• Liebe Freunde,
    ich befasse mich z.Z. mit den Rückscheinen bzw. Recepissen der Pfennigzeit. Dabei ist mir folgendes aufgefallen:
    auf den in meiner Kartei vorliegenden vorgedruckten Scheinen steht immer "Recommandirt!" oder "Eingeschrieben", allerdings
    scheint das in den meisten Fällen nicht beachtet worden zu sein.
    Die meisten davon sind mit 20 Pfg. frankiert und tragen keinen R-Zettel oder -stempel. Es sind aber auch folgende Varianten dabei:
    Frankatur 20 Pfg. mit R-Zettel (nur R-Gebühr frankiert ??), Nr.40 ist bei diesem Stück nach Frankreich innen (Blaustiftentwertung)
    Frankatur 10 Pfg. mit R-Zettel (?????)
    Frankatur 10 Pfg. ohne R-Zettel (ermäßigtes Behördenporto ??)
    Frankatur 30 Pfg. mit R-Zettel (ermäßigtes Porto + R-Gebühr ??)

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    Wie kommen diese Varianten zustande ? Sind meine in Klammern stehenden Vermutungen richtig und wie lässt sich die Variante
    10 Pfg. mit R-Zettel erklären ?
    Über Erklärungen und Antworten würde ich mich freuen, soweit der Geist bei diesen Temperaturen noch willig ist !
    Liebe Grüße von

    weite Welle

  • Lieber weite Welle,

    jedes Stück ein Schmuckstück und doch so schwer zu erklären ...

    Der Rückschein nach Frankreich ist natürlich ein Hammer. Fern von meiner Literatur nehme ich an, dass er nach den Regularien des Postvereins (Avis de réception) behandelt wurde. Wenn innen eine Marke mit Blaustiftentwertung klebt, würde ich eher darauf tippen, dass es sich um eine fiskalische Verwendung für Schreibgebühren o.ä. handelt.

    Warum auf den anderen Rückscheinen Marken kleben, ist schwer zu beantworten.

    Es stellt sich die Frage, ob der Vollzug in den von dir gezeigten Fällen tatsächlich von der Post vorgenommen wurde. Die blauen Rückscheine "B6" entsprachen zwar den 1867 im Vertrag Bayerns mit dem Norddeutschen Bund, Baden, Württemberg und Österreich erwähnten Vorgaben, aber waren sie auch reine Postformulare? Viele Gerichte ließen sich eigene Formblätter anfertigen (siehe dein Traunsteiner Beispiel). Es gibt auch hektographierte Beispiele, die die Formular-Kennung "B6" aufweisen, sonst aber nur im Aufbau den blauen Scheinen ähneln. Es gibt ferner Stücke (siehe Anhang, Beispiel aus Dorfen), die äußerlich in keinster Weise darauf schließen lassen, dass es sich um eine Empfangsbescheinigung handelt (aber eine sind).

    Wenn dem so war, also die Post nicht den Vollzug vornahm, konnten die Formulare theoretisch auch im verschlossenen Brief zum Adressaten kommen, entweder vorfrankiert oder noch zu frankieren. Dort wurden sie dann in der Behörde unterschrieben und erst danach der Post übergeben, als normaler Brief (10 Pfge.). Möglich auch, dass ein Empfangsschein auch noch von einer Beilage begleitet war und in der nächsten Gewichtsstufe lag (20 Pfge.) oder aber eingeschrieben versendet wurde (10+20 Pfge. - eigentlich hirnrissig, aber in Bayern war/ist alles möglich).

    Gemäß den Vorschriften für die Behandlung der Retour-Recepissen wurden diese nach Vollzug umgehend, aber kostenfrei als Briefpostgegenstände an den Aufgabeort zurückgeschickt, in den Briefkarten gesondert aufgeführt wie Einschreiben. Eine Frankierung war also bei diesem Verfahren weder vorgesehen noch nötig. Diese innerbayerischen Vorschriften (im Ursprung von 1811!) sind meines Wissens nie aufgehoben worden.

    Streng genommen dürfte es ab dem 1.1.1876 aber keine innerbayerischen Post-Lieferscheine (Retour-Recepisse) nach klassischem Muster mehr gegeben haben - oder kennt jemand eine Vorschrift, die die Tarife dafür nach neuer Währung nennt? Das legt den Aufbrauch von Formularen nahe, weswegen vielleicht auch die auf diesen genannte Einschreibung des öfteren so geflissentlich ignoriert wurde.
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    Ergänzung/Richtigstellung vom 1.8.2013: Man sollte nichts schreiben, wenn man seine Literatur nicht greifbar hat. Die bayerische Post-Transportordnung von 1876 nennt unter §19 die Möglichkeit der Beibringung einer Empfangsbescheinigung (Rückschein), wofür grundsätzlich 20 Pfennige Gebühr bei der Aufgabe zu entrichten waren. Das heißt, es gibt die Kontinuität von der Retour-Recepisse zum Rückschein (unabhängig von Postbehändigungsschein und Postzustellungsurkunde), auch tariflich: die 20 Pfennige entsprechen den 7 Kreuzern, die bis Ende 1875 für eine Retour-Recepisse berechnet wurden (Revidierte Post-Transportordnung von 1872). Peter Sem schreibt im Handbuch der Pfennigzeit, S. 300, "die Entwertung der aufgeklebten Formulare (sic!) erfolgte bereits bei Briefaufgabe im Aufgabepostamt". Das könnte auch hin und wieder unterblieben sein, siehe das Beispiel aus Unterwessen, und erst am Zustellungsort vor der Rücksendung nachgeholt worden sein. Ob die Rückscheine zu frankieren waren? Wenn man den Preisansatz von Sem für Rückscheine mit und ohne Marken vergleicht, dann müssen markenlose eher die Regel gewesen sein als mit Marken versehene. Aus der Transportordnung geht dazu nichts hervor. Interessant noch das Ausschreiben der Generaldirektion vom 16.2.1875 (VOAB Nr. 12, # 1676): "Von jetzt ab haben sämmtliche Lokalpostanstalten die vollzogenen Rückscheine über Briefposteinschreibsendungen sowie die Laufzettel, deren Nachweis durch die Karten gesichert werden soll, in einen entsprechend adressirten Briefumschlag zu verschließen und denselben als Einschreibsendung zu behandeln." Mehrere derartige Sendungen für den gleichen Bestimmungsort konnten in einen Umschlag gelegt werden.
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    Bleibt die Frage, warum auf dem Kaufbeurener Rückschein ein "Eingeschrieben"-Zettel klebt. Eine Möglichkeit: Er gehört nicht ursprünglich zum Stück. An einem ähnlichen Stück (markenlos) beiße ich auch herum (siehe zweiten Anhang). Müssten die auf dem Formular eingetragene Expeditionsnummer und die auf dem Zettel nicht eigentlich übereinstimmen? (Noch aus der Kreuzerzeit stammt das dritte Stück, noch mit "Eingeschrieben"-Stempel. Innen trägt es die Expeditionsnummer "74", außen, im Stempel, eine "75", die in "74" korrigiert wurde.)

    Ich gebe zu, meine Anmerkungen sind jetzt größtenteils rein spekulativ (und vielleicht nicht sehr spektakulär), aber mehr ist die Vermutung einer Portoermäßigung für Behörden auch nicht - oder ist die nachgewiesen?
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    Ergänzung vom 1.8.2013: Ebenfalls bei Sem, S. 300, steht: "Der Portosatz für Behörden war ermäßigt auf 10 Pfg., der Normalsatz betrug 20 Pfg." Davon steht zumindest in der Transportordnung nichts. Bei Behändigungsscheinen gab es jedoch eine ermäßigte Zustellgebühr von 10 Pfg.
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    Viele Grüße aus Erding!

  • Lieber Erdinger,

    eine schöne Strecke und interessante Gedankengänge kennzeichnen einen hervorragenden Beitrag.

    Zitat

    Müssten die auf dem Formular eingetragene Expeditionsnummer und die auf dem Zettel nicht eigentlich übereinstimmen?

    Aber der blaue Schein hat ein "Upgrade" der 3. Art erfahren, wie wir es nicht gerne sehen wollen. Innen und außen musste natürlich die selbe Nummer vermerkt sein, weil es ja sonst keinen Zusammenhang gegeben hätte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    Aber der blaue Schein hat ein "Upgrade" der 3. Art erfahren, wie wir es nicht gerne sehen wollen.

    der war gottlob nicht so teuer (für ein verfälschtes Stück natürlich schon), aber ich habe ihm in Gedanken bereits eine bestimmte Rolle zugedacht, wenn ich es einmal schaffen sollte, ein Exponat zum Thema Postinsinuation aufzubauen: Wie ein solches Stück eben nicht aussehen sollte.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Erdinger,

    eine lässliche Sünde, so ein Stück zu kaufen - da haben die alten Hasen hier, ich schließe mich da gar nicht aus, ganz andere Gurken an Land gezogen. :D

    Ehe du an Materialarmut zugrunde gehst ( :D ), sag mir bitte Bescheid - das ein oder andere Stück zu deser hochinteressanten Thematik könnte ich aus meinen Sammlungen für dich loseisen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,

    Zitat

    Ehe du an Materialarmut zugrunde gehst ( :D ), sag mir bitte Bescheid - das ein oder andere Stück zu deser hochinteressanten Thematik könnte ich aus meinen Sammlungen für dich loseisen.

    Für unsittliche Angebote dieser Art bin ich immer offen ...

    Ich habe übrigens an meinem Beitrag noch herumkorrigiert. Übersichtlicher oder kürzer ist er leider nicht geworden. Ganz nach Friedrich Hebbel: "Es ist leichter zu schreiben als es zu lassen." weite Welle möge es mir vergeben.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Müssten die auf dem Formular eingetragene Expeditionsnummer und die auf dem Zettel nicht eigentlich übereinstimmen?

    Aber der blaue Schein hat ein "Upgrade" der 3. Art erfahren,

    Hallo liebe Experten,

    als Laie sehe ich diesen Fehler leider nicht ;(

    Auf dem Einschreibzettel, besser wäre wie bei Erdingers anderer Schein der R-Stempel muss doch die Nr. stehen, die für den Rückumschlag verwendet wurde, wenn ich die Vorschrift lt. Erdingers-Beitrag heranziehe
    Zitat: "vollzogenen Rückscheine über Briefposteinschreibsendungen sowie die
    Laufzettel, deren Nachweis durch die Karten gesichert werden soll, in
    einen entsprechend adressirten Briefumschlag zu verschließen und
    denselben als Einschreibsendung zu behandeln." (und der brauchte dann eine eigene/neue Nummer).

    Nur nebenbei: an dem Schweinfurter war ich auch interessiert, aber man kann ja nicht alles wollen und er ist nicht aus Würzburg :thumbup: Ach ja noch so ein Manko: kein Poststempel :!:

    Luitpold

    Ergänzung:

    Seit vielen Jahren geistert ein blauer Rückschein + Aufgabeschein aus Würzburg durch die Auktionssäle, frankiert mit 20 Pf. und in aller Regelmäßigkeit erst zu ca. 400 DM und jetzt so um 200 EUR ausgerufen. So ein Schein, falls es nicht mehrere gibt, besaß einmal ein Schweinfurter-Sammler. Damals wie heute ist mir der Preis zu hoch. Auch wenn jetzt nicht das Thema passt, und über Geld hier kaum geredet wird (warum nur :?: ) mal die Frage: ist der Preis gerechtfertigt - auch im Hinblick auf die wenigen Interessenten, Sammler solcher Stücke.

  • Lieber Luitpold,

    ein Rückschein wurde dem Brief mit Bindfaden untergebunden. Bei der Tour erhielt er natürlich keine Nummer, weil er (noch) keine Funktion hatte. Erst nach seiner Ausfertigung war er unter Recommandation zu retournieren und erhielt dann seine (erste und einzige) Reconummer.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Erdinger, liebe Freunde,
    vielen Dank für Eure ausführliche Antwort auf meine Fragen. Ich habe im Lauf der Woche mal einen Artikel über das
    Thema zusammengestellt, den ich hier zur Diskussion stellen möchte. Da ich beim Versuch, ihn einzustellen, schon
    zweimal rausgeworfen wurde und alles weg war, dazu plötzlich keine Bilder mehr angenommen wurden (Sch.... Computer),
    habe ich ihn eingescannt und stelle das jetzt so ein. Die Bilder sind deshalb sehr schlecht, aber ich denke, man sieht,
    was man sehen soll.
    [Blockierte Grafik: http://www10.pic-upload.de/03.08.13/8mftaga7tsxo.jpg]
    [Blockierte Grafik: http://www10.pic-upload.de/03.08.13/kgal3q9a92o1.jpg]

    [Blockierte Grafik: http://www10.pic-upload.de/03.08.13/bn7y3xsqgw6t.jpg]

    [Blockierte Grafik: http://www10.pic-upload.de/03.08.13/lfpakvupkd.jpg]

    Was meint Ihr dazu ?
    Liebe Grüße von

    weite Welle

  • Hallo weite Welle,

    "auf Stempel (Stämpel) geschrieben" bedeutete, dass Stempelpapier zu nehmen war (früher 3x, dann wohl 10 Pfg.). Man sollte also links oben zwei Eindrucke mit Wappen und Wert finden.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bk,
    das hatte ich mir beim Lesen der VO auch gedacht. Aber leider Fehlanzeige: keine einzige der RR ist auf Stempelpapier.
    Bei der Gelegenheit gleich noch ein Rätsel. Das Innere der 20-Pfg.-RR aus Unterwössen weist oben links zwei Notizen
    auf, von denen ich die obere nur teilweise lesen kann: ich lese ...ltax 20 Pfg. und Tax-Nr.354.
    Was heißen die 2 oder 3 Buchstaben am Anfang des oberen Wortes ?

    [Blockierte Grafik: http://www10.pic-upload.de/03.08.13/cz1njnxm9dok.jpg]


    Liebe Grüße von

    weite Welle

  • Hallo weite Welle,

    ich kenne handgeschriebene RR auf Stempelpapier, kann aber aus der Pfennzigzeit natürlich keine zeigen.

    Oben lese ich Hpl; bei Hpt hätte ich auf Hypothekensache getippt, aber diese Abkürzung kenne ich leider nicht.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bk,
    könnte es Stpltax heißen ? Dann hätten wir unser (handgeschriebenes) Stempelpapier. Die Stempeltaxe für andere Schreiben
    betrug häufig 20 Pfg., dann allerdings auch mit Stempelmarke geklebt.
    Liebe Grüße von

    weite Welle

  • Hallo weite Welle,

    ich habe es mir nochmals angeschaut - völlig ausschließen kann ich es nicht. Ob das überhaupt gültig war, so einen Vermerk zu "produzieren"? Aber wenn es so gewesen sein sollte, dann wäre es sicher etwas besonderes, denn derglichen habe ich noch nicht (in der Kreuzerzeit) gesehen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber weite Welle,

    ich lese auch "Stpltax".

    Deinen Artikel finde ich ausgezeichnet, er bringt viele Lösungsansätze für einige ungeklärte Probleme (und lässt meine unbeholfenen Erklärungsversuche vom Anfang dieses Threads weit hinter sich). Er stellt vor allen Dingen klar, dass man sich nicht nur auf die philatelistisch interessanten Flächen eines Ganzstücks stürzen darf, sondern den Inhalt unbedingt dazu in Beziehung setzen muss. Und dass man die Pfennigzeit niemals isoliert von der Kreuzerzeit betrachten darf, so verlockend die Epochentrennung auch sein mag.

    Literatur dazu gibt es ja nicht viel. Der entsprechende Beitrag von Christian Hörter im Band Postbeziehungen Bayern – Österreich wird immer da schwammig, wo es eigentlich interessant wird. Aber das Thema ist eben etwas undurchsichtig. Dazu hat die bayerische Post stark beigetragen, die ihre Expeditoren in einer Flut von Regularien ertränkte und dabei immer entscheidende Punkte im Unklaren beließ. Das macht es auch so schwierig, die Quellen zu interpretieren, weil man nie weiß, ob und wie lange Verordnungen noch galten oder ob sie irgendwann aufgehoben oder durch andere ersetzt wurden. Auch das Werk von Gumppenberg ist da nicht immer eine Hilfe.

    Interessant wäre es noch, sich einmal mit den eigentlichen Formularen zu beschäftigen. Wann zum Beispiel wurde das Formular B6 eingeführt?

    Im Band II des Bayerischen Postarchivs von Gumppenberg wird unter der Nr. 435 auf den Postvertrag vom 7. Mai 1872 verwiesen, wonach das Rückscheinformular auf blauem Papier "angeordnet" worden sei. Zum ersten Mal taucht es m. W. aber bereits im Vertrag Bayerns mit dem Norddeutschen Bund, Baden, Württemberg und Österreich auf, der am 23. November 1867 geschlossen wurde. Die entsprechenden Paragraphen in der zum Vertrag gehörenden Instruktion sind praktisch gleichlautend. (Siehe Anhänge, zuerst aus dem Jahr 1867, dann Gumppenberg!) Auch die abgebildeten Muster sind völlig identisch.

    Dieses Formular belegt in seinen Varianten wohl auch die Auswirkungen der Eindeutschungsbemühungen Heinrich von Stephans (Verordnung vom 21. Juni 1875, 671 postalische Begriffe!) und der Vereinheitlichungsbestrebungen im Reichsgebiet ("Eingeschrieben" statt "Recommandirt", "Rückschein" statt "Retour-Recepisse"). Bayerische Behörden, die ihre eigenen Rückscheine in Auftrag gaben, blieben bezeichnenderweise oft beim althergebrachten Begriff "Retour-Recepisse".

    Wer sich in das Thema ganz tief einarbeiten möchte, sollte sich einmal die Arbeit des Sprachwissenschaftlers Cherubim (der heißt wirklich so) ansehen ...

    Viele Grüße aus Erding!

  • Hallo Sammlerfreunde,

    anbei dann auch einmal von hier aus ein Beitrag zur o.a. Thematik. Im vorliegenden Fall handelte es sich um ein Einschreiben mit der No 1719 dessen Empfang vom Bürgermeisteramt Landau / Pfalz mittels Rückschein dem Bezirksamt in Bergzabern angezeigt worden ist, also um dienstliche Angelegenheiten.

    Das wurde in dem B6-Formular vorliegend auch mit dem Kürzel "RS" innen oben rechts nochmals hervorgehoben.

    Hier findet man dann auch keine Marken für Gebührenverrechnungen, was wie ich vermute an dem von weite Welle in post 9 zitierten § 19 XI der Posttransportverordnung (PTO) vom 01.01.1876 + späteren Ergänzungen liegen sollte, demzufolge die königlichen Behörden (...) von Einschreibe- und Scheingebühr befreit waren.


    + Gruß !

    vom Pälzer...für weitere Hinweise immer dankbar

  • Hallo Pälzer,
    das Fehlen von Marken liegt ganz einfach daran, dass der Absender des zu bescheinigenden Briefes die
    Scheingebühr von 20 Pfg. "vorausfrankiert" hat, d.h. das Einschreiben war mit 50 Pfg. frankiert.
    Gruß

    weite Welle

  • Hallo wW,

    mea culpa, aber wie ist diese Gebührenbefreiungs-Regelung für königliche Behörden gemäß des § 19 XI der PTO dann überhaupt zu verstehen ? :huh:

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Guten Abend,

    möchte, nachdem sich hier längere Zeit nichts Neues getan hat, einen Rückschein von Forchheim an das k. Bezirksgericht Nürnberg zur Diskussion stellen.

    Der Rückschein betrifft ein Einschreiben an einen Herrn Oertel in Forchheim - ein im übrigen durchaus häufiger Name in dieser Gegend - und wurde laut Stempelabschlag Nürnberg am 20.3.(1877) um 10 Uhr Vormittag ausgestellt. Aus mir nicht ersichtlichen Gründen erhielt der Schein 2 h später auf der Anschriftseite nochmals einen Aufgabestempel, der dort nichts zu suchen hatte (hier wäre vielmehr ein Eingangsstempel Nürnberg nach erfolgter Rücksendung zu erwarten gewesen) und daher mit Rötelstift ausgekreuzt wurde.

    Frage in diesem Zusammenhang: Wurden diese Rückscheine wie heute üblich auf der Außenseite des Einschreibens befestigt ?

    Der Erhalt des Einschreibens wurde per Unterschrift von Herrn Oertel am 20.3 bestätigt und der Schein, frankiert mit einer 10 Pf Wappen (Mi.-Nr. 39-b) von Forchheim am 21.3. - 3 Nm. nach Nürnberg ans Bezirksgericht zurückgeschickt. Ob als Rückschein mit auf 10 Pf reduziertem Portosatz für Behörden (Sem Spezialkaztalog Pfennigausgaben 1. Auflage S. 179) oder als normaler Fernbrief (das Wort "Eingeschrieben" ist durchgestrichen) bleibt dabei offen, es sei denn mittlerweile liegen hier neuere Erkenntnisse vor.


    Gruß Klaus

    Wer später bremst,
    ist länger schnell !

    Einmal editiert, zuletzt von oisch (24. November 2020 um 19:51)