Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Hallo Sammlerfreunde,

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    ein Beleg aus der Okkupationszeit konnte von hier aus leider noch nicht vorgestellt werden ...bis heute. Der anbei wurde am 1. Mai 1871 ins pfälzische Freinsheim aufgegeben und entstammt von einem Angehörigen des Königlich Bayerischen 10. Jägerbataillons (Stammgarnison Aschaffenburg - Kommandeur Major Emil Freiherr von Wulffen). Das Bataillon wurde am 1. Juli 1868 aus Einheiten und Teileinheiten des 4., 5., 8. und 15 Infanterie-Regiments gebildet und unterstand der Königlich Bayerischen 7. Infanterie-Brigade (Generalmajor von Thiereck) im Königlich Bayerischen II. Armeekorps (General der Infanterie Ritter von Hartmann).

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    Es nahm an den Schlachten von Weißenburg, Woerth-Froeschwiller und Sedan teil , danach wurde es bei der Belagerung von Paris eingesetzt und zeichnete sich dort insbesondere bei dem Gefecht von Châtillon südlich von Paris aus. Dort unternahm die französische Besatzungsarmee am 13. Oktober 1870 einen ihrer zahlreichen Ausfallversuche, indem sie die Anhöhe bei Châtillon angriff, um die dort stationierten deutschen Geschütze zu erobern und einen Rückzug zu erzwingen. Man konnte auch den Ort Châtillon kurz einnehmen, doch ein Gegenangriff unter General von Hartmann u.a. mit dem bei Bagneux in Alarmierung gebrachten 10. Jägerbataillon klärte die Situation noch bis zum Abend des gleichen Tages.

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    Nach Vereinbarung der Friedenspräliminarien am 26. Feburuar 1871 marschierten am 1. März 1871 deutsche Truppen in der Stärke von rd. 30.000 Mann nach Paris ein, Kaiser Wilhelm I. nahm auf dem Longchamps die Parade ab. Unter anderem dabei: Das Königlich Bayerische 10. Jägerbataillon ! Was muss in unserem Briefverfasser, dem Heinrich Heiner dabei vorgegangen sein, d.h. auch nach Ratifikation des Friedens-Präliminarvertrags zwei Tage später, als die deutschen Truppen unter z.T. wüsten Beschimpfungen der Bevölkerung wieder aus der französischen Hauptstadt abzogen ?

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    Nach der Kapitulation von Paris waren in Frankreich rund 800.000 Mann stationiert, trotz Präliminarfriedensschluss belief sich ihre Gesamtstärke Ende Mai immer noch noch auf rund 545.000 Mann, weil eine ursprünglich beabsichtigte stärkere Truppenreduzierung wegen der Vorgänge in Paris im Zusammenhang mit dem Aufstand der Commune im Zeitraum vom 18. März 1871 bis 28. Mai 1871 nicht realisiert werden konnte.

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    Erst nach dessen Niederschlagung und dem darauf folgenden Frieden von Frankfurt am 10. Mai 1871 konnte das Königlich II. Bayerische Armeekorps u.a. mit seinem 10. Jägerbataillon aus Frankreich abgezogen werden. Am 2. Juni 1871 ging es über Bar-le-Duc - Nancy - Haguenau - Woerth - Maximiliansau wieder zurück in die heimatlichen Stammgarnisonen. Bis zur Begleichung der Kriegsreparationen blieben noch Gebiete im Osten Frankreichs unter deutscher Besatzung. Nach der Zahlung der letzten Rate verließen am 16. September 1873 die letzten deutschen Truppen französisches Territorium.

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    Viele Grüße

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    vom Pälzer

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    verwendete Quellen:

  • Hallo Pälzer,

    sehr schön - jetzt noch den Tippfehler in der 2. Zeile (1870, statt 1871) retuschieren und es ist eine perfekte Vorstellung.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Verehrte Sammlerfreunde,

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    wieder einmal streift uns in diesem thread ein Hauch von Geschichte und da es im vorliegenden Fall so dermaßen bemerkenswert daherkommt, nehme ich es einfach mal vorweg: Noch während des zunächst recht gelassenen Verfassens der anbei abgebildeten Feldpostkarte erfolgte für den Absender überraschend am 2. August 1870 um 7 Uhr morgens die Alarmierung seiner Einheit für das erste große Gefecht am 4. August 1870 mit dem allgemein bekannten Erfolg der ersten gesamtdeutschen Armee bei Wissembourg.

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    Aufgabeort war das kleine Dörfchen Kuhardt, welches nicht unweit des Rheins sowie ca. 25 km entfernt von der französischen Grenze liegt. Der Verfasser Second-Lieutenant W. Döhle war Angehöriger im 2. Bataillon des 32. Thüringischen Infanterieregiments (Fritzlar / Eschwege) und damit der 22. Infanterie-Division (Generalleutnant von Gersdorff) im XI. Armeekorps (Generalleutnant Julius von Bose) der III. Armee (Kronprinz Friedrich Wilhelm) zugeordnet.

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    Das Regiment war am Nachmittag des 26. Juli 1870 planmäßig mit der Bahn in Landau eingetroffen und marschierte im strömenden Regen unverzüglich weiter in die Quartiere bei Leimersheim und Kuhardt. Nach der durch grenznahe Truppenbewegungen des Gegners verursachten Alarmierung am 2. August 1870 rückte es gegen 9.30 Uhr Richtung Herxheim und Rohrbach vor, wo bei äußerst ungünstiger Witterung im freien Feld ohne Stroh biwakiert werden musste.

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    An einen Weitermarsch war am Folgetag nicht zu denken. Am 4. August wurde dann um 3.30 Uhr aus dem Biwak aufgebrochen und - immer noch im strönenden Regen - durch den Bienwald gegen die Grenze vorgerückt, die bei nun schwüler Hitze gegen 11 Uhr überschritten wurde. Hier hörte man schon deutlich das Artilleriefeuer des sich seit etwa 8.00 Uhr entwickelnden Gefechts. Etwas später, als man östlich von Weissenburg aus dem Haardtwald hervortrat war die Entscheidung bereits gefallen, Wissembourg von den deutschen Truppen besetzt.

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    Der kommandierende General des Gegners Abel Douay fiel gegen Nachmittag in seinem Hauptquartier auf dem Geissenberg. Ein Eingreifen des durch die Strapazen der Tage zuvor gezeichneten 32. Thüringischen Infanterieregiments war insofern nicht mehr erforderlich. Nach kurzem Biwak im Raum Riedselz ca. 5 km südlich von Wissembourg ging es dann jedoch zügig weiter Richtung Hohwiller, wo man am 5. August Biwak bezog. Am 6. August erreichte die Einheit gegen 10 Uhr Surbourg, dem "Einfallstor" zur zweiten großen Grenzschlacht bei Woerth-Froschwiller.

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    Das 2. Bataillon unseres Absenders kämpfte unter dem Befehl von Oberstleutnant von Zacha bei Morsbronn-le-Bains u.a. gegen das fürchterliche Feuer französischer Mitrailleusen, das Regiment verzeichnete nun die ersten Verluste des Krieges (9 Offiziere, 10 Unteroffiziere und 248 Mann), welche im Gegensatz zu denen des Gegners noch "überschaubar" waren. Weitere Beteiligungen im späteren Kriegsverlauf erfolgten bei der Entscheidungsschlacht von Sedan am 1. September sowie bei zahlreichen Gefechten um Paris, Orleans und Le Mans.

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    Nun aber zum Inhalt der in außerordentlich vorzüglichem Zustand ohne die übliche Mittelfaltung erhaltenen Feldpostkarte:

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    Feldpostbrief

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    Abs. Doehle Lieuten. 32. Rgt.

    An Herrn Dr. Bindzeil Eschwege - Pr(eussisch) Hessen

    Kuhardt 2/8/70

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    Besten Dank für Deine Briefe Nachrichten aus Eschwege, da würdest Du mich verpflichten, wenn Du Dich nach den Bestimmungen in meiner Angelegenheit (Du weißt ich meine die von Dir im Briefe erwähnte) genau erkundigen wolltest. Gefecht noch nicht gehabt, vielleicht morgen, heute Nacht rücken wir ab. Stimmung der Pfälzer sehr preußenfreundlich, Quartiere schlecht, lag einen Tag mit 15 Mann 1 Katze mit Jungen und 2 brütenden Hühnern zusammen. Entschuldige meinen krudel (< ?) witzigen Stil, muss zum Dienst.

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    ALARM GESCHLAGEN - SOFORT AB

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    Herzlichen Gruß Dein W. Döhl.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

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    verwendete Quellen:

  • Hallo Pälzer,

    ein Traumstück, fürwahr. Da streift einen der Mantel der Geschichte.

    Musste mir gerade vorstellen, wie es bei schwüler, nasser Überquerung des Bienwalds früher gewesen sein musste. Ich durfte diese Gegend ein paar Jahre lang dienstlich genießen und wenn es da schwül-heiß war, haben einen riesige, blutgierige Schnaken (Bienwaldschnaken sind die Draculas unter den Schnaken) so malträtiert, dass man fast wahnsinnig wurde, speziell des Nachts.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Moin bk,.
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    Ich durfte diese Gegend ein paar Jahre lang dienstlich genießen und wenn es da schwül-heiß war, haben einen riesige, blutgierige Schnaken (Bienwaldschnaken sind die Draculas unter den Schnaken) so malträtiert, dass man fast wahnsinnig wurde, speziell des Nachts.

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    Haja, so äähn Douaniär trägt`s am Bienwald schnookemäässisch schwer :thumbup:

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    Spaß bei Seite, Du hast vollkommen Recht, das lästige Übel der Rheinschnaken blieb in der Literatur zum Krieg 70/71 auch nicht unerwähnt. Am selben Tag, als der Second Lieutenant Döhle die w.o. gezeigte Feldpostkarte in Kuhardt verfasste, berichtet aus dem nicht unweit davon gelegenen Neupotz der dem Füsilier-Bataillon des 88. Infanterieregiments angehörige Walter Schulze-Klosterfelde in seinem Buch Weißenburg, Wörth, Sedan, Paris: Heitere und ernste Erinnerungen eines preussischen Offiziers aus dem Feldzuge 1870/71:

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    Ein mehrstündiger Marsch bringt uns nach dem Dorfe Neupotz, südlich von Germersheim,

    hart am Rhein gelegen, wo wir bis 2. August verblieben. Mit Lieutenent Blumhof, einem der Compagnie-Offiziere, liege ich in einem Hinterstübchen der Dorfschenke; wir werden furchtbar von Rheinschnaken geplagt, Tag und Nacht finden wir keine Ruhe. Heiße Tage, dabei fieberhafte Spannung wie es werden mag.


    Den Rest kennen wir..

    Viele Grüße
    vom Pälzer

    verwendete Quelle:
    https://books.google.de/books?id=3EI0D…%201870&f=false

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    ein toller Bericht, den ich damals wie heute unterschreibe. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, als ich dort tätig war, hattest du innerhalb einer Minute ca. 60 - 80 Schnaken auf den wenigen freien Körperflächen. Damals wird es nicht besser gewesen sein. Schrecklich! Aber die Soldaten waren harte Jungs, auf beiden Seiten, da mussten sie halt durch. :thumbdown:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Bei uns in der Gegend um Nidderau und besonders Altenstadt, wo die Nidderau-Auen regelmäßig überschwemmt sind, war es vor ca 30,40 Jahren so schlimm mit den Schnaken, dass in der Bildzeitung davon berichtet wurde und viele Leute versuchten, ihre Häuser zu verkaufen. Arbeiten im Garten könnte ich nur einhändig erledigen, die andere Hand brauchte man zum Schnakenklatschen.
    Aber dann wurde regelmäßig ein Mittel ausgebracht, das die Männchen unfruchtbar macht. Seitdem ist Ruhe (fast).

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Verehrte Sammlerfreunde,

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    einen Wendebrief hatten wir in diesem thread meiner Erinnerung nach noch nicht. Um was geht es in vorliegender Dienstkorrespondenz: Das Bürgermeisteramt im vorderpfäzischen Lambsheim schrieb am 29.08.1870 an das Bürgermeisteramt im südpfälzischen Lingenfeld:


    Die Anmeldung zum Central-Nachweis-Bureau bezüglich Verwundeter und Kranker

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    Unterm 28ten d(ieses) M(ona)ts ging von hier ein Wagen mit einem Pferd des Albert Stephan IV und einem zweiten Pferd des G. Steuer I von hier, unter Führung des Heinrich Morstätter von hier, zur Wagencolonne auf Lingenfeld ab. Es ist uns die Ordre eingelaufen, dass Morstätter, Soldat des Kgl. bayer. 3. Artillerie-Regiments, der sich im Felde angeblich eine Körperverletzung zugezogen, sich sofort in das Militärkrankenhaus nach Speyer zur Heilung zu begeben habe. Wir stellen das ergebene Ersuchen, dem Morstätter dieses gegen Bescheinigung eröffnen zu wollen. Im Falle, dass derselbe sich jetzt an einem anderen Ort befindet und dieser neue Aufenthaltsort bekannt wäre, wolle Gegenwärtiges dem löblichen Bürgermeisteramt des betreffenden Ortes zur gefälligen Erledigung direkt übermittelt werden. Die Eigentümer der Fuhrwerke sind von dieser Anordnung bereits verständigt. Hochachtungsvollst - Unterzeichner

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    Die Antwort des Bürgermeisteramtes Lingenfeld:

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    Cr: m.: Mit der höflichen Erwiederung zurück, dass unterm Gestrigen schon die Wagen-Colonne

    sammt und sonders sich hierorts auflöste und die Führer in ihre Heimath entlassen wurden, ob der genannnte

    Morstetter dabei sich befand oder ob derselbe etwa nach Frankreich gefahren ist, vermag man nicht angeben

    Lingenfeld, den 31ten August 1870

    Hochachtunbgsvollst Bürgermeisteramt - Unterzeichner

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    Das Königlich 3. Feldartillerie-Regiment „Prinz Leopold“ nahm als direkt dem II. Armeekorps unterstellte Korpsartillerie an den Kämpfen bei Beaumont, Sedan, Coulmiers, Orléans sowie an der Belagerung von Paris, Belfort und Strasbourg teil. Zum Zeitpunkt des Dienstbriefwechsels hatte General Werder gerade das - mit einigen Unterbrechungen - vom 24. - 29. August 1870 angeordnete Bombardement von Strasbourg eingestellt, welches sich ab da nur noch auf die Festungsanlagen konzentrierte. Er wollte die Stadt erobern, nicht vernichten. Der Wechsel auf eine förmliche Belagerung war bereits vorgeplant, Belagerungstrains aus Magdeburg, Koblenz und Wesel in Marsch gesetzt.

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    Sie führten schwere Belagerungsgeschütze, insbesondere mit 15 cm-Kanonen und 21 cm-Mörser mit sich, welche Langgranaten schiessen bzw. werfen und neuerdings auch auf grosse Entfernungen verdeckt stehende Mauerwerke "breschiren" konnten. Für die Unterstützung dieses Aufmarsches wurden vermutlich auch in der Pfalz Pferde und Fuhrwerke requiriert und als Führer der Wagenkolonnen leicht verwundete Soldaten eingesetzt. Aber irgendwie kommt einem die Geschichte doch ein wenig merkwürdig vor. Man kommandiert einen verletzten Soldaten zum Fuhrwerk-Abführen ab und angelt ihn dann mitten drin aus dem Job heraus ins Lazarett...

    ..

    Viele Grüße

    vom Pälzer

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    verwendete Quelle:

  • Liebe Sammlerfreunde,

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    leider lässt sich von der Karte anbei nicht mehr der Absender ermitteln, da die entsprechenden Stellen ausradiert worden sind, aber das macht nichts. Denn der Inhalt und die Angabe der Einheit, das Königlich Bayerische 1. Infanterie-Regiment "König" vermitteln weitaus interessantere Sachverhalte. Eigentlich war das Regiment "König" dem Königlich Bayerischen I. Armeekorps (General von der Tann-Rathsamhausen) unterstellt, das in der Karte angegebene III. Bataillon jedoch der Unterstützung des Königlich Bayerischen II. Armeekorps (General von Hartmann) entsandt.

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    Selbiges unternahm unter Befehl des Kronzprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen am 4. August 1870 den Vorstoß gegen die Grenzfestung Weißenburg, während das Königlich Bayerische I. Armeekorps in Reserve gehalten wurde. Auch das III. Bataillon des Regiments "König" musste beidem Gefecht von Weißenburg noch nicht zum Einsatz gebracht werden, rückte jedoch nach Eroberung der Festung sofort auf den gegnerischen Boden nach und folgte dem Fluchtweg der geschlagenen französischen Einheiten auf der Straße nach Bitche bis Lembach.

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    Von dort aus erfolgte dann ein Tag nach Aufgabe der Karte der Vorstoß nach Süden Richtung Langensoultzbach, wo das III. Bataillon am 6. August 1870 am äußerst rechten Flügel der Schlacht von Woerth-Froschwiller eingesetzt wurde und sehr hohe Verluste davontragen musste. Aus Lembach berichtet nun ein Tag zuvor der unbekannte Verfasser wie folgt, wobei noch einige, mir leider gar nicht verständliche Worte zu ergänzen wären:

    .

    Lembach 5. August 1870

    ,.

    Verehrter Herr....

    Schon lange wollte ich Ihnen über mein Befinden Nachricht geben, allein es
    ist mir zur Stunde unmöglich, denn unter Tage mussten wir fortwährend
    marschieren, dass ich abends nicht im Stande bin Briefe zu schreiben.
    Gestern früh 3 Uhr marschierten wir vom Biewark eine Stunde von Landau
    entfernt nach der Festung Weißenburg ab, welche nach harten zähen
    Kämpfen von uns im Verein mit Preussen erobert wurde.

    Die Festung besetzten Turco & Zuaven und Chausseurs d`Afrique,

    (Anm.: in Algerien aufgestellte Kavallerie)

    die beiden ersteren ein wildes, vollständig uncivilisiertes Volk -

    ??? unter 6,5' kämpften wahnsinnig ???

    Das 10. Jäger-Bataillon nahm 2 Compagnien Chausseurs d`Afrique gefangen,

    ebenso sind an 200 Leut (<?) Zuaven gefangen, welche heute

    nach München transportiert werden.

    Könnte Ihnen vom Kriegsschauplatz vieles ???, allein es ist verboten.

    Entschuldigen meine kurze gebreche Schreibweise und ??? vielen Grüßen

    an Ihre verehrte Familie

    .

    Mit ??? Hochachtung

    unbekannt

    .

    In Passau hat man den Ankunftsabschlag verschwitzt, vielleicht ob der Siegesfreuden oder zu langer Beförderungsdauer ? Dass man vieles vom Kriegsschauplatz hätte mitnehmen können liegt daran, dass die sich fluchtartig zurückziehenden Reste der geschlagenen französischen Einheiten Unmengen an Waffen, Munition, Ausrüstungsmaterial zurückgelassen hatten.

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    Das im Text erwähnte Königlich Bayerische 10. Jäger-Bataillon, war maßgeblich an der Erstürmung des von algerischen Tiraillieuren und Linieninfanterie verteidigten Landauer Tores und der Innenstadt von Weißenburg beteiligt und trug auch bei der Folgeschlacht von Woerth-Froschwiller erhebliche Verluste davon.

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    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Hallo Pälzer,

    Sehr geehrter Herr - Radiergummi!
    Schon lange wollte ich Ihnen über mein Befinden Nachricht geben, allein es
    ist mir zur Stunde unmöglich, denn unter Tage mussten wir fortwährend
    marschieren, dass ich abends nicht im Stande bin Briefe zu schreiben.
    Gestern früh 3 Uhr marschierten wir vom Biewark eine Stunde von Landau
    entfernt nach der Festung Weißenburg ab, welche nach harten zähen
    Kämpfen von uns im Verein mit Preussen erobert wurde.
    Die Festung besetzten Turco & Zuaven und Chausseurs d`Afrique,
    (Anm.: in Algerien aufgestellte Kavallerie)
    die beiden ersteren ein wildes, vollständig uncivilisiertes Volk -
    kaum unter 6,5' (6 Fuß 5 Zoll = 196 cm Körpergröße) kämpften wahnsinnig wüthend
    Das 10. Jäger-Bataillon nahm 2 Compagnien Chausseurs d`Afrique gefangen,
    ebenso sind an 200 Brt (Berittene?) (<?) Zuaven gefangen, welche heute
    nach München transportiert werden.
    Könnte Ihnen vom Kriegsschauplatz noch Vieles mittheilen, allein es ist verboten.
    Entschuldigen meine kurze gebreche Schreibweise und ??? vielen Grüßen
    an Ihre verehrte Familie
    .
    Mit ausgezeichneter Hochachtung
    unbekannt
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    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Morgen bk,

    ja....wenn man das bekannte Bild von der Erstürmung des "Landauer Tores" betrachtet, dann sind die es verteidigenden Algerier ja schon vergleichsweise groß geraten. Das macht also einen Schuh und auch recht herzlichen Dank für die übrige Unterstützung, manchmal steht man bei dem einen oder anderen - letztendlich gar nicht mal so schwierigen - Wort irgentwie völlig verrannt wie der Ochs vorm Berg. Was könnte es Deines Erachtens für einen Grund für den ausgeblieben Ankunftsstempel in Passau gegeben haben ?

    Viele Grüße
    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Tach Pälzer,

    die meisten Karten (oder zumindest sehr viele) aus den ersten Tagen und Wochen des Krieges sind in Bayern tatsächlich ohne Ankunftsstempel geblieben. Es lässt sich darüber spekulieren, warum dies so ist, zumal davor und danach anders gearbeitet wurde.

    Ich persönlich denke, dass die Postler gerne mal schnell lasen, was an Primärnachrichten von der Front geschrieben wurde, auch wenn das Lesen der Texte von Correspondenzkarten den Postlern eigentlich verboten war, aber Zeitungen waren teuer und das Fernsehen und Internet noch nicht erfunden. Da war das Lesen einer Karte von einem, der mitten drin war, sicher nicht uninteressant und die bestinformierten Leute damals waren nicht ohne Grund die Postler ... ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Morgen zusammen,
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    zwei Tage Beförderungsdauer von Maikammer nach Mannheim, also lediglich ca. 45 km, das wäre in damaligen Zeiten normalerweise Anlass für eine Beschwerde gewesen.

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    Aber am Tag der Aufgabe, dem 15. August 1870 waren die deutschen Truppen kurz davor, den Marschall Bazaine mit seiner Rheinarmee in Metz zu einzuschließen > 14. August Schlacht von Colombey-Nouilly, 16. August Schlacht von Vionville-Mars-la-Tour, 18. August Schlacht von St. Privat-Gravelotte mit Rückzug der Franzosen in die Festung. Der für die deutschen Truppen sehr verlustreiche Erfolg hatte auf den Bahnstrecken im Hinterland zu den extremsten Belastungen während des Krieges überhaupt geführt, d.h. auch auf jener über Nancy - Vendenheim - Haguenau - Wissembourg - Winden - Neustadt a.d.Haardt.

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    Über den im Briefkopf erwähnten - von Wissembourg bis Winden nur eingleisigen - Abschnitt der pfälzischen Maximiliansbahn fuhren bereits während der Mobilmachung im Juli 1870 zwölf Militärzüge pro Tag von Mainz / Mannheim aus. Dies hatte erhebliche Einschränkungen des regulären Verkehrs zur Folge, welche mit den Material-, Truppen- und Verwundetentransporten vor bzw. nach den großen Gefechten um Metz noch weiter zunahmen. Deswegen ist es vorliegend zu der erheblichen Beförderungsverzögerung gekommen. Vom Inhalt her läßt nichts auf den Konflikt schließen, da ging es um andere, geschäftliche Differenzen zwischen Adressat und Absender.


    Viele Grüße
    vom Pälzer

  • ... manchmal kommt eine Facette der großen Geschichte der Kriege ganz klein daher - nur muss man das alles wissen und solch ein unscheinbares Brieflein erst einmal finden.

    Wenn man so etwas unerkannt schnappen kann, hat man einen Glücktag erwischt! :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • ...na so ganz unerkannt war es wohl nicht, der Zuschlag war auch von der Erhaltung her verhältnismäßig sehr stramm und verwundert umso mehr, als dass beim Ausruf die Rückseite gar nicht mal gezeigt ward.

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    Viele Grüße
    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... sieh es positiv - nach der Veröffentlichung hier würde er jetzt noch teurer werden ... ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Verehrte Sammlerfreunde,

    die - auf den ersten Blick eher unscheinbare - Postkarte anbei ist mal ganz was anderes. Sie stammt aus inmitten der Mobilisierungsphase nach der allgemeinen Mobilmachung vom 16. Juli 1870. Der aufgrund des Inhalts unzweifelhaft dem Militär angehörige Verfasser, der sich ohne Angabe seiner Einheit nur mit seinem Vornamen "outet", macht es einem damit schon ganz schön schwer. Man muss sich also zur Beschreibung des Hergangs der Dinge erst einmal an die wenigen Indizien halten, die sich aus der Transcription ergeben. Selbige somit zunächst wie folgt:

    Wetzlar 24.7.1870 - Den Königl. Oberst a.D. - Ritter Herrn Fronhöfer Hochwerther - Erfurt - Dalbergsweg No. 46

    Bis zum letzten Augenblicke hoffte ich mit dem mobilen Bataillon ausrücken zu dürfen, da ich 3 mal nicht u. wieder mobil gemacht wurde. Steinmann ist krank geworden und hat mich so das Los jetzt endgültig getroffen; in welcher Stimmung ich bin, könnt Ihr Euch denken ! Das mobile-Bat.(aillon) sowohl als die Ersatz-Compagnie müssen morgen hier ab. Letztere per Fußmarsch auf Koblenz; dahin also meine Briefe zu adressieren wären. Vielen Dank für Eure Briefe, die Ungewissheit war Grund meines Schweigens. Lebt wohl. Von Koblenz erhaltet Ihr sofort Antwort.

    Kurt

    Recht einfach war der Adressat Oberst a.d. Fronhöfer zu ermitteln, er befehligte im Deutsch-Deutschen Krieg das 2. Garde Landwehr-Regiment, welches bei der Entscheidungsschlacht von Königggrätz am 3. Juli 1866 beteiligt war.

    Der Verfasser hat seine mit 1 Groschen freigemachte Postkarte am 24. Juli 1870 in Wetzlar aufgegeben und teilt mit, dass er nach seiner Mobilisierung nun auf dem Fußmarsch Richtung Koblenz unterwegs ist. Insofern war es eigentlich (schon) eine Feldpostkarte, die nicht hätte frankiert werden müssen. Von seiner Einheit her war er allerhöchstwahrscheinlich dem in Gießen stationierten 2. Kurhessischen Infanterie-Regiment Nr. 82 angehörig gewesen, denn der Aufgabeort Wetzlar liegt auf dem Weg von Gießen nach Koblenz und eine weitere Quelle erwähnt, dass das Regiment nach seiner Mobilisierung einen kurzen Eisenbahntransport durch das Lahntal und durch das Rheintal bis Wiesbaden-Mosbach genossen hat.

    Nach Durchquerung Rheinhessens war es dann zunächst in der bayerischen Pfalz im Raum zwischen Kirchheimbolanden und Grünstadt einquartiert. Das II. und III. Bataillon war am 6. August 1870 in der Schlacht von Woerth-Froeschwiller eingesetzt, das I. Bataillon wurde an diesem Tag die Ehre zu Teil, für die Bedeckung des Hauptquartiers des Kronzprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen, dem Chef der III. Armee in Sulz zu sorgen. Bei der vorentscheidenden Schlacht von Sedan am 1. September 1870 kämpfte das Regiment auf dem Nordflügel und nahm ab dem 22. September 1870 an der Belagerung von Paris teil, wo am 1. März 1871 das Füsilier-Bataillon einrückte.

    Viele Grüße

    Vom Pälzer

    https://de.wikipedia.org/wiki/2._Kurhes…Regiment_Nr._82

    https://books.google.de/books?id=Jg1nT…%201870&f=false

  • Hallo Pälzer,

    Belege aus dem 70/71er Krieg aus dem Juli sind m. E. sehr selten - egal von woher. Richtig ging die Chose ja erst im August/September 1870 los und praktisch alle Karten und Briefe dieser frühen Phase sind frankiert, wobei hier vorfrankiert der bessere Ausdruck wäre, denn die Leute kauften damals ihr Postkarten (Correspondenzkarten) i. d. R. frankiert mit 1 Groschen bzw. 3 Kreuzern und so war das sicher auch hier.

    Darüber hinaus ist die Gebührenfreiheit der Soldaten zumindest in der Anfangszeit nicht so wichtig gewesen - da standen ganz andere Dinge im Vordergrund. Die Entschließung vom 7.8.1870 zeigt ja, dass es zuvor wohl noch keine Klarheit bei den Soldaten gab, ob sie frankieren sollten, oder nicht. Oft wurden auch Briefe Heimat - Front frankiert, wiewohl auch das nicht notwendig war, weil Feldpost in beide Richtungen lief und portofrei gestellt war.

    Ein feines Stück Zeitgeschichte (wer hätte gedacht, dass man 1870 noch Soldaten per pedes vorrücken ließ, wo es doch schon so lange die schnelle Eisenbahn gab?). Klasse!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.