Preußen - Tirol

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    der folgende Brief beinhaltet für mich noch einige Fragezeichen:

    Am 21. März 1817 in Barmen geschrieben und nach Botzen adressiert.
    Man sieht den roten Postwärterstempel von Barmen und darüber den Durchgangsstempel des übergeordneten Postamts Elberfeld vom selben Tag.
    Laut Absenderwunsch sollte der Brief franco Aschaffenburg laufen.
    Daneben die durchgetrichenen Taxen 1/4 (Gr. - Zuleitung Barmen-Elberfeld) und 4 (Gr.) preußisches Porto.
    Rechts davon, mit anderer Tinte, wurden 2 (Gr. ?) notiert - Transitgebühr für Taxis.
    Wiederum rechts davon mit Rötelstift wurden 16 notiert - meiner Meinung nach das vom Empfänger zu zahlende österreichische Porto in Höhe von 16 Kr. (lt. Tarif 1.3.1815-31.5.1817).
    Rückseitig sind keine Taxen notiert.

    Was hier fehlt, ist das bayerische Transitporto.
    Überhaupt ist mir die Vertragsbasis für diesen Brief nicht klar. Zwischen Bayern und Österreich galt wohl noch der alte Vertrag von 1808, der aber die Gebietsveränderungen - Botzen nicht mehr bayerisch, sondern österreichisch - nicht wiederspiegelte.
    Preußen hatte mit Österreich noch keinen neuen Postvertrag geschlossen (erst 1820).

    Oder sah Bayern diesen Brief gar nicht ?
    In § 6 des Postvertrags Taxis-Österreich von 1817 (ab wann war dieser gültig ?) findet man folgendes:
    Die von den kontrahhierenden Teilen sich gegenseitig zuzustellenden Korrespondenzzweige sind: Alle in dem jetzigen Bezirk der fTT. Lehensposten, ... den auf den linken Ufern der Weser gelegenen kgl. preußischen Provinzen ...
    Wie war hier der Leitweg ? Über Schaffhausen und Bregenz ? (wie im Buch "Postverhältnisse Taxis-Österreich, Kapitel über die Vorgeschichte zum PV von 1817, beschrieben)

    Wie passt zu alldem franco Aschaffenburg ?

    Das sind nun eine Menge Fragezeichen, aber vielleicht kann ja das eine oder andere aufgelöst werden. :)

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,

    ein toller Brief vorweg - Glückwunsch!

    Die Taxen interpretiere ich ebenso wie du - die 2 Gutengroschen zweigte Preußen für den Taxis-Transit bis Aschaffenburg ab (welches erst postalisch im Herbst 1814 zu Bayern gehörte).

    Zum PV Österreichs mit TT von 1817: Dieser wurde erst im Mai 1817 ausgehandelt, konnte folglich nicht Basis für die Taxierung und Leitung deines Briefes werden. Auch trat er erst 18 Monate später in Kraft, wodurch er hier gar keine Rolle spielt, zumal sich in der Zwischenzeit noch sehr vieles geändert hatte.

    Die Leitung über Frankfurt - Aschaffenburg - Augsburg (kartierendes Postamt für Bayern mit Frankfurt) - Innsbruck - Bozen darf unterstellt werden, weil TT zuvor andere Routen wegen ihrer Imponderabilien ablehnte (Schaffhausen - Zürich - Graubünden).

    Österreich war verpflichtet, Bayern für Briefe über Frankfurt am Main 14 Kr. CM für den einfachen, halblöthigen (8,75g) schweren Brief zu ersetzen, wenn dieser bis zur bayer. Eingangspost (Aschaffenburg) frankiert aufgegeben worden war (§ 2 des Transitvertrages Bayerns mit Österreich vom 21.10.1808 ). Alternativ war es möglich über Coburg (TT) via Bayern zu versenden, wobei sich eine Vergütung von Österreich an Bayern i. H. v. 10 Kr. CM ergeben hätte (das kenne ich aber nur ausnahmsweise).

    Die vertraglich festgelegte Route Augsburg - Salzburg kann nach 1815 nicht mehr so eingehalten worden sein, weil Salzburg zu Österreich kam und statt dessen Innsbruck den Transitverkehr regelte.

    Conclusio: Meines Erachtens hatte man hier mal wieder einen fast rechtsfreien Raum in Augsburg dazu genutzt, die Augen zuzumachen und die eigenen 14 Kr. CM verdaddelt. Da Österreich, eh nicht gut auf Bayern zu sprechen, dies nicht nachträglich auf dem Brief und bei der zugehörigen Briefkarte, wie ich annehme, korrigierte, sparte sich der Bozener 17 Kr. rh. bzs. 14 Kr. CM. Die Fehlerquote Augsburgs in dieser Zeit ist legendär.

    Schön, das so eindrucksvoll belegen zu können. :P

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    vielen Dank für die Darlegung. :)
    Die Option "Bayern hat sein Transitporto schlicht verdaddelt" war in meiner Fragestellung enthalten, aber von mir zunächst als zu unwahrscheinlich abgelehnt worden. Also wieder was dazu gelernt ...

    Contraventionen, wohin man schaut. 8)

    Viele Grüße
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Michael

    Elberfeld und Erfurt ist schon weit von einander entfernt, so ich weiss nicht ob dieser Brief dich helfen kann. Aber weil unter gleicher Gebührenzeitraum muss man wohl auch parallele Verhältnisse einigermassen erwarten.

    Dieser Brief aus 13. April 1817 lag in der 2. Gewichtsstufe und kostete der Empfänger 32 Kreuzer CM Inlandgebühr für die Strecke im Tirol. Und wie bei deinem Brief fehlt auch hier die bayerische Transitgebühre. Ob es an fehlerhafte Behandlung liegt, weiss ich nicht, weil es hier noch viele unbeantwortete Fragen gibt.
    Wie sind die anderen Taxen zu verstehen? Heisst "frei Grenze" nur bis Preussisch/Taxische Grenze oder sogar nach Österreichische Grenze? Ich weiss dass die gekannte Vertragliche Texten was anderes sagt, man muss aber die Frage stellen.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    ein toller Brief. Meine Interpretation wäre folgende:

    Weil Österreich mit Preußen noch keinen PV zustande gebracht hatten (gut gemacht, Taxis!), wurde die Post über Bayern geleitet. Der Absender zahlte 8 Ggr., wovon 4 Ggr. an Bayern vergütet wurden (16x rh.). Mit "franco Grenze" war zumindest hier die bayer. - österreichische Grenze genannt (jedenfalls kenne ich das aus den 1810er Jahren von Preußen über Bayern nach Österreich immer so). Ansonsten müssten wir einen bayer. Portoansatz sehen.

    Mit 1 1/2 Loth war er für Preußen und Bayern zweifach, für Österreich dreifach.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch

    Danke für die Antwort.

    Eine Vergütung von Preussen an Bayern hatte ich auch in meine Gedanken. Aber diese Lösung konnte ich nicht so einfach behaupten, weil ich die Taxierungsunterlagen nicht habe.

    Der Brief oben ist mit 32 Kreuzer CM in Österreich als ein 2. Gewichtsstufe Brief behandelt.


    Dann zeige ich mein zweite Brief aus Erfurt der auch in 1817 abgeschickt war. Hier ist der Brief in Österreich etwas anders taxiert geworden weil es in Tirol nicht mehr eine Sonderstellung hatte. Und hier ist es auch kein Kreuzer CM bezahlt, sondern in Wiener Währung. Hier also 42 Kreuzer WW der gleich 14 Kreuzer CM ist. Die WW konnte man ab 1817 nicht mehr benutzen.
    Hier hat man für Preussen/Bayern dann nach vorherigen Muster 12 und 7 Kreuzer RH berechnet Franko Efferdingen - also alten Grenzpunkt zwischen Bayern und Österreich während der Krieg (1810-1816). Dann nehme ich an dass es 12 Kreuzer für Bayern ist und 7 Kreuzer für Preussen.
    Der Brief ist auch anderswo gezeigt, aber etwas unterschiedlich beschrieben wenn es um die Taxierung geht.

    Wert zu nennen ist dass der Brief ein Muster ohne Wert hatte, was hier nicht die Taxierung beeinflusst hat, wie ich es beurteilen kann.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    dann ist bei deinem vorherigen Brief die Lothangabe preußisch und damit weniger schwer als bayerisch bzw. österreichisch. Das passt dann wieder. :)

    Dieser Brief hier wog (links oben notiert) 2 Loth und war damit doppelt in Preußen und Bayern und 3fach in Österreich. Franko 12 / 7 dürften Gutegroschen gewesen sein. Also 5 Ggr. für Preußen und 7 Ggr. für Bayerns Transit.

    Die allermeisten Muster ohne Wert lagen in dem Brief und waren postalisch nicht moderierbar.

    Tolles Stück!

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch

    Der Vermerk oben Links hat mich etwas verwundert, aber 2 Loth konnte schon passen :)

    Dann aber wieder ein Beispiel für die unterschiedlichen Lothgewichte. 2 Loth in Österreich war ja 56 Kreuzer CM.

    Und wie passen die 2 Briefe bei Preussen zusammen? Beide sind doppelt aber mit 4 und 5 Gute Groschen taxiert.
    Und wie passen die 2 Briefe bei Bayern zusammen? Beide sind doppelt aber mit 4 und 7 Gute Groschen taxiert.

    Mit 1 1/2 Loth war er für Preußen und Bayern zweifach, für Österreich dreifach.

    Dieser Brief hier wog (links oben notiert) 2 Loth und war damit doppelt in Preußen und Bayern und 3fach in Österreich

    Irgendwie passt es doch nicht ganz?

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    wenn es morgen Zeit gibt, muss ich mal die Gewichte ausrechnen - aber das war halt schon damals das große Problem, weil man sich nicht auf eine Gewichtseinheit einigen konnte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch

    Wenn der erste Brief in Österreich richtig taxiert ist, war der Brief nicht schwerer als 17,54 Gram. Mit 17,50-53 Gram war der Brief in Bayern in der 3. Gewichtsstufe wie in Preussen, aber in Österreich in 2. Gewichtsstufe.
    Der Erste Brief wenn in Preussen gewogen hatte wenn 1,5 Loth genau gewogen war 21,96 Gram - wenn es bis 1,5 Loth gemeint war, war es also zwischen 14,692 Gram bis 21,96 Gram.

    Also 32 Kreuzer CM für Österreich in der 2. Gewichtsstufe und 4 Gute Groschen für Bayern in der 2. Gewichtsstufe und 4 Gute Groschen für Preussen in der 3. Gewichtsstufe. 4 Gute Groschen für Bayern macht dann 16 Kreuzer, aber es sollte wohl eher 18 Kreuzer Rh sein? Es stimmt also nicht so ganz einfach für mich.


    Der 2. Brief mit 2 Loth war in Preussen gleich 29,28 Gram. Das ist in Bayern und Österreich die 4. Gewichtsstufe die dann falsch taxiert ist.


    Wenn ich nicht weiss ob es in Preussen Inklusive oder Exklusive gerechnet ist, ist es nicht so einfach..

    Aber ich denke dass der 2. Brief eher 1 Loth gewogen hat - dann passt auf jeden Fall die Österreichische Taxierung mit 42 Kreuzer CM von 17,54 Gram bis 26,31 Gram. In Preussen war ein Loth Brief 14,62 bis 21,96 Gram wenn 1 Loth hier ab 1 Loth heisst so dass die Briefe zwischen 17,54 und 21,96 Gram in Preussen und Österreich beide die in der 3. Gewichtsstufe hatte. Dann auch so in Bayern bis 26,25 Gram.


    So irgendwie liegen die Briefe etwas falsch.

    Viele Grüsse
    Nils

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Nils,

    interessante Belege zeigst Du hier. :)

    Zitat

    Wenn ich nicht weiss ob es in Preussen Inklusive oder Exklusive gerechnet ist, ist es nicht so einfach..

    Ich schilder mal die Entwicklung der Gewichtsprogression vor Einführung des Tax-Regulativs von 1824:

    Die typische Formulierung damals (Ende des 18. Jahrhunderts, basierend auf den Vorgaben von 1766) lautete volle Lothprogression, d.h. von 1 Loth zu 1 Loth einen Portosatz mehr.
    Anscheinend waren die damaligen Vorgaben aber so unklar, dass es bei verschiedenen Postanstalten zu verschiedenen Progressionssätzen kam.
    Es ist z.B. vorgekommen, dass für einen Brief mit einem Gewicht von 1 1/4 Loth auch die 1,25-fache Taxe angesetzt wurde. Bei Briefen mit 1 1/2 Loth wurde manchmal die 1,5-fache Taxe angesetzt usw. Andere Postanstalten setzten für Briefe mit 1 1/4 oder 1 1/2 Loth Gewicht den 2-fachen Portosatz an (wie dies auch von den Taxvorschriften her gedacht war).

    Mit einem Circular vom 20. Juni 1816 wurde dann folgende Progressionsvorschrift an alle Postämter verteilt:
    Bei Briefen über 1 Loth steigt das Porto mit jedem halben Loth um die Hälfte des einfachen Satzes.

    Bis zu einem Loth inclusive galt also 1817 der einfache Progressionssatz.
    Das ganze hätte ich auch in diesem einen Satz schreiben können, aber vielleicht ist die Vorgeschichte ja auch lesenswert

    Viele Grüße
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Freunde

    Ich habe hier einen Brief mit ein Besonderheit der ein Preusse mich erklären muss.

    Briefe aus der Postwärterei Mittelwalde mussten nach Glatz geschickt werden um dort den Aufgabestempel zu bekommen.

    Dieser Brief in 1821 nach Bozen geschickt, hat wie andere Briefe aus Mittelwalde, ein roten M Stempel. In Preussen bis Grenze Österreichs kostet der Brief 4 Silbergroschen. In Österreich musste der Empfänger 14 Kreuzer CM als Inlandgebühr für die Auslandsbriefe bezahlen. Unterschiedlich zu alle Briefe aus Westpreussen liefe dieser Brief direkt an Österreich ohne irgend einen Transit. Die Korrespondenzen war somit günstiger von Ost her als die von West, und West hatte somit ein Nachteil gegenüber Ost.

    So eine Frage - oben rechts ist es 1 gestrichen. War es der Botenlohn von Mittelwalde bis Glatz? Finde ich etwas viel.

    Welche Aufgaben hatte ein Postwärterei?

    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,

    die Währung von 1821 in Preußen waren Gutegroschen, also hier 4 Ggr..

    1 Ggr. für den Transport bis zum Postamt war wohl nicht zu viel, von daher halte ich deine These für richtig.

    Einen Transit kann ich nicht erkennen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Hallo Nils,

    zu Postwärtereien:
    Postwärter waren keine beamteten Staatsdiener (wie die Postmeister), sondern kündbare Staatsdiener. Sie erhielten keinen Anteil der eingehenden Gelder (im Unterschied zu den Postmeistern) und übten diese Tätigkeit häufig als Nebenberuf aus.
    Funktional gab es keine Einschränkungen.

    Allerdings mussten Postwärtereien die aufgegebenen Briefe zu "ihrem" Postamt leiten. Erst dort wurde der Brief für seinen weiteren Weg taxiert. Für die Beförderung zwischen Postwärterei und Postamt fiel das sogenannte Binnenporto an, das durchaus die Höhe von 1 guten Groschen haben konnte.

    Viele Grüße
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Freunde

    Ich habe eine Frage zu dieser Brief.

    Der Brief war in Imgenbroich in April 1817 geschrieben und nach Aachen gebracht und wurde von dort nach Bozen geschickt. Und wie man sieht über Bayern, was auch üblich war.

    Die Frage geht an die preussische Taxierung. Zuerst war es 4 1/4 GGr vermerkt, was wohl auch das übliche war. Hier war es aber gestrichen und mit 2 GGr ersetzt. Weiss jemand warum es so gemacht war?

    Viele Grüsse
    Nils