Württemberg bis 31.8.1851 nach Österreich

  • Liebe Freunde,

    jahrelang habe ich nach einem solchen Brief gesucht und endlich bin ich fündig geworden. Dabei sieht der Kleine doch so harmlos aus, jedenfalls von vorne ...

    Der Absender schrieb die Adresse in Stuttgart am 20.6.1851 wie folgte:

    Bohème (= Böhmen, also nördliches Österreich)
    A Son Excellene
    Monsieur le Comte Charles de Chotek & &
    à Großpriesen
    par Dresde
    franco

    Großpriesen heißt heute natürlich ein bischen anders: https://www.google.de/url?sa=t&rct=j…ohmoP3qtaXXAw96

    Zum Empfänger dies: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Chotek_von_Chotkow

    Das für mich höchstinteressante ist aber der Zusatz "par Dresde", also über Dresden. Damit sagte der Absender der Post, dass er seinen Brief über Sachsen nach Großpriesen geleitet haben wollte, womit wir bei dem Laufweg Dresden - Bodenbach wären, der ja ab April 1851 gangbar war, was man auch in Stuttgart wusste.

    Jedoch, die Siegelseite belehrt uns eines besseren: Bahnpost Nördlingen 21.6. als Station der Strecke von München nach Nürnberg, dann aber nicht, wie man annehmen müsste aus postalischen und vorgegebenen Gründen via Hof, Leipzig und Dresden nach Bodenbach, sondern nach Eger über den lokalen Paketschluß Waldsassen am 22.6. und von dort nach Aussig am 23.6.. Wann er nun in Großpriesen ankam, wissen wir leider nicht, denn ein Ankunftsstempel mangelt.

    Zu den Taxen: Der Brief war voll frankiert, nur hatte man in Württemberg 2 Probleme: 1. Man hatte noch keine Briefmarken, wie andere Länder (erst zum 15.10.1851 erschienen) und 2. war man noch nicht im Postverein, so dass Marken, hätte es sie bereits gegeben, keine Gültigkeit gehabt hätten.

    Ergo galt auch Ende Juni 1851 noch immer die gute, alte Barfrankatur, denn anders ging es nicht. Der Absender zahlte für 3 Postgebiete (Württemberg, Bayern und Österreich) 6 und 8 Kreuzer. Das heißt, er zahlte in einem Postgebiet gar nichts und das war in Württemberg, denn dort war er portobefreit!

    8 Kreuzer für den historischen Transit durch Bayern (Postvertrag von 1809 mit Regulativ vom 1.12.1810, welch ein Anachronismus damals, weil noch in halben Münchener Lothschritten zu rechnen war und mit 50%iger Steigerung, statt wie damals üblich in Bayern und im Postverein mit Verdoppelung bei höheren Gewichten) und 6 Kreuzer für Österreich ab der bayer. - österreichischen Grenze.

    Weil man aber nicht 8 / 6, sondern zuerst 6 / 8 geschrieben hatte, war diese Notation falsch gewesen, denn Württemberg hatte das Weiterfranko in der Reihenfolge des Postlaufs zu notieren und nicht anders. Da Württemberg Bayern den Brief gab, galt es das bayerische Transitfranko im Nenner aufzuführen, also hier 8 Kr. und erst dann das Weiterfranko für Österreich im Zähler zu notieren, hier also 6 Kreuzer, sonst hätte der Brief nicht zu den Gebühren in der Briefkarte nach Nördlingen gepasst und Nördlingen hätte in der retour laufenden Attestkarte eine Korrektur vornehmen müssen, was sicherlich keiner damals wollte.

  • Lieber Bayern Klassisch,

    Danke Dir für diesen Beitrag, der sowohl von der PO als auch von der Sophy her sehr interessant ist :):)

    Besonders der Zeitraum kurz vor dem DÖPV und die besondere Route ist sehr spannend, danke also nochmals fürs Zeigen dieser Bombe :thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Lieber Bayern Social,

    genau so isses - ein Herzensstück für mich. :love::love::love:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ...kann es vielleicht sein, dass 1850/1851 noch der kürzeste Weg genommen wurde. Aus Württemberg hätte ich niemals mit dem lokalen Paketschluß Waldsassen/Eger gerechnet. Aus dem östlichen Bayern ja, aber doch nicht aus Württemberg.

    Erst 1852/1853 setzte sich dann Bodenbach wegen der schnelleren Bahn durch. Nur so eine Theorie von mir.

    LG
    Christian

  • Hallo Christian,

    war nicht gut bei der Auktion beschrieben und 1851er Briefe über mehrere Länder mit/ohne Postverein sind ja eine kleine Spezialität von mir. ^^

    Das mit der kürzesten Entfernung ist so eine Sache - eigentlich hätte m. E. hier der Altvertrag = Gemeinschaftsvertrag Österreich - Württemberg greifen müssen und da war es egal von Stuttgart aus, wo es nach Österreich hinging.

    Es gibt auch hochinteressante Briefe mit Marken frankiert von 1850 und 1851 in umgekehrter Richtung - allerdings für nette 4stellige Beträge ... die durfte ich nicht kaufen, weil ein ganz lieber Freund von mir westlich von München sie wollte und auch der hat sie nicht alle bekommen können.

    Wenn also die Entfernung keine Rolle gespielt hätte haben sollen, hätte Bayern ihn anweisungsgemäß auch über Dresden - Bodenbach leiten können, weil diese Variante spielbar war.

    Allerdings weiß ich nicht, ob es schon so früh so reibungslos lief und ob Bayern auch seine Auslandsbriefe dahin instradierte - leider gibt es nicht so viele Briefe, oder gar Primärliteratur, als dass ich das sicher sagen könnte. Aber genau das macht doch den Reiz dieser Briefe aus, oder?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    Glückwunsch zu dem sehr interessanten Beleg und danke fürs zeigen.
    Spannende Zeit, interessanter Leitweg, Taxierung, Sophy - passt alles ... :)

    Gruß
    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Hallo Ralph,


    Es gibt auch hochinteressante Briefe mit Marken frankiert von 1850 und 1851 in umgekehrter Richtung - allerdings für nette 4stellige Beträge ... die durfte ich nicht kaufen, weil ein ganz lieber Freund von mir westlich von München sie wollte und auch der hat sie nicht alle bekommen können.


    meinst du hier aus Österreich nach Württemberg. Die sind dann ja mit 9x frankiert, warum sind die so teuer?

    LG
    Christian

  • Hallo Christian,

    es gibt welche aus Juni 1850 (Österreich bekam zum 1.6.1850 Marken, aber nur im Inland gültig), die nach Württemberg mit Marken frankiert liefen (nix mit 9 Kr., da selbst in Österreich noch kein DÖPV!).

    Und es gibt welche bis 31.8.1851, also in Ö. schon Postvereinstaxen, aber in Württemberg noch nicht, wobei die Marken mal akzeptiert, mal vom vormarkenzeitlichen Franko abgezogen, mal ignoriert wurden. Alles höchst spannend, dazu relativ viele Recobriefe mit siegelseitiger Marke für die Recommandation in Österreich und und und. Topp - spannende Sache, aber, wie gesagt, oft 4stellig pro Brief. Bei ca. 10 Briefen dieser Art kommt da leicht ein Auto aus Sindelfingen oder Ingolstadt heraus und damit meine ich keinen Jahreswagen ohne Extras ... :D

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Christian,

    ein Teil war bei Rauhut unter Österreich vor 2 - 4 Jahren schätze ich. Der Rest, soweit mir bekannt, kam privat in den Handel unter "interessierten Kaufkräftigen".

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Brief:
    Teilfrankobrief aus Tettnang (Württemberg) vom 22. Mai 1823, "frei Bregenz" vermerkt. Dies war nicht möglich. Es war nur frco. bay. österr. Grenze (Lindau) möglich. So wurde auch verfahren, 2 Kr. für Württemberg und 3 Kr. für Bayern, bei der Briefaufgabe bezahlt. In Österreich, bis Feldkirch fielen 2 Kreuzer C.M. Porto an. Der Brief ging an die Handelsfrau Franziska Leone.

    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Liebe Freunde,

    heute zeige ich einen voll frankierten Dienstbrief aus Ellwangen nach Wien vom 27.05.1845, der zeigt, wie der Gemeinschaftsvertrag Österreichs beim Transit über Bayern ablief. Wie man sieht, alles gar nicht so einfach ...

    Das im Nenner notierte Franko war für den bayerischen Transit bestimmt, das im Zähler notierte Franko war das halbscheidig zwischen Württemberg (besser: Thurn und Taxis) und Österreich zu teilende Franko.

    Hierbei ist zu erwähnen, dass die in rheinischen Kreuzern notierten und in Württemberg bezahlten Gelder nicht paritätisch umzurechnen waren. Im richtigen Leben war 1 Kreuzer Conventionmünze (CM) 1,2 bis 1,25 Kreuzer rheinisch wert.

    Bezahlt wurden somit 13 Kreuzer Gemeinschaftsfranko und 7 Kreuzer für den bayerischen Transit. Aber rechts davon sieht man, dass die Reduktion Probleme bereitete, denn die inparitative Reduktion ergab 12 Kreuzer CM und 4 Kreuzer CM für Bayern. Somit wurde das Gemeinschaftsfranko mit einem weit höheren, als dem tatsächlich bezahltem Wert in Kreuzer CM konvertiert (12 Kreuzer CM entsprachen nämlich 15 Kreuzern rheinisch!), aber Bayern erhielt 7 Kreuzer rheinisch, die weit mehr waren, als die reduzierten 4 Kreuzer CM (4 Kreuzer CM waren paritätisch nur 5 Kreuzer rheinisch).

    Wie man an den Röteln des rechten Bruches aber sehen kann, war diese Reduktion nicht mit der üblichen Reduktion rheinischer und conventionsmüziger Währung in Einklang zu bringen (und das noch hier bei einem einfachen Brief!), notierte man doch zuerst im rechten Bruch 18 / 8 Kreuzer rheinisch. Bei einer Progression von 50% der Taxen der 1. Gewichtsstufe wären aus 12 / 4 Kreuzern CM 18 / 6 Kreuzer CM geworden, aber nicht 18 / 8 Kreuzer CM.

    Bei einer Progression um eine Gewichtsstufe in rheinischen Kreuzern hätte man 21 / 11 notieren müssen, dem 1,5 fachen Faktor für 13 und 7 Kreuzern rheinisch.

    Alles nicht so einfach damals ...

  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Brief:
    Brief aus Altdorf (Württemberg) vom 9. Januar 1815, in Ravensburg (Stempel RAVENSBURG - Württemberg)
    aufgegeben, nach Dornbirn (Österreich), mit Vermerk "über Lindau, franko österreichische Grenze". Der Ab-
    sender bezahlte bei der Briefaufgabe 3 Kr. für Württemberg und 3 Kr. für Bayern. Bis Bregenz wurden 12 Kr.
    C.M. Porto vermerkt. Dazu kamen noch 2 Kreuzer für den Boten nach Dornbirn, so daß der Empfänger 14 Kr.C.M.
    Porto bezahlte.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Hermann,

    eigentlich müsste es Myriaden von Briefen dieser Art geben, nur hätte ich die noch nie gesehen. Ein sehr schönes Stück und mit Leitwegsangabe "Lindau" auch ein optisches Schmankerl.

    Vielen Dank fürs Zeigen! :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    weil ich einen aus 1851 gesucht und jetzt auch gefunden habe, zeige ich ihn mal hier: Künzelsau 3.4.1851 über Bayern nach Steyr in Österreich. Zuerst in rheinischen Kreuzern (und damit falsch) taxiert mit 13 / 7, dann richtig, weil man in Österreich in Conventionkreuzern rechnete, in 12 / 4 reduziert, die Wien am 8.4. richtig in 16 Kreuzer CM addierte und am Folgetag vom Empfänger kassierte.

    Bayern bekam 7 Kreuzer rheinisch vergütet, während Württemberg und Österreich jeweils 6 Kreuzer CM erhielten - damit war jedem Postgebiet in etwa der gleiche Betrag für den bis 1/2 Loth wiegenden Brief verblieben.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,
    schöner Brief aus interessanter Zeit...eine Frage, wieso lief der über Wien, habe ja mal einige Steyr-Briefe gehabt wegen dem Laufweg über Feldkirch nach Osten, auch aus Wü und Baden, über Wien sind die nie gelaufen.
    LG
    Christian

  • Hallo Christian,

    danke! Kartenschluß Ulm - Wien mit Rücklauf nach Steyr. Sieht man ab und zu - ich habe ja einen aus 1851 gebraucht und, da hast du Recht, so einfach findet man solch einen nicht. Jetzt suche ich noch, selten, einen, der im offenen Transit durch Bayern lief (gerne aus Ulm). :D

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • !0 Juli 1846 von ULM nach LINZ

    Empfänger bezahlte 16 Kreuzer

    Was hat davon wer bekommen, und warum ist da kein Auslagenstempel (Augsburg) drauf?

    Bilder

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich

    Das Leben ist zu kurz um sich darüber zu ärgern, was andere über dich denken oder sagen

    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig

    Einmal editiert, zuletzt von Minimarke (13. Oktober 2020 um 19:34)