Fahrpost Russland <=> Schweiz

  • Wer kann russisch?
    Ein Wertbrief mit 50 Rubel von St. Petersburg im April 1873 in die Schweiz gibt mir viele Rätsel auf.

    Was ich glaube zu wissen:

    Stempel:
    S.PETERBURG / EhKs.PRIE:INOST.KORR = Stempel für Wertbriefe in das Ausland vom 20.4.1873 (Baillie / Peel Typ 2B1A, bekannt 1872)
    AUS RUSSLAND / PTO. v. EYDTKUHNEN ist als Nr. 331 bei van der Linden ab 1872 bekannt und soll in Eydtkuhnen verwendet worden sein
    FRANCOGRENZE (ohne Leerzeichen) ist als Nr. 1474 bei van der Linden ab 1875 (I) bekannt und soll in Eydtkuhnen verwendet worden sein

    Danach sollte der Brief bis zur schweizerischen Eingangsgrenze bezahlt sein.

    Eine Kartierungsnummer N19 erkenne ich noch, aber alles andere?
    Links oben: Pr 19gr ?
    10 / 165 und blaue 53 1/3
    Bleistift 115
    Rückseite Addition 10 + 50 + 5 = 65

    Wer kann den russischen Kommentar auf der Vorderseite lesen und übersetzen? Die Absenderangabe (?) auf der Rückseite? Vielen Dank für euere Hilfe.

    LG
    Rudolfo

  • Hallo Rudolfo

    der Stempel "PTO. v. EYDTKUHNEN" sagt schon aus, dass der Brief ab Eydtkuhnen Porto lief, also Deutschland + Schweiz noch zu bezahlen sind. Habe jetzt nicht soviel Zeit und kann auch nicht sagen, ob ich passende Verordnungen finde.

    Mit feundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • Hallo Rudolfo

    Links oben dürfte 19 Gramm stehen.
    rechts N19 -> dazu komme ich noch

    links unten 10 / 16 / 53 ? Rt 115

    Die beiden linken Werte, keine Ahnung. 53? dürfte die Reduktion von 50 Rubel in Thaler sein. 1 Thaler entsprechen m.E. 0,93 Rubel und damit dürften eigentlich 53 5/6 Thaler herauskommen.
    Jedoch spielt es keine Rolle, da im Transit in 100-Thaler Schritten gerechnet wurde. Für das Deutsche Reich sind 6 Groschen Briefgebühr + 3 Groschen Wertgebühr = 9 Groschen zu erheben. Diese 9 Groschen entsprechen auch die 115 Rappen.
    (1 Thaler dürfte 370 Rappen sein)
    In der Schweiz wurden die Orte in Progressionsstufen eingeteilt. Dazu gab es ein Ortsregister, wo dies stand. (Habe ich nicht).
    Möglicherweise ist N19 genauso eine Progressionsstufe.
    Problematisch wird jetzt die Reduktion der Rubel in schweizer Franken. Grob dürften 200 Franc herauskommen und je nach Rechnerei mal knapp darüber bzw. darunter.
    Jedenfalls kann ich keine weiteren Angabe den mir vorliegenden Werten zuordnen. Eventuell wurden diese geändert.

    Mit freundlichem Sammlergruss

    Ulf

  • :) Hallo Ulf,

    vielen Dank für deine Infos. Jetzt scheint es zu passen.

    Zu dem Schweizerischen Portoanteil nach dem Tarif 1870:

    Das Ziel Lavey les Bains liegt genau zwischen Martigny und Aigle, beide haben einen Progressionssatz von 7.

    Damit liegt das Gewichtsporto bis 2 Pfund bei 40 Rp

    zzgl. Wertporto mit 4 Rp je 26 2/3 Thaler

    => bei zweifach bis 53 1/3 Thaler (du liest 53 5/6? nicht vielleicht 53 1/3) = 8 Rp aufgerundet 10 Rp

    => oder dreifach = 12 Rp aufgerundet auf 15 Rp

    Das schw. Porto müsste also 50 Rp oder 55 Rp sein.


    Jetzt macht die 16/ unter dem Bruchstrich links unten sehr viel Sinn - es sind 165:

    (deine) 115 Rp deutscher Portoanteil + 50 Rp schw. Portoanteil bis 53 1/3 Thaler Wert = 165 Rp HEUREKA

    Mysteriös bleibt die "10" unter Bains und die rückseitigen 10 + 50 + 5 = 65. Letzteres könnte die russische Anschreibung sein. Vielleicht kann uns da Michael helfen :?: .

    In bißchen irritiert mich noch, dass ich 50 rubel dargents lese, d.h. Silberrubel. Die müssten doch eigentlich schwerer sein? :?:

    So macht Postgeschichte Spaß und ich danke dir für deine Hilfe. :)

    Herzliche Grüße

    Rudolf

    Beste Grüße

    Rudolfo

  • Lieber Rudolf,

    frag doch mal einen Numismatiker (oder suche etwas im Internet), welches Gewicht damalige, kursierende Silberstücke Russlands hatten. Multipliziert mit der Anzahl, um auf 50 zu kommen, dazu wenige Gramm für den Brief selbst und du müsstest das Ergebnis nachspielen können.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    danke für den Tip.

    Laut Wikipedia sollte der Silberrubel zu dieser Zeit 25g - 30g wiegen. Bei 50 Münzen wäre das Gewicht mit mindestens 1,25 kg zu hoch für unsere Berechnungen.
    Eigentlich würden die 50 Rubelstücke auch nicht in das kleine Kuvert passen. Es muss sich also um Papiergeld handeln. Dann passen auch die 19g.

    Herzliche Grüße

    Rudolf

    Beste Grüße

    Rudolfo

  • Lieber Rudolf,

    ja, das passte dann nicht ... es gab ja teils unterschiedliche Tarife für Gold, Silber und Scheine, vlt. kann man es dann genauer festmachen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Rudolf,

    Kupec schreibt zu Wertsendungen folgendes:
    Wertsendungen werden nur bis zur Grenze frankiert, können aber auch unfrankiert versandt werden.
    Briefe in Papiercouverts mit Wertangabe werden nur für die Staaten des deutschen Postverbandes angenommen. Für alle übrigen Länder müssen Geld- und Wertsendungen in Leder oder Wachsleinwand verpackt werden. Klingende Münze wird ins Ausland nur in Fässchen oder Kisten versandt.

    Wenngleich die Angaben zum Versand in Leder oder Wachsleinwand bei deinem Brief wohl nicht beachtet wurden, ergibt sich aus dem Zitat, dass in deinem Brief keine Münzen gewesen sein können.
    In einer anderen Quelle (Hofmann: Lettland Bd. 1) findet sich eine Beschreibung zum Procedere bei der Aufgabe eines Wertbriefes. Demzufolge musste der Brief unversiegelt an der Post eingeliefert werden, damit der Beamte die Richtigkeit der Wertangabe kontrollieren konnte. Anschließend wurde der Brief dann vom Absender und der Post gemeinsam versiegelt. Das mittige große Siegel auf der Rückseite deines Briefes wird wohl das Postsiegel gewesen sein.

    Zur Taxierung findet man bei Kupec folgende Angaben:
    10 Kop. betrug das Briefporto, für eine Wertsendung fielen ebenfalls 10 Kop. je Loth an.
    An Versicherungsgebühr kamen bis 100 Rubel Gesamtwert 1 Kop. / Rubel hinzu.
    Die rückseitig notierten Beträge kann man dann folgendermassen zuordnen:
    10 Kop. Briefporto
    50 Kop. Werttaxe
    5 Kop. Gebühr für den Einlieferungsschein

    Gruß
    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Jetzt wollte ich die Ergebnisse der Diskussion zusammen fassen und habe noch einmal nachgerechnet und recherchiert.

    1. Nach einem mir vorliegenden Post - Handbuch von Juli 1870 komme ich auf folgende mögliche deutsche Taxen
    a. als Wertpaket Mindestporto über 50 Meilen = 6 Gr
    b. als Wertbrief (laut Kupec nur im Verkehr Russland <=> Deutschland möglich, nicht in die Schweiz) Mindestporto 5 Gr
    + 3 Gr unstrittiges Wertporto ergeben sich 8 Gr oder 9 Gr.

    Jetzt wird es lustig. Nach der Verordnung Nr. 2, 1870 des NDP (s. Datei). gilt:

    8 Gr = 100 Rp

    9 Gr = 110 Rp

    d.h. nach den angeschriebenen 115 Rp müsste die deutsche Taxe 9 1/2 Gr sein


    Was läuft hier falsch? Nehme ich die falsche Reduktionstabelle?

    LG
    Rudolf