Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Hallo Emmanuel,

    unglaublich - ohne dich wäre ich da nicht drauf gekommen - vielen Dank! Also ein ganz besonderer Brief, der jetzt mit deiner Beschreibun in die Ausstellungssammlung kommt. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Sammlerfreunde,

    Ralph hat uns einen sehr interessanten Kriegsgefangenenbrief vorgelegt, dessen Nachtaxe abschließend nicht geklärt ist.

    Lt. bayerischem Feldpost-Circular Nr. 7 vom 15. August 1870 besaßen die französischen Gefangenen in Bayern aktive und
    passive Portofreiheit. Daran hat sich m.W. auch nichts geändert! (Ralph bitte überprüfen!)

    Im Norddeutsche Bund endete die passive Portofreiheit mit Feldpost-Ordre Nr. 38 vom 1. September 1870. Briefe an die
    Gefangenen waren nun entweder mit 20 C. in das Rheinland und die ehemals taxischen Postgebiete, bzw. mit 30 C. in den
    restlichen NDB zu frankieren. Bei unfrankiert eingehenden Briefen zahlte der Gefangene entweder 1 1/2 bzw. 2 1/2
    Groschen. Das Franko / Nachporto beinhaltete den Transit durch Belgien oder die Schweiz.

    Wie Emmanuel richtig schreibt, ist die FPO Nr. 38 von der französischen Post falsch interpretiert worden!

    Anbei zwei frühe Gefangenenbriefe aus meiner Sammlung vom September / Oktober 1870, die anschaulich belegen, wie
    schwer sich deutsche und französische Postanstalten bei der richtigen Frankierung, bzw, Taxierung taten.

    Brief NANTES 22.9.70 nach Wiesbaden: Auf französischer Seite um 20 C. überfrankiert, auf deutscher Seite überflüssige Nachtaxe
    1 1/2 Groschen

    Brief ST. PAUL-TROIS-CHATEAUX 14.10.70 nach Magdeburg: Auf französischer Seite um 10 C. unterfrankiert, auf deutscher Seite
    fehlende Nachtaxe

    Gruß

    1870/71

  • Lieber 1870/71,

    zwei tolle Briefe, die wohl jeder gerne in seiner Sammlung hätte!

    Anbei noch einer aus Ingolstadt zu der von mir angesprochenen Problematik, jetzt allerdings vom 10.12.1870 und nach Buzancy, der auch mit 30 Centimes taxiert wurde.

    Du hattest mir damals geschrieben, dass der Gemeindebote diese 30 Centimes für sich wollte, weil er von Stenay nach Buzancy für den Brief zu laufen hatte. Lässt sich das heute immer noch so sagen?

  • Lieber Ralph,

    Buzancy im Departement Ardennen war deutsch besetztes Gebiet.

    In den Geschäftsakten der Etappen-Postdirektion hat dort im August 1870 ein norddeutsches Relais gestanden.
    Ein Beleg - Brief, Korrespondenzkarte o.ä. - konnte bisher nicht gefunden werden!


    Eine zivile deutsche Postanstalt hat nicht bestanden.


    Es liegt also nahe, daß ein französischer Gemeindebote deinen Kgf.-Brief bei der nächstgelegenen deutschen Postanstalt
    in Empfang nahm und für die Zustellung zugunsten der franz. Post beim Adressaten 30 Centimes kassierte.


    Gruß
    1870/71

  • Lieber Rudolf,

    wenn man bedenkt, dass der Brief über die neutrale Schweiz zu leiten war, weil es keine direkte Verbindungen mehr gab, wäre es nicht möglich, dass Frankreich den Brief zuerst mit 30 Centimes Taxe belegte, ohne wissen zu können im Austauschbüro, wie die genaue Lage am Zielort war? Diese konnte sich ja fast täglich ändern, weil alles im Schwange war und wenn man ihn erst mit 30 Cent. taxiert hatte, kam man wenigstens zu seinem Geld.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Rudolf,

    zu # 289: Leider nichts gefunden. Die Feldpostzirkulare wurden separat verschickt und aufbewahrt - die waren nicht bei den normalen Verordnungs- und Anzeigeblättern gelistet.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,

    zu # 284: Bayern wußte mit Sicherheit, daß Buzancy im deutsch besetzten Departement Ardennen lag. Dein Brief lief ohne Zweifel
    nicht über die Schweiz, sondern über die deutschen Vertragssstaaten und Etappeneinrichtungen.

    Wie ich einmal geschrieben habe (aber wann und wo in diesem Forum?) ist die Post in den besetzten Gebieten (nicht in Elsaß und
    Deutsch-Lothringen) von französischen Gemeindeboten, die von den Bürgermeistereien beauftragt wurden, ausgetragen worden.

    zu # 281: Bayern hat den Kriegsgefangenen ebenfalls keine passive Portofreiheit gewährt. Etwas anderes hätte ich mich auch gewundert!
    Mir sind mindestens zwei frankierte Briefe nach Bayern bekannt (z.B. 37. Potsdamer Los 555).

    Gruß
    1870/71

  • Lieber Rudolf,

    du meinst also, dass man in Ingolstadt wusste, dass Buzancy aktuell zu den besetzten Gebieten gehörte. Das impliziert aber, dass die Poststellen Bayerns sehr genau hätten wissen müssen, wie der aktuelle Frontverlauf war und welche Orte noch rein französisch und welche bereits deutsch besetzt waren. Bist du dir sicher, dass diese Informationen den Poststellen vorlagen?

    Sorry für mein penetrantes Nachfragen, aber ich will verstehen, wie es damals ablief. ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo bk,

    in Buzancy hat am 29. August 1870 ein kleineres Reitergefecht stattgefunden. Moltkes Truppen marschierten schließlich auch über diesen Ort unaufhaltsam hinweg in Richtung des ca. 40 km weiter nördlich in den Ardennen gelegenen Sedan, wo zwei Tage später die vorentscheidende Schlacht statt gefunden hat. Als der in Ingolstadt verfasste Kriegsgefangenenbrief Mitte Dezember nach Buzancy lief, war der Bereich also schon seit knapp 3 1/2 Monaten Besatzungsgebiet, Paris bereits seit 19. September 1870 von den deutschen Truppen eingeschlossen.

    + Gruß

    vom Pälzer


    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    das ist natürlich ein Argument und vielen Dank für diese Hintergrundinfos, die ich nicht kannte. Aber unterstellen wir mal, der Brief wäre einige Wochen früher abgeschickt worden, wie wäre dann verfahren worden?

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo bk,

    bei einigen Wochen früher, also November/Oktober sehe ich keinen Unterschied, da waren die von 1870/71 bereits erwähnten Etappen-Posteinrichtungen im Besatzungsgebiet auch längst am arbeiten und man ja bspw. in den Okkupationsgebieten Elsass und Lothringen sogar schon dabei die Reichspostverwaltung zu installieren.

    + Gruß

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    wenn am 29.8. ein Gefecht dort stattgefunden hat, was hätte man in diesen Tagen mit einem KGF - Brief nach dorthin gemacht? Via Schweiz? Warten, wie die Front sich verändert (das sicher nicht)? So nah an die Front zu schicken, wie es ging? Dann hätte man die KGF - Post der Feldpost zuleiten müssen, was wohl kaum Sinn gemacht hätte.

    Mir geht es darum heraus zu finden, welche, im Rahmen des Krieges durch die Expansion deutscher Territorialgewinne, Veränderungen bei der Post folgten und wann.
    Mein Brief soll hier nur beispielhaft diese Problemstellung beleuchten.

    Wurden evtl. eroberte Gebiete bzw. Städte den Poststellen gemeldet? Welche Verzögerungen galt es zu gewärtigen (man wird wohl kaum über 1.000 Poststellen jeden Tag die neuesten Frontverläufte telegraphiert haben).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bk,

    wie die Post im besetzten Frankreich (d.h. vom Okkupationsgebiet Elsass-Lothringen mal abgesehen) organisiert war, was dort die französischen Postdienststellen zur Beförderung / Verteilung / Zustellung beitragen konnten / durften weiss ich leider nicht. Aber das ist eine sehr interessante Frage, die mich jetzt auch schwer interessiert

    + Gruß

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (20. April 2016 um 21:17)

  • Liebe Sammlerfreunde,


    am 24. August 1870 wurde in Nancy eine deutsche Postadministration eingerichtet, die am 10. September ihre äußere Tätigkeit aufnahm.
    Die heimischen Postanstalten wurden fortlaufend über die Einrichtung/Eröffnung deutscher Postanstalten informiert. In Bayern erstmalig
    mit Feldpost-Circular Nr. 10 vom 2. Oktober. Darüber hinaus dürften die kartierenden Postanstalten schon vorher im Besitz genauer
    Instruktionen gewesen sein.


    Bei allen weiteren Überlegungen ist zu bedenken, dass im September ein nennenswerter Korrespondenzverkehr mit den besetzten Gebieten
    nicht standgefunden hat. Vom September sind nur 3 Briefe mit Okkupationsmarken bekannt, wovon ich einen aus der eigenen Sammlung zeige.

    Gruß
    1870/71

  • Lieber Rudolf,

    danke für deine Antwort, aber die Frage zielte nicht auf den durchaus überschaubaren Verkehr von den besetzten Gebieten ins Ausland, sondern von Bayern in Gegenden, die umkämpft waren und bald zu den besetzten Gebieten gehören konnten.

    Ich weiß nicht, ob es da so eine reibungslose, zeitnahe Informationsquelle gab, die allein in Bayern über 1.000 Poststellen mit den täglichen/wöchentlichen Wasserstandsmeldungen hinsichtlich eroberter Gebiete versorgte.

    Das wäre nur auf telegraphischem Wege möglich gewesen - kennst du solche "Sammeltelegramme", mit denen die Postanstalten informiert wurden?

    Wenn ich bedenke, dass die Feldpostbriefe Front - Heimat im Aug. - Sept. 1870 oft 4, 5 oder noch mehr Tage brauchten, bis sie den Empfängern ausgeliefert werden konnten, habe ich an der prompten postalischen Versorgung der Bevölkerung dort so meine Zweifel.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    wie dir evtl. bekannt ist, lief die Feldpost über Postsammelstellen, denen permanent vom Feldpost-Departement Feldpost-
    übersichten zugeführt wurden. Die Übersichten waren im Gegensatz zu den Feldpost-Ordres nicht für die Öffentlichkeit
    bestimmt, da sie die Standorte aller Truppenteile aktuell wiedergaben. Nur so erreichte die heimatliche Feldpost problemlos
    ihre Empänger.

    In umkämpften Gebieten hat kein offizieller ziviler deutscher Postverkehr stattgefunden. Nach Etablierung einer Postanstalt,
    in der Masse Feldpost-Relais, war eine Bekanntgabe per Telegraphie problemlos zu bewerkstelligen. Ich erinnere an die
    telegraphischen Kriegsdepeschen. In Norddeutschland verbreitete die militärische Führung vom 31.7.70 bis 8.3.71 alleine
    191 Depeschen, die die Bevölkerung umfassend über den Stand des Krieges informierte.

    Gruß
    1870/71

  • Lieber Rudolf,

    vielen Dank für diese Info - also spricht doch einiges dafür, dass man wohl informiert war, jedenfalls ist das bei der Masse an Depeschen zu unterstellen.

    Danke für deine Langmut. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo zusammen,


    aus der Stadt Kissingen weiss ich, dass im 1866 Krieg die Besucherzahlen und das Postaufkommen dort durch den Krieg 1866 etwa halbiert wurden :!:
    Hast du evtl. Zahlen, wie die Menge der regulären Post (Keine Feldpost) sich zwischen den damaligen Kriegsgegnern im Krieg 1870/71 verändert hatte?


    Oliver hat mir eine ausgezeichnete Frage durch PN gestellt, aber es ist nicht leicht, darauf zu antworten.
    Ich habe gedacht, daß diese Antwort ganz die Leser dieses thread interessieren konnte.
    Es ist mir nicht möglich, hier Statistiken auf der Anzahl von Briefen zu zeigen, die zwischen den Kriegsgegnern zirkulieren haben. Die Postbuchführung kann uns trotzdem eine Idee der Wirkungen geben, daß der Krieg auf der französischen Post gehabt hat.

    In 1870, die mit dem Inlandpostverkehr verbundenen Einnahmen (1) mehr als 66 Millionen Francs darstellten. Was ein Sinken von 23 % dieser Einnahmen im Vergleich zum Jahr 1869 darstellt. Der positive Saldo der Kontos mit den Fremde Postverwaltungen (4) beläuft sich auf mehr als 4.2 Millionen Francs, d.h. ein Sinken von 21 % im Vergleich zum Jahr 1869. Die Gesamteinnahmen (6) belaufen sich für das Jahr 1870 auf mehr als 72 Millionen Francs (mehr als 94 millionen Francs in 1869). Die Ausgaben des Jahres 1870 (7) haben sich um 3 % erhöhtet. Die Gewinne der Postverwaltung ( 8 ) wurden um 81 % zwischen 1869 und 1870 gesunken.
    In 1871, stiegen die mit dem Inlandpostverkehr verbundenen Einnahmen (1), weil, die Inland-Posttarife im September 1871 steigen und weil der Krieg im Februar 1871 endet.
    Der positive Saldo der Kontos mit den Fremde Postverwaltungen (4) ist um 44 % gesunken.
    In 1871 haben die Betriebskosten des deutschen Postdienstes in Frankreich 1,702,000 Francs die französische Staatskasse gekostet.
    In 1872 haben die Kosten des deutschen Feldpostdienstes in Frankreich 710,000 Francs die Staatskasse gekostet.

    Viele Grüsse.
    Emmanuel.