Fuß nach Weissenburg. Adieux es küßt dich und die Kinder biß auf Weiteres Dein Eugen.

    Es wäre schön, wenn ich "Maxhausen" und die fehlenden Worte zuordnen könnte.

  • Lieber Bayern-Kreuzer,

    ja, jetzt fällt es einem ein, dass man da hätte auch drauf kommen können, aber dass man "Adieu" so schreibt, wie unser Bergener, darauf zu kommen ist eine Spitzenleistung. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Verehrte Sammlerfreunde,

    bei der nachstehenden Beleg handelt es sich wohl nicht nur um eine der frühesten Feldpostkarten zu Anbeginn des deutsch-französischen Krieges. Es findet sich darin ein einfacher, aber m.E. sehr sehr eindrucksvoller Satz eines Angehörigen der dt. III. Armee (Kronprinz von Preussen) unter dem Kommando von General Karl Konstantin Albrecht Leonhard Graf von Blumenthal, welche sich zu diesem Zeitpunkt im Aufmarsch gegen die französische Streitkräfte in der Südpfalz befand.

    Es war der Sohn des Weimarer Tuchmachermeisters Anton Friedrich Wilhelm Zünckel (1820-1867), welcher in der Kaufstraße ein - heute noch bestehendes - prächtiges Fachwerkgebäude bezogen hatte. Die Familie scheint in Weimar ein traditionsreiches Unternehmen geführt zu haben; siehe Bild vom Großvater Johann Georg Zünckel (1788-1823) im Anhang. Aufgrund des frühen Ablebens des Vaters hatte lt. Adressbuch Weimar 1879 die Witwe Friedericke Charlotte Auguste Zünckel (geb. Fölcker/1829-1909) die Geschäfte übernommen. Sie wird in den wenigen Zeilen dann auch direkt angesprochen:

    Liebe Mutter ! Glücklich und wohlbehalten sind wir hier in Landau in der Pfalz
    angekommen. Was uns für die nächsten Tage das Schicksal bestimmt, weiß der
    Himmel. Unser aller Stolz ist groß. Bald sollt Ihr wieder Nachricht
    erhalten, bis dahin grüßt Euch herzlich Euer Adolf Zünckel.


    Der w.o. hervorgehobene Satz hat durchaus seine Berechtigung gehabt, denn man befand sich nur noch wenige Tage vor dem ersten Treffen mit Einheiten der französischen Elsassarmee am 04.08.1870 bei Weissenburg. Für die Tage zuvor muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Chef des Generalstabes General der Infanterie Freiherr von Moltke (noch) davon ausgehen musste, dass es von französischen Boden aus jederzeit zu einem Überschreiten der deutschen Grenze kommen würde. Aber nicht nur darauf war seine Strategie ausgerichtet:

    „Die Versammlung aller Kräfte in der Pfalz schützt den unteren wie oberen Rhein und gestattet eine Offensive in Feindesland, welche rechtzeitig ergriffen, wahrscheinlich jedem Betreten deutschen Bodens durch die Franzosen zuvorkommen wird. Es fragt sich also nur noch, ob wir ohne Gefahr in unserer ersten Versammlung gestört zu werden, diese über den Rhein hinaus in die Pfalz und bis hart an die französische Grenze verlegen dürfen, und diese Frage ist meiner Ansicht nach mit Ja ! zu beantworten“.


    Quelle: Scheibert, J., Der Krieg 1870-71, Berlin 1914, S.35

    Der erfolgreiche Verlauf des Gefechts bei Weissenburg am 04.08.1870 und der Schlacht bei Woerth-Froeschwiller am 06.08.1870 haben dies dann bestätigt. Voraussetzung war eine bis ins Detail durchorganisierte Mobilmachung mit Unterstützung über die Einrichtung von insgesamt sechs - z.T. zweigleisig geführten - Eisenbahnlinien aus dem Gebiet des Norddeutschen Bundes und eine sorgfältige Recognoscirung der französischen Bewegungen durch sog. Detachements (Erkundungseinheiten).


    Hier sei nur das Husarenstück des württemberigschen Hauptmanns Ferdinand Graf von Zeppelin (dem später berühmt gewordenen Luftschiffkonstukteur) erwähnt. Er überschritt mit seinen Dragonern am 24.07.1870 die Grenze bei Lauterbourg, galoppierte über 40 km tief in feindliches Gebiet hinein, dabei z.T. mehr als waghalsig mitten durch französische Dörfer bis nach Woerth an der Sauer, um die feindlichen Kräfte und deren Absichten zu erkunden.

    Unter schweren Verlusten im ersten Scharmützel des Krieges am Schirlenhof bei Gundershoffen gelang dies. Von Zeppelin erstattete zwei Tage später bei seinem Kommandeur in Karlsruhe Rapport. Die auch von anderen Detachements eingehenden Meldungen ließen zuerst den Schluss zu, dass es zu einer Vereinigung des 1. franz. Corps (Marshall Mac Mahon / Strasbourg) mit dem 5. franz. Corps (General de Failly / Bitche) und in der Folge am Morgen des 26.07.1870 zu einer französischen Offensive an der unteren Lauter kommen könnte.

    Daher wurden sämtliche mit der Bahn eingetroffenen Truppen des dt. XI. Armee-Korps umgehend bei Landau konzentriert. Nachdem sich die Offensiv-Befürchtungen nicht bestägten, konnte der vom Generalstab vom 16.07.1870 bis 04.08.1870 verfügte Aufmarsch - u.a. - der dt. III. Armee abgeschlossen werden. Sie war zusammengesetzt aus preußischen und süddeutschen Einheiten und damit der erste gesamtdeutsche Heeresverband in der deutschen Geschichte.

    Das ihr angehörige XI. Armeekorps unter dem Kommando von General Friedrich Julius Wilhelm Graf von Bose bezog vor dem Gefecht bei Weissenburg Ausgangslager bei Rohrbach südlich von Landau. Auf dem Weg dahin wird der - sehr wahrscheinlich einem der thüringischen Regimenter - angehörige Tuchmachersohn Adolf Zünckel seine Feldpostkarte bei Godramstein westl. von Landau am 27.07.1870 in den Briefkasten geworfen haben

    Da der Feldpoststempel augenscheinlich vom 28.07.1870 stammt, müsste es so gewesen sein, dass die bei den bayerischen Postexpeditionen eingegangene Feldpost bei den im Aufmarschgebiet dislozierten Feldpostdienststellen gesammelt und gesondert mit den rücklaufenden Militärzügen weitergeleitet wurden, für deren reibungslosen Durchlauf man auf sämtlichen der dafür von den zst. Eisenbahnkommissionen bestimmten Strecken den zivilen Güter- und Personentransportverkehr eingestellt hatte.

    Aber ganz sicher bin ich mir mit dieser Beförderungssweise noch nicht, wer kann helfen ?

    + Gruß

    von Pälzer

    Verwendete Quellen:

    http://www.postkartendetektiv.de/militaer/graf-…m-24-juli-1870/
    http://gedbas.genealogy.net/person/show/1048830284
    Kaisers Paul, Merkwürdige un interessante originelle und komische Menschen im Weimar der Goethezeit, in: Weimarer Schriften, Hft. 21, S.14, Weimar 1986

  • Hallo Pälzer,

    großes 70/71er Kino, in perfekter Weise dargereicht. Ich würde sagen 1 mit Sternchen. :P:P:):)

    Ich bin sicher, der in diesen Dingen legendäre 1870/71 wird auch noch ein Wörtchen dazu sagen wollen.

    Danke fürs zeigen dieses Hammers!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo liebe Freunde,

    Pfälzers Neuerwerbung kam mir bekannt vor und meine Vermutung hat sich Dank meiner Kartei auch bestätigt.

    Die Karte ist nun interessant und vollständig beschrieben!

    Da die 1870/71er Postgeschichtler stets auf der Suche nach einem Erst- bzw. Letzttag sind, zeige ich im Anhang den bisher frühesten bekannten Stempelabschlag einer Feldpostanstalt im Aufmarschgebiet.

    Es handelt sich um eine Feldpostkarte eines Feldpostsekretärs, aufgegeben in Bingen, dem Versammlungsort des III. Armee-Korps im Aufmarschgebiet der 2. Armee. Aus dem rückseitigen Text: "Nach 48stündiger Fahrt hier glücklich angekommen; überall am Rhein große Begeisterung und herzlicher Empfang. Vorläufig gutes Quartier in einem Hotel direct am Ufer des Rheines. Arbeit bereits in vollem Gange ...".

    Gruss
    1870/71

  • Lieber 1870/71,

    danke für deinen Kommentar - auch deine Karte ist eine Schönheit und mit dem Datum natürlich etwas ganz besonderes. Nur hat sie einen Nachteil - sie hat nie die Pfalz gesehen. :D

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo 1870/71,

    vielen Dank für die Klarstellungen...wobei sich mir dann doch gleich wieder eine Frage bzgl. des Themas "Letzttag" stellt. Ab wann ist das zu verstehen ? Etwa nach Abzug der letzten dt. Besatzungstruppen im September 1873 ?

    Und wo wir gerade bei den etwas späteren Korrespondenzen sind. Es liegt mir noch eine Karte von Ende August 1871 aus Villemomble vor, adressiert an Georg Krebs, Cigarren-, Thee-, Weinhandlung, Import und Export in der Kaiserstraße 18-20 auf der Frankfurter Zeil. Text wie folgt:

    Ersuche um baldgefällige Untermittlung von 300 - drei Hundert - Stck. Zigarren der bekannten "Punsch" mit dem Bemerken, dass der Betrag sofort nach Empfang des Paquetes übersandt wird. Die letzte Sendung war noch zu wenig abgelagert, was ich bei der jetzigen zu beachten bitte. gez. Mare - FW Proviant Amts-Kontroleur der 22. Infanterie Division - c/o Villemomble 26.8.1871

    Was sich hier nach dem am 10.05.1871 in Frankfurt geschlossenen Frieden in der darauf folgenden Besatzungsphase nach "gemütlich schmauchend" anhört, hatte noch wenige Monate zuvor ganz anders ausgesehen:

    Villemomble liegt im Bereich des Mont Avron (auch: Plateau d’Avron), einer Erhebung (ca. 110 müNN) im östlichen Umland von Paris. Die Anhöhe wurde während der vom 19.09.1870 bis 28.01.1871 währenden Belagerung von Paris von den französischen Verteidigern als wichtiger, die Marneübergänge beherrschender Punkt stark befestigt.

    Er wurde nach zweitägigem Beschuss durch das dt. XII. Armeekorps (Dresden) ab 29.10.1870 besetzt. Die dem dt. XI. Armeekorps (Kassel) angehörige 22. Infanterie Division war ebenfalls an der Belagerung von Paris beteiligt. Einem anderen Beitrag ist zu entnehmen, dass der Feldpost-Expeditionsstempel der 22. Infanterie Division vom 31.07.1870 bis 22.07.1871 belegt ist.

    Das kann nun ein Stück erweitert werden.

    + Gruß

    vom Pälzer

    verwendete Quellen:
    http://www.ebay.de/itm/Frankfurt-…e-/131163718960

  • Liebe Sammlerfreunde,
    nachfolgenden Kriegsgefangenenbrief aus Schwabmünchen vom 12.11.1870 konnte ich kürzlich erwerben.
    In Bayern wurde er trotz des fehlenden Frei-Vermerks portofrei befördert, in der Schweiz jedoch mit
    10 Rappen Nachporto versehen. Leider fehlt ein Lager- oder Kommandantur-Stempel, rückseitig befindet
    sich neben der Absenderangabe lediglich ein handschriftlicher Zensurvermerk.
    Interessant wäre eine Aufstellung der bayerischen Kriegsgefangenenlager, vielleicht ist jemandem hierüber
    mehr bekannt ?
    beste Grüsse
    bayernalbi

  • Guten Morgen Bayernalbi,

    man darf jedenfalls davon ausgehen, dass der Brief aus dem Lager Lechfeld stammt. Schon am 13.08.1870 trafen dort die ersten Franzosen ein, im Verlauf des Krieges wurden es rd. 9.000, darunter auch französische Kolonialsoldaten, Zuaven und sog. Turkos.

    Der Zensor notierte rückseitig "gelesen" und vorderseitig nochmals "Feldpost", was der Postexepedition Schwabmünchen, wo die Kriegsgefangenenpost von der Truppe aufgeliefert wurde, zur gebührenfreien Weiterbeförderung ausreichte, den Schweizern offenbar nicht.

    Ad hoc kann man noch angesichts des nachstehenden Beitrages sagen, dass es in Bayern weitere Lager bei Ingolstadt, Neu Ulm und Würzburg gegeben hat. Weiteres müsste 1870/71 bekannt sein.

    http://pierre.bertrand.free.fr/histoiregens/botzenhart.htm

    + Gruß

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Bayernalbi,

    bei 10% der möglichen Datenmenge kann ich leider auch nichts lesen ... ;(

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo zusammen,

    das war der Saliterhof in der Regensburger ("Ratisbonner") Altstadt:

    http://www.google.de/imgres?imgurl=…ved=0CCUQrQMwAQ

    ...da war um 1840 die Stadtkommandantur und Militär-Lazarethverwaltung:

    http://books.google.de/books?id=kvFEA…ensburg&f=false

    http://books.google.de/books?id=VUdYA…ensburg&f=false

    + Gruß

    vom Pälzer

  • Hallo Bayernalbi,

    mit der o.a. Bildbearbeitung war der Saliterhof dann recht einfach zu lesen, der Rest ist klar. Meine Vermutung (natürl. ohne Gewähr): Während des Krieges hatte man ihn als Hilfslazareth für die Betreuung/Pflege von verwundeten Kriegsgefangenen der höheren Ränge eingerichtet.

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Bayernalbi,

    schön zu sehen der Vermerk: Portofrei laut Verfügung vom 7.8.1870.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.