Vermittlungsbriefe über Bayern 1849-1875

  • Liebe Sammlerfreunde....
    der folgende Vermittlungsbrief (Forwarding-Brief) ging mit kürzlich ins Netz. Vielleicht könnt Ihr mir bei der Klärung der eigenartigen Nachtaxe helfen....
    Tabakwarenrechnung
    geschrieben am 27.3.1867 in Hanau (Kurfürstentum Hessen / TuT-Postlehensgebiet)
    nach Aschaffenburg vermittelt.... dort am 28.3.67 Postaufgabe 8 Uhr abends
    Ankunft in Arnstorf am 29.3.67
    Der Brief hat eine (abgestrichene) Nachtaxe in blauem Farbstift, die ich als "noch 2" lese; das "noch" könnte auch eine für mich nicht lesbare Ligatur sein.
    - der Brief ist nach Tarif vom 1.8.1865 innerbayerisch korrekt frankiert
    - eine Nachtaxe in Silbergroschen (weil: 2 Sgr. = 6 Xer) kann m.E. ausgeschlossen werden, da der Brief innerbayerisch ist (wegen Vermittlung)
    -- desweiteren liegt Hanau m.W. im Gulden-Gebiet

    - ggf. käme eine Fehlleitung nach Arnsdorf (mit "d") in Betracht; dieses liegt bei Bautzen im Kgr. Sachsen.

    -- dies ist aus der Postlaufzeit vom 28.3.1867 8Uhr abends > Abgang bis 29.3.1867 = Ankunfstempel Arnstorf in Niederbayern quasi auszuschließen
    Für jedweden Hinweis aus dem Forumskreis und darüber hinaus bin ich sehr dankbar!
    Liebe Grüße
    Andreas

  • Lieber Andreas,

    ich denke, dass die Aufgabepost ihn zuerst nach Sachsen schicken wolle, weil das Arnsdorf dort das populärere war, wohin er in diesem Fall unterfrankiert aufgegeben worden wäre, so dass man zuerst 2 Neugroschen Nachtaxe notierte. Dann kam die Wende und man verschickte ihn nach Arnstorf in Bayern, war richtig war und wofür die 3x ausreichten und strich die Nachtaxe (links steht "noch 2", was ein eindeutiger Terminus für eine Nachtaxierung in den Postverein zeigt), was ja letztlich auch richtig war.

    Schönes Stück - ein kleiner Vortragsbrief! :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber @bk: Ja, das klingt logisch und nachvollziehbar (was glaube ich das selbe ist :D :D ) Danke für deine Einschätzung; jetzt kann ich die Beschreibung fertig stellen.
    @bs: thanx!

    Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (Lenin nachgesagt)

  • Liebe Freunde,

    heute kann ich einen Brief der Stuttgarter Firma Adolph Epting an J. J. Wellhöfer in Leutershausen zeigen, der am 22.9.1858 geschrieben wurde.

    Zur Postaufgabe gelangte er am 25.9.1858, also erst 3 Tage später - jedoch in Nördlingen, nahe an der württembergischen Grenze. Ab da kostete er nur ein Franko von 3 Kreuzern innerbayerisch bis 12 Meilen (hier: 50 km), wohingegen er bei einer ordentlichen Postaufgabe in Stuttgart als Postvereinsbrief über 107 km = 10 bis 20 Meilen immerhin 6 Kreuzer gekostet hätte.

    Unser sparsamer Schwabe hat also 3 Kreuzer auf die Schnelle sparen können - leider ging Württemberg leer aus, musste aber dafür auch nichts tun, während Bayern etwas tun musste für den Brief, aber wenigstens noch etwas Geld für ihn sah. Am Folgetag wurde er zugestellt.

  • Lieber Ralph,
    Und mit dem Absenderstempel auf der Briefvorderseite hat man es besonders gern, weil dann jeder auf den 1. Blick sieht, was Sache ist.
    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber Peter,

    so ist es - aber das haben sie damals wohl nur gemacht, damit im Falle einer Nichtzustellbarkeit die Post bemerkt, woher er kam und nicht versucht im Ort der Aufgabe fündig zu werden.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    da ist mir ein schönes Schwabenfrüchtchen ins Netz gegangen. Absenderstempel Meyer & Kober in Berg bei Stuttgart, verfasst am 13.3.1867, ging er nicht an seinen gedachten Empfänger Jos. Xaver Lutz in Cham im Wald, sondern zur Firma Weinmann nach Nördlingen, wo man am 18.3. eine Nr. 9c aufpappte, die für die innerbayerische Strecke bis Cham ausreichte.

    Der Briefinhalt ist hektographiert und nur die individuellen Daten wurde manuell eingetragen. Hellblauer Faltbrief, orange + blaue Firmenstempel, dazu die rote Marke (und so häufig ist die 9c schon auf Normalbrief nicht, geschweige denn auf einem Kuvertierten) - da musste ich nicht lange überlegen.

    Bei einer Strecke von gut 250 km hätte er von Berg bei Stuttgart aus natürlich 9 Kreuzer gekostet, so dass man sich 6 Kreuzer sparte.

  • Lieber Ralph,
    9c auf Brief, und dann noch forwarded! Das hat man nicht oft. Du kennst ja mein Problem mit der 9c!
    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber Peter,

    ja, die 9c ist für viele Sammler schwer abgrenzbar - die 10IIb ist da sicher leichter zu detektieren. In dubio ein guter Scan, bei einem Brief hilft das Datum auch, auch wenn nicht jeder 1867er Brief mit dieser 3 Kreuzer rot eine 9c zeigt - die Masse zeigt eben keine 9c bei 1867er Verwendungen, sondern 9a bzw. 9b.

    Aber du hast Recht - solche besonderen Briefe mit seltenen Marken sind das Salz in der Suppe und wer hätte bei kühlem Wetter nicht gerne eine das Herz (und den Magen) warm machende Suppe? ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich einen Brief aus dem badischen Mannheim vom 8.8.1863 mit Postaufgabe über der Rheinbrücke in Ludwigshafen vom Folgetag der Firma Eissenhardt & Bender, welcher an G. H. Drexel in Regensburg gerichtet war. Als einfacher Brief unter 1 Loth hätte er von Mannheim aus 9 Kreuzer gekostet, von Ludwigshafen aus als innerbayerischer Brief aber nur die frankierten 6 Kreuzer.

    Text: Einliegend erlauben wir uns Ihnen Rechnungsauszug abgeschloßen per 1 Juli a. c. mit einem Saldo von f 104. 37x zu unseren Gunsten zu überreichen, welchen Sie gefl. prüfen und rechtfindend mit uns gleiche Buchung machen wollen.
    Wir halten uns bei Bedarf in unseren Articeln beßtens empfohlen & zeichnen Achtungsvoll & ergeben Eissenhardt & Bender.

    Zu den Marken: Das Paar vom linken Bogenrand ist oben und links per Schere geschnitten worden, aber rechts und unten gerissen, wodurch die linke Marke etwas litt. Man hat aber ganz cool das Paar neben den Absenderstempel geklebt und nicht etwa diesen damit überdeckt, obwohl es gepasst hätte!

    Am 11.8. kam der Brief in Regensburg an (über Baden und Württemberg versteht sich!). Üblicherweise rechneten Firmen quartiell miteinander ab, so dass es bei dieser Geschäftsbeziehung sicher etliche Briefe geben dürfte, die über den Rhein gebracht in Ludwigshafen aufgegeben wurden. Das gleiche Phänomen kennen wir ja auch von Ulm - Neu-Ulm.

  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich eine kleine Besonderheit - Brief aus dem badischen Lahr vom 18.5.1867 nach Thann bei Simbach in Bayern, wobei die Postaufgabe erst in München am 21.5.1867 erfolgte. Die 3 Kreuzer reichten bis 1 Loth ohne Entfernungsbeschränkung innerhalb Bayerns - von Lahr aus hätten aber sowohl bis München, als auch bis Thann immer 9 Kreuzer frankiert werden müssen, so dass sich der Absender 6 Kreuzer gespart hat.

    Inseitig sehen wir 2 Seiten mit vielen Angaben - und den Original - Postschein von Thann vom 13.9.1867 an unseren Absender in Lahr, der den Versand eines Wertbriefes mit 9/10 Loth Gewicht über 27 Gulden belegt.

  • Hallo bk,

    .

    diese Brief ist besonders bemerkenswert, denn unten am Abschluss der Rechnung steht: Zahlbar an die H(erren) Gutleben & Weidert / München, dort wo die Augabe erfolgte. Hierbei handelte es sich um ein sehr angesehenes Privatbankaus und um ein Speditionsgeschäft der Lade-Innung.

    .

    Grüße!

    .

    vom Pälzer

    verwendete Quelle:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (25. Mai 2019 um 11:36)

  • ... jepp und die 27 Gulden sind auch mit Bleistift vermerkt. So schließt sich der Kreis wieder.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    die Firma Volleth & Boeschel in Nürnberg hatte eine Rechnung nach Straubing an die Firma M. Ludsteck zu verschicken, musste aber feststellen, dass Straubing über 12 Meilen von Nürnberg entfernt lag, was ein Franko von 6 Kreuzern erfoderte. Das war entschieden zu viel, so dass man seine Beziehungen spielen ließ und den Brief nach Regensburg brachte (Nürnberg - Regensburg genau 12 Meilen und damit noch ein Franko von 3 Kreuzer!).

    Ab Regensburg am 2.12.1858 dann nach Straubing, wofür nun die frankierten 3 Kreuzer ausreichten, also 3 Kreuzer gespart.

    Die Marke sollte eine 2 II Platte3 sein.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Morgen zusammen,.

    hier wieder einmal das badisch-rheinbayerische Sparmodell mit dem Effekt von 3 Kreuzern. Freivermerk fehlt, Ludwigshafener Aufgabestempel hinsichtlich seiner Vorschriftsgemäßheit schon arg grenzwertig..

    Viele Grüße
    vom Pälzer

  • ... Hauptsache wieder 6 Kreuzer gespart und ab 1.1.1868 hörten diese Briefe auf zu existieren, von daher sind 1867er Belege schon recht spät in der langen Historie dieser Portoersparnisse.

    Tipp vom alten Hasen - möglich waren diese Briefe ja schon in der Vormarkenzeit, aber da sind sie äußerst selten (was aber keiner weiß). Wenn man da einen unerkannt abgreifen kann, hat man sicher keine Niete gezogen. ;)

    Der Traum sind natürlich (gibt es tatsächlich) badische Drucksachen, die 1849/50 für nur 1 Kreuzer schwarz frankiert nach dem rechtsrheinischen Bayern liefen - ein Zuckerle! :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bk,

    .

    danke für die Korrektur, das waren ja von Mannheim nach Augsburg über 20 Meilen also 9 Kr im DÖPV, also 6 Kr-Sparmodell. So eine Badendrucksache wäre natürlich der "burner" :P

    .

    Beste Grüße!

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,

    den folgenden Brief habe ich wegen seines Vermerks unten gekauft. Gerichtet war er "An Herrn Professor Dr. C. Umpfenbach in Würzburg In Abwesenheit des Herrn Advokaten bittet man diesen Brief nach Giesen per die Adresse Herrn Dr. von Kliepstein zu senden".

    Das hat man ja nicht so häufig, dass vorderseitig schon eine neue Anschrift mit neuem Empfänger steht. Als Brief vom 18.9.1967 war er mit 6 Kreuzer Porto zubelasten.

    Am selben Tag kam er auch in Würzburg an und wurde - vermutich - dort zugestellt, jedenfalls finden sich keine weiteren Notationen oder Stempel, die gegensätzliches befürchten lassen.


    Im Briefinneren sieht man, dass er aus dem preussischen Erfurt stammt und am 16.9.1867 geschrieben wurde. Was auf der Adresse steht, wiederholt der Absender, sein Sohn August, nochmals in dem Brief selbst (so noch nie gesehen) und verweist auch auf einen Gütigen im Inhalt, der den Brief nach Pleinfeld bringen sollte, was ja auch geschehen ist. Die Handschrift innen ist eine Katastrophe, daher habe ich nichts gescannt. Portogewinn war 3 Kr. - bei frankierter Absendung hätte er sogar 6 Kr. gespart.

  • Liebe Freunde,

    mit dem Regulativ innerbayerisch vom 1.8.1865 war das Franko in Bayern und Richtung Pfalz in allen Fällen ohne Ansehung der Entfernung im Königreich auf nur noch 3 Kreuzer reduziert worden. Das war sehr kundenfreundlich und mutet in der heutigen Zeit wie ein Anachronismus an.

    Aber es gab noch günstigere Versendungsarten, wie z. B. die "per Couvert" oder auch "per Einschluß" genannt. Ein solches Stück haben wir hier vor uns und man darf als Sammler froh sein, dergleichen überhaupt heute noch zu finden:

    Die Firma Volleth & Boeschel in Nürnberg teilte, ihren Geschäftspartnern zu Beginn eines jeden Monats mit, welche Rechnungen, Kosten, Tratten, Wechsel usw. ein- bzw. ausgegangen waren und wie sich die aktuelle Finanzsituation für ihre Kunden darstellte. So auch hier in einem Brief an die Firma Otto Beck in Augsburg, der links unten den Vermerk "pC" = per Couvert trug. Was war geschehen, klebt doch nur eine simple 1 Kreuzer gelb auf dem Brief von Nürnberg nach Augsburg, der doch 3 Kr. gekostet hätte und im Falle einer offensichtlichen Unterfrankatur mit "noch 5 Kr." aus austaxiert werden müssen?

    Volleth & Boeschel hatte vlt. 5 Kunden in Augsburg, die alle ihren Finanzstatus zum 1.2. mitgeteilt bekamen. Daher hätte der Versand von 5 einfachen Briefen bis 1 Loth inklusive total 15 Kreuzer gekostet und das jeden Monat wieder.

    Wenn man aber diese 5 Briefe mit je einer 1 Kreuzermarke in Nürnberg versah, sie unter ein Kreuzband schnürte und das Kreuzband mit der Aufschrift "An die verehrliche Hauptbriefpostexpedition Augsburg, Franco" absandte, wurde nur dieses Bündel insgesamt gewogen. Dieser Brief hier wiegt 3g, so dass 5 Briefe 15g und das Kreuzband 1g wog, in toto also 16g. Damit reichten 3 Kr. von Nürnberg nach Augsburg für das "Bundle" aus, weil man noch unter 16,66g kam. Erst bei einem 6. Brief hätte man dann dieses "Bundle" mit 6 Kr. frankieren müssen. So sparte man sich also in Nürnberg bei nur 5 Briefen viel Geld, nämlich statt 5 mal 3 = 15 Kreuzer nur 1 mal 3 und 5 mal 1 Kreuzer = 8 Kreuzer, also 7 Kr. Ersparnis.

    Es versteht sich von selbst, dass die Ersparnis umso größer war, je mehr Briefe man unter Kreuzband versenden konnte, aber es mussten halt alles Briefe in den gleichen Ort bzw. dessen Lokalbezirk sein, Briefe an verschiedene Postexpeditionen waren so nicht zulässig.